Wenn Josiane Kruger ihre Freundin Mijo Panier in Nogent bei Paris zu Kaffee und Kuchen besucht, geht den Französinnen der Gesprächsstoff nicht aus. Zwar kennen sich die beiden Rentnerinnen erst seit kurzem, aber die Erinnerungen an eine schmerzhafte Vergangenheit einen sie. Denn beide sind in den Kriegswirren zur Welt gekommen, als Tochter einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters, eines Wehrmachtsbesatzers. Josiane wuchs in einem Dorf in der Picardie auf, von Anfang an anders als ihre Altersgenossen, ohne Vater.
" Als ich sieben Jahre alt war, wurde ich auf dem Pausenhof als Tochter eines 'boche' beschimpft. 'Boche' ist ein sehr böses Schimpfwort für die Deutschen. Beim Nachhausekommen fragte ich meine Mutter, was denn ein boche sei. Meine Großmutter nahm mich daraufhin zur Seite und klärte mich darüber auf, dass mein Vater ein deutscher Soldat sei, der vor meiner Geburt von Frankreich an die russische Front versetzt wurde. Und dass man seither nichts mehr von ihm gehört habe. Mit meiner Großmutter besuchte ich häufig deren Freundinnen und dann sprachen sie über meine Eltern und darüber, was für ein schönes Paar die beiden gewesen seien, wie schön und nett mein Vater gewesen sei. Deshalb konnte ich umso weniger verstehen, warum ich mich dafür schämen sollte, die Tochter eines Mannes zu sein, der gut aussah und reizend war. "
Nach Kriegsende wurden viele Französinnen, die sich mit Deutschen eingelassen hatten, geschoren und nackt durchs Dorf getrieben. Teils mussten sie ihr Kind ins Heim stecken. Ein Schicksal, dem Josiane und ihre Mutter entgehen konnten. Zwar gründete die Mutter später mit einem Wanderarbeiter eine neue Familie, doch Josianes Jugend war geprägt von einem Mangel an allem, vor allem an Liebe. Sie war 14, als sie die Adresse des Vaters fand und ihm heimlich schrieb. Plötzlich stand er vor ihr, blieb drei Tage und verschwand dann wieder aus ihrem Leben.
Die deutsche Schnulze kennen Josiane und Mijo auswendig. Mijo hört sie oft, wenn sie an ihrem Computer sitzt. Als Bildschirm-Hintergrund hat Mijo hier ein Erinnerungsphoto eingescannt. Es zeigt einen alten Mann im Krankenhaus, daneben Mijo, hingebungsvoll an dessen Schulter geschmiegt:
" Das ist das schönste Photo meines Lebens. Mein Papa und ich. Sehen Sie, das Photo steht auch da drüben auf der Kommode, überall, ich trage es in meinem Herzen. Entstanden ist es im letzten Jahr, als ich nach über 60 Jahren Schweigen meinen Vater endlich wieder gefunden habe, ein halbes Jahr vor seinem Tod. Sehen Sie nur die Freude in unser beider Augen. Und alle sagen, dass wir uns auf dem Photo ähnlich sehen. Darauf bin ich am meisten stolz. "
Josiane hatte nicht das Glück, ihren Vater lebend wieder zu sehen. Dafür gehört sie für dessen deutsche Frau und die beiden Söhne heute voll zur Familie. Ein Happyend, das nicht vielen Schicksalsgenossen vergönnt ist. Überhaupt Nachforschungen nach dem verschollenen Vater anzustellen, trauen sich bislang nur wenige und auch erst seit kurzem. Seit den ersten Medienberichten zum Thema, die beim Archiv zu den Wehrmachtssoldaten in Berlin eine Lawine an Nachfragen ausgelöst haben. Josiane, Mijo und über 170 weitere Kriegskinder betreiben seit einem knappen Jahr einen Freundeskreis in eigener Sache, zur tatkräftigen Aufklärung:
" Mich rufen immer wieder Menschen an, die sagen: vor zwei Monaten habe ich einen Artikel zu den Kriegskindern gelesen und auch ich gehöre dazu. Aber ich möchte auf keinen Fall, dass jemand erfährt, dass mein Vater Deutscher ist. Auch nicht mein Mann oder die Kinder. Ich habe Angst, deshalb zurückgewiesen zu werden. "
Selbst für die heutigen Rentner gehört dieses Abstammungstrauma weiterhin zum Alltag. Als vor zwei Jahren, zum 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie, auch erstmals der deutsche Kanzler zur Staatsfeier geladen wurde, verfasste Josiane Kruger einen Brief an Claude Chirac, der Tochter des Staatspräsidenten und gleichfalls dessen PR-Frau und regte an, bei dieser Feier auch die so genannten Kinder der Schande, die Kriegskinder, zu rehabilitieren. Sie bekam keine Antwort.
" Man wirft unseren Eltern vor, sie hätten einen schweren Fehler begangen. Blödsinn, Sie haben sich geliebt und das ist alles. Ich finde das wunderbar, dass es auch während des Krieges Liebesgeschichten gab. Hätte es nur den Krieg gegeben, wäre das ja zum Verzweifeln. "
" Als ich sieben Jahre alt war, wurde ich auf dem Pausenhof als Tochter eines 'boche' beschimpft. 'Boche' ist ein sehr böses Schimpfwort für die Deutschen. Beim Nachhausekommen fragte ich meine Mutter, was denn ein boche sei. Meine Großmutter nahm mich daraufhin zur Seite und klärte mich darüber auf, dass mein Vater ein deutscher Soldat sei, der vor meiner Geburt von Frankreich an die russische Front versetzt wurde. Und dass man seither nichts mehr von ihm gehört habe. Mit meiner Großmutter besuchte ich häufig deren Freundinnen und dann sprachen sie über meine Eltern und darüber, was für ein schönes Paar die beiden gewesen seien, wie schön und nett mein Vater gewesen sei. Deshalb konnte ich umso weniger verstehen, warum ich mich dafür schämen sollte, die Tochter eines Mannes zu sein, der gut aussah und reizend war. "
Nach Kriegsende wurden viele Französinnen, die sich mit Deutschen eingelassen hatten, geschoren und nackt durchs Dorf getrieben. Teils mussten sie ihr Kind ins Heim stecken. Ein Schicksal, dem Josiane und ihre Mutter entgehen konnten. Zwar gründete die Mutter später mit einem Wanderarbeiter eine neue Familie, doch Josianes Jugend war geprägt von einem Mangel an allem, vor allem an Liebe. Sie war 14, als sie die Adresse des Vaters fand und ihm heimlich schrieb. Plötzlich stand er vor ihr, blieb drei Tage und verschwand dann wieder aus ihrem Leben.
Die deutsche Schnulze kennen Josiane und Mijo auswendig. Mijo hört sie oft, wenn sie an ihrem Computer sitzt. Als Bildschirm-Hintergrund hat Mijo hier ein Erinnerungsphoto eingescannt. Es zeigt einen alten Mann im Krankenhaus, daneben Mijo, hingebungsvoll an dessen Schulter geschmiegt:
" Das ist das schönste Photo meines Lebens. Mein Papa und ich. Sehen Sie, das Photo steht auch da drüben auf der Kommode, überall, ich trage es in meinem Herzen. Entstanden ist es im letzten Jahr, als ich nach über 60 Jahren Schweigen meinen Vater endlich wieder gefunden habe, ein halbes Jahr vor seinem Tod. Sehen Sie nur die Freude in unser beider Augen. Und alle sagen, dass wir uns auf dem Photo ähnlich sehen. Darauf bin ich am meisten stolz. "
Josiane hatte nicht das Glück, ihren Vater lebend wieder zu sehen. Dafür gehört sie für dessen deutsche Frau und die beiden Söhne heute voll zur Familie. Ein Happyend, das nicht vielen Schicksalsgenossen vergönnt ist. Überhaupt Nachforschungen nach dem verschollenen Vater anzustellen, trauen sich bislang nur wenige und auch erst seit kurzem. Seit den ersten Medienberichten zum Thema, die beim Archiv zu den Wehrmachtssoldaten in Berlin eine Lawine an Nachfragen ausgelöst haben. Josiane, Mijo und über 170 weitere Kriegskinder betreiben seit einem knappen Jahr einen Freundeskreis in eigener Sache, zur tatkräftigen Aufklärung:
" Mich rufen immer wieder Menschen an, die sagen: vor zwei Monaten habe ich einen Artikel zu den Kriegskindern gelesen und auch ich gehöre dazu. Aber ich möchte auf keinen Fall, dass jemand erfährt, dass mein Vater Deutscher ist. Auch nicht mein Mann oder die Kinder. Ich habe Angst, deshalb zurückgewiesen zu werden. "
Selbst für die heutigen Rentner gehört dieses Abstammungstrauma weiterhin zum Alltag. Als vor zwei Jahren, zum 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie, auch erstmals der deutsche Kanzler zur Staatsfeier geladen wurde, verfasste Josiane Kruger einen Brief an Claude Chirac, der Tochter des Staatspräsidenten und gleichfalls dessen PR-Frau und regte an, bei dieser Feier auch die so genannten Kinder der Schande, die Kriegskinder, zu rehabilitieren. Sie bekam keine Antwort.
" Man wirft unseren Eltern vor, sie hätten einen schweren Fehler begangen. Blödsinn, Sie haben sich geliebt und das ist alles. Ich finde das wunderbar, dass es auch während des Krieges Liebesgeschichten gab. Hätte es nur den Krieg gegeben, wäre das ja zum Verzweifeln. "