Karin Fischer: Ambroise Thomas lebte von 1811 bis 1896 und er gehört zu den weniger gespielten französischen Komponisten des 19. Jahrhunderts, auch wenn er neben Charles Gounod als wichtigster Vertreter der lyrischen Oper seiner Zeit zählt. Ein bekannteres Werk ist "Mignon". Der fünfaktige "Hamlet" aus dem Jahr 1868 wird eher selten gehört, in deutschen Opernhäusern. In der Musikliteratur findet man ja sehr viele Kompositionen, die von Shakespeare inspiriert sind. Der Hamlet ist da nur eines unter vielen. Deshalb zunächst die Frage an unseren Kritiker Frieder Reininghaus, der das Werk jetzt an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf gesehen hat. Wie haben Ambroise Thomas und seine Librettisten Jules Barbier und Michel Carré die Geschichte um den traurigen Dänenprinzen denn aufgezogen?
Reininghaus: Wir müssen dieses Werk sehen und hören, vor dem Hintergrund der französischen Shakespeare-Rezeption. Zu der gab es in der Mitte des 18. Jahrhunderts, also stark 100 Jahre vor der Erschaffung dieses Hamlet von Thomas, ein vernichtendes Urteil von Voltaire, der sagte, der Hamlet wäre ein rohes und barbarisches Stück, das in Frankreich und Italien noch nicht einmal beim gemeinsten Pöbel Anklang finden könnte. In diesem Sinne von Voltaire wurde dann der Stoff verschiedentlich für die französischen Sprechtheaterbühnen bearbeitet, wie auch für die italienischen Opernbühnen. Und sie alle haben dieses Stück um seine Widersprüche gebracht. Sie haben insbesondere die Friedhofsszene immer weggelassen. Sie haben das Grausame, das Blutige, weggekürzt und die Handlung konzentriert auf die Hauptpersonen. Was nun Michel Carré und Jules Barbier, die beiden Librettisten von Thomas, erreicht haben, war die Wiederannäherung an Shakespeare.
Fischer: Was heißt das denn inhaltlich, Herr Reininghaus, wenn Sie sagen, man nähert sich wieder an Shakespeare an?
Reininghaus: Die Friedhofszene ist zum Beispiel wieder enthalten und es sind einzelne wörtliche Zitate aus dem Shakespearetext in das Opernlibretto einmontiert. Was vorher, in diesen klassizistischen Fassungen, wie sie zum Beispiel von Jean-Francois Ducis im 18. Jahrhundert vorgenommen worden ist, nicht zu finden war.
Fischer: Was ist das für eine musikalische Tradition, in der man die Oper einordnen kann?
Reininghaus: Die Musik, die Thomas schreibt, basiert ganz auf den Errungenschaften von Giacomo Meyerbeer und von Daniel Aubert. Es ist ja kein Zufall, dass nach dessen Tod im Jahr 1871, Thomas an die Spitze des Konservatoriums in Paris aufrückte. In dieser Tradition der Tableaus des Abwechlungsreichtums steht nun diese Musik und es gibt die große Wahnsinnsarie, es gibt sehr konzis gearbeitete Trinkszenen, also wir haben eine außerordentliche Vielfalt. Das unterscheidet diese Opernkonvention natürlich von der deutschen Tradition. Aber es ist auch in diesem Sinne, im akademischen Sinn, ein absolut sorgfältig und perfekt komponiertes Werk.
Fischer: In der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf wird in französischer Originalsprache mit Obertiteln gesungen und man hat als Besetzung ein Who's who der Opernsänger angekündigt. Wer von den Sängerinnen und Sängern wäre da besonders hervorzuheben?
Reininghaus: Ich denke, neben den beiden darstellerisch brillierenden und sängerisch fabelhaft ausgestatteten Hauptfrauen des Stücks, nämlich Marlis Petersen als Ophelia und Jeanne Piland als der Königin, die den Ehebruch und den Mord an ihrem Ehemann begeht und den Bruder ihres ersten Mannes heiratet. Neben diesen beiden Frauen, die fulminant singen, haben wir insbesondere Tassis Christoyannis, einen vorzüglichen Bariton, der auch ein fantastischer Sängerdarsteller ist und die Jugendlichkeit, das Aufsässige, wie das Wahnsinnige dieses Hamlet ganz wunderbar beglaubigt.
Fischer: Dann müssen wir, Herr Reininghaus, jetzt noch wissen, wie die ganze Sache ausgesehen hat.
Reininghaus: Michael Leinert hat die Bühne ausgestattet und die Inszenierung in dieser Bühne besorgt. Es ist ein Kompromiss. Wir sehen klassizistische Säulen, wie sie für das französische 19. Jahrhundert sehr charakteristisch waren und ein wenig Mobiliar der Belle Epoche und darin auch wirklich Figuren einer alten abgelegten Zeit, den König und die Königin. Und dem gegenüber Hamlet und Ophelia, ausgestattet als Angehörige, sichtbar, einer Jugendkultur. Ich denke es war für das Werk in diesem Fall sinnvoll. Eine charakteristische Interpretation von Hamlet oder der heutigen Anverwandlung dieses Stücks für die Bühne haben wir heute nicht gesehen. Aber ich glaube, das hat das Düsseldorfer Publikum auch nicht erwartet. Es war sehr gut bedient, durch drei überragende Sänger und ein insgesamt gutes Ensemble und durch ein hochachtbares Orchester, das von Alexander Joel doch sehr gut geleitet wurde.
Reininghaus: Wir müssen dieses Werk sehen und hören, vor dem Hintergrund der französischen Shakespeare-Rezeption. Zu der gab es in der Mitte des 18. Jahrhunderts, also stark 100 Jahre vor der Erschaffung dieses Hamlet von Thomas, ein vernichtendes Urteil von Voltaire, der sagte, der Hamlet wäre ein rohes und barbarisches Stück, das in Frankreich und Italien noch nicht einmal beim gemeinsten Pöbel Anklang finden könnte. In diesem Sinne von Voltaire wurde dann der Stoff verschiedentlich für die französischen Sprechtheaterbühnen bearbeitet, wie auch für die italienischen Opernbühnen. Und sie alle haben dieses Stück um seine Widersprüche gebracht. Sie haben insbesondere die Friedhofsszene immer weggelassen. Sie haben das Grausame, das Blutige, weggekürzt und die Handlung konzentriert auf die Hauptpersonen. Was nun Michel Carré und Jules Barbier, die beiden Librettisten von Thomas, erreicht haben, war die Wiederannäherung an Shakespeare.
Fischer: Was heißt das denn inhaltlich, Herr Reininghaus, wenn Sie sagen, man nähert sich wieder an Shakespeare an?
Reininghaus: Die Friedhofszene ist zum Beispiel wieder enthalten und es sind einzelne wörtliche Zitate aus dem Shakespearetext in das Opernlibretto einmontiert. Was vorher, in diesen klassizistischen Fassungen, wie sie zum Beispiel von Jean-Francois Ducis im 18. Jahrhundert vorgenommen worden ist, nicht zu finden war.
Fischer: Was ist das für eine musikalische Tradition, in der man die Oper einordnen kann?
Reininghaus: Die Musik, die Thomas schreibt, basiert ganz auf den Errungenschaften von Giacomo Meyerbeer und von Daniel Aubert. Es ist ja kein Zufall, dass nach dessen Tod im Jahr 1871, Thomas an die Spitze des Konservatoriums in Paris aufrückte. In dieser Tradition der Tableaus des Abwechlungsreichtums steht nun diese Musik und es gibt die große Wahnsinnsarie, es gibt sehr konzis gearbeitete Trinkszenen, also wir haben eine außerordentliche Vielfalt. Das unterscheidet diese Opernkonvention natürlich von der deutschen Tradition. Aber es ist auch in diesem Sinne, im akademischen Sinn, ein absolut sorgfältig und perfekt komponiertes Werk.
Fischer: In der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf wird in französischer Originalsprache mit Obertiteln gesungen und man hat als Besetzung ein Who's who der Opernsänger angekündigt. Wer von den Sängerinnen und Sängern wäre da besonders hervorzuheben?
Reininghaus: Ich denke, neben den beiden darstellerisch brillierenden und sängerisch fabelhaft ausgestatteten Hauptfrauen des Stücks, nämlich Marlis Petersen als Ophelia und Jeanne Piland als der Königin, die den Ehebruch und den Mord an ihrem Ehemann begeht und den Bruder ihres ersten Mannes heiratet. Neben diesen beiden Frauen, die fulminant singen, haben wir insbesondere Tassis Christoyannis, einen vorzüglichen Bariton, der auch ein fantastischer Sängerdarsteller ist und die Jugendlichkeit, das Aufsässige, wie das Wahnsinnige dieses Hamlet ganz wunderbar beglaubigt.
Fischer: Dann müssen wir, Herr Reininghaus, jetzt noch wissen, wie die ganze Sache ausgesehen hat.
Reininghaus: Michael Leinert hat die Bühne ausgestattet und die Inszenierung in dieser Bühne besorgt. Es ist ein Kompromiss. Wir sehen klassizistische Säulen, wie sie für das französische 19. Jahrhundert sehr charakteristisch waren und ein wenig Mobiliar der Belle Epoche und darin auch wirklich Figuren einer alten abgelegten Zeit, den König und die Königin. Und dem gegenüber Hamlet und Ophelia, ausgestattet als Angehörige, sichtbar, einer Jugendkultur. Ich denke es war für das Werk in diesem Fall sinnvoll. Eine charakteristische Interpretation von Hamlet oder der heutigen Anverwandlung dieses Stücks für die Bühne haben wir heute nicht gesehen. Aber ich glaube, das hat das Düsseldorfer Publikum auch nicht erwartet. Es war sehr gut bedient, durch drei überragende Sänger und ein insgesamt gutes Ensemble und durch ein hochachtbares Orchester, das von Alexander Joel doch sehr gut geleitet wurde.