Martin Zagatta: Muss die Bundesregierung ihren Widerstand aufgeben? Werden den Griechen nun doch Schulden erlassen, vielleicht schon bei einem Euro-Krisentreffen am Donnerstag in Brüssel? Die Diskussion darüber hat sich am Wochenende jedenfalls so zugespitzt, dass diese Kehrtwende nicht mehr ausgeschlossen wird. Sie haben es in dem Beitrag gehört: etwas widersprüchliche Signale von der Kanzlerin. Angela Merkel kann sich mit dem Gedanken, den Griechen Schulden zu erlassen, noch nicht so recht anfreunden und hat entsprechenden Forderungen der Opposition gestern auch noch eine Absage erteilt.
O-Ton Angela Merkel: Vorschläge, die nicht so einfach umsetzbar sind, die kann die Opposition machen. Die kann einfach mal eine Umschuldung fordern, die kann einfach mal Euro-Bonds fordern. Bei mir erwartet man schon, dass ich mich mit den Vorschlägen dann auch durchsetze.
Zagatta: Die Bundeskanzlerin gestern im Sommer-Interview des ARD-Fernsehens, und diesen Ball weitergeben können wir jetzt an die Opposition. Wir sind verbunden mit Joachim Poß, der im SPD-Vorstand für Finanzen und den Haushalt zuständig ist. Guten Tag, Herr Poß.
Joachim Poß: Guten Tag.
Zagatta: Herr Poß, die Kanzlerin ist nach wie vor gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland, hat jetzt erstmals einen solchen Schritt aber nicht mehr generell ausgeschlossen. Sehen Sie da ein Umdenken und wie bewerten Sie, wie bewertet die SPD das?
Poß: Frau Merkel ist ja ein Teil des Problems. Mit ihrer Taktiererei seit dem Februar letzten Jahres hat sie ja die Situation erst verschärft. Das wird ja von niemandem national und international bestritten, dass Frau Merkel zu einem Teil des Problems geworden ist mit ihrem Hang zum Populismus. Es fehlt jede glaubwürdige Linie bei ihr und von daher muss man ihr raten, jetzt endlich sich offen zu zeigen für Vorschläge, wie zum Beispiel den Einsatz solcher Bonds, oder eben anderer geeigneter Maßnahmen, die dazu führen, dass die Schuldenlast von Griechenland dauerhaft gesenkt wird. Darum geht es ja. Das ist aber nur ein Teil des Rettungsproblems Griechenland, denn es muss natürlich anderes hinzutreten. Natürlich müssen die Strukturprobleme fundamental gelöst werden, zum Beispiel auch durch mehr Wirtschaftswachstum. Darüber muss man sich Gedanken machen. Und natürlich gehören auch weitere Maßnahmen wie Privatisierung – und das ist ja ein Teil der Strukturprobleme Griechenlands – dazu. Aber es wird hier Schwarz-Weiß diskutiert und das ist wenig glaubwürdig auch von einer Regierungschefin, die eigentlich an der Spitze Europas jetzt stehen müsste, um endlich zu einer Lösung zu kommen, denn das Wesentliche ist der Faktor Zeit. Wir haben zu viel Zeit ins Land gehen lassen. Das galt für das letzte Frühjahr, da hätte eine rechtzeitige Erklärung von Frau Merkel die Dinge vielleicht auch schon bereinigen können, und das gilt für die jetzige Situation, wo es sich krisenhaft zugespitzt hat und wo jeder mit jedem streitet, anstatt wirklich Lösungen zu präsentieren, die tragfähig sind. Dies ist ein Versagen insgesamt hier in Europa, in der Euro-Zone, und wir sind die größte Nation, die Regierungschefin heißt Merkel.
Zagatta: Aber Frau Merkel, das muss man ihr ja zugutehalten, steht ja dort vor dem Problem, dass die Meinungen so weit auseinandergehen, dass hier die Wirtschaftsexperten sich auch nicht einig sind. Sie hat jetzt angekündigt, an dem Krisentreffen in Brüssel am Donnerstag nur dann teilzunehmen, wenn da auch Ergebnisse zu erwarten sind. Unterstützen Sie das? Ist das nicht sogar die richtige Haltung nach so vielen ergebnislosen Verhandlungen?
Poß: Auch das ist ja wieder eine rein taktische Position. Dann muss sie doch dafür sorgen, dass Ergebnisse produziert werden. Das ist doch diese passive Haltung, die sie einnimmt, anstatt an der Spitze zu stehen und zu gestalten. Das ist doch die Rolle Deutschlands, ob wir wollen oder nicht, wegen unserer Wirtschaftskraft, auch weil wir bisher durchaus profitiert haben von der Euro-Zone, ist doch nicht zu leugnen. Also müssen wir doch im eigenen Interesse nun wirklich, sage ich, dort an der Spitze stehen, natürlich nicht alleine, natürlich in Absprache mit den anderen und natürlich gehen die Meinungen auch weit auseinander - das ist ja nicht zu leugnen, weil es hoch komplex ist -, welches Lösungsmodell man denn da zum Beispiel bei der Umstrukturierungs- und Umschuldungsfrage ins Auge fasst und welche Wirkungen davon ausgehen können. Das kann niemand leugnen, dass das schwer vorherzusagen ist. Aber umso dringender sind doch da Lösungen gefragt, die man nicht noch weiter verschieben darf.
Zagatta: Müssten wir oder müsste die Bundesregierung da auch an der Spitze stehen, wenn es in letzter Konsequenz heißt, den Griechen dann einen Teil ihrer Schulden zu erlassen, also diesen Schuldenschnitt dort zu betreiben?
Poß: Wir Sozialdemokraten haben das ja lange schon zu bedenken gegeben, dass es im deutschen Interesse liegt, solche Lösungsmodelle ins Auge zu fassen.
Zagatta: Auch wenn es dem deutschen Steuerzahler sehr viel Geld kosten würde?
Poß: Es geht doch darum, dem deutschen Steuerzahler dies zu ersparen. Im Moment hat der deutsche Steuerzahler Gott sei Dank ja noch nicht zahlen müssen, das gilt ja auch für die anderen Fälle in Europa. Der Chef des europäischen Rettungsfonds hat ja zurecht darauf hingewiesen, in einem Interview gestern noch mal, also im Blick auf Irland und Portugal, dass wir bisher für die Garantien, die wir gegeben haben, daran noch Geld verdient haben.
Zagatta: Aber wenn man da jetzt Schulden abschreibt, Herr Poß, dann müsste man ja auf Geld verzichten.
Poß: Dann taucht diese Situation möglicherweise auf, das ist richtig, dass da Verzicht zu leisten ist. Es können schwierige Situationen für Banken auftauchen, in erster Linie für griechische Banken, auch für deutsche Banken, und da ist die Frage, sind die gewappnet? Nach meiner Auffassung ist ja ein Großteil bei denen schon abgeschrieben, um die es hier geht. Also es werden da meines Erachtens Dinge dramatisiert, die nicht so dramatisch werden müssen. Also es ist ein Abwägen alles in allem. Aber wir wollen endlich auch Private beteiligen, die ja relativ gut verdient haben in den letzten Jahren, und es kann nicht sein, dass nur die deutschen Steuerzahler dann einstehen müssen. Darum geht es bei diesem Vorgang ja auch.
Zagatta: Aber für einen Großteil der Schulden müssten dann doch die öffentlichen Haushalte aufkommen, sprich der Steuerzahler. Was halten Sie denn davon, dass der Bundesbankchef Weidmann strikt dagegen ist und dass die Kanzlerin sagt, wenn es jetzt zu diesem Schuldenschnitt kommt, dann werden die Griechen quasi noch belohnt, dass sie so unverantwortlich gewirtschaftet haben?
Poß: Dass unverantwortlich gewirtschaftet wurde, ist doch unbestreitbar. Es geht allerdings nicht um die Belohnung eines solchen Verhaltens jetzt in der Rückschau, sondern es geht darum, eine Lösung zu präsentieren, die verhindert, dass zukünftig die Lasten noch größer werden. Ich wiederhole: es war die Taktiererei von Frau Merkel, die die Krise verschärft hat und die die sogenannten Spekulanten ja noch eingeladen hat, darauf zu wetten, dass Griechenland Pleite gehen würde und möglicherweise andere Staaten auch, und die auch meinten, dass der Euro wo möglich diese Belastungsprobe nicht überstehen könnte. Und was Herrn Weidmann angeht, der hat nun da auch eigene Interessen, weil die Europäische Zentralbank natürlich von einem solchen Schnitt betroffen wäre und massiv abwerten müsste womöglich. Das sind, sage ich mal, dann eigene Interessen der Europäischen Zentralbank und da wird der Steuerzahler als Alibi vorgeschoben. Ich halte das nicht für sehr überzeugend.
Zagatta: Aber der deutsche Steuerzahler ist laut Umfragen zumindest gegen eine solche Umschuldung beziehungsweise gegen einen solchen Schuldenerlass.
Poß: Das hat doch damit zu tun, dass eben hier in der deutschen Politik nicht in Klarheit und Offenheit diskutiert wurde. Die Risiken müssen durchaus benannt werden, die da sind. Aber wenn man dann immer noch so polemisiert über einzelne, in der Tat negative Beispiele, die man ja aus Griechenland benennen kann, dann darf man sich nicht wundern, dass die Stimmung so ist, wie sie sich in diesen Umfragen abbildet. Aber ich entnehme im Übrigen den Umfragen, dass doch ein sehr großer Teil der deutschen Bevölkerung nachdenklich ist und weiß, dass insgesamt das Euro-System für uns Deutsche günstig war in der Vergangenheit und dass es auch darum geht, da eine Perspektive zu schaffen. Und letzten Endes, glaube ich, haben die großen alten Staatsmänner, die sich da zu Wort melden, auch recht, die sagen, es geht um die Zukunft Europas, um unsere Handlungsfähigkeit, und die kritischen Stimmen vom Internationalen Währungsfonds und andere, die sagen, es ist unglaublich, welches Missmanagement sich Europa hier erlaubt, und diese Kritik ist berechtigt.
Zagatta: Haben Sie da kein Verständnis für Bedenken, dass man mit einer solchen Umschuldung auch ein Fass ohne Boden öffnen würde, weil dann stehen doch andere Staaten sofort auch auf dem Teppich?
Poß: Also die Bedenken habe ich nicht, weil, glaube ich, kein Land daran Interesse haben kann, auf Dauer zum Mündel irgendeiner internationalen Gemeinschaft oder einer Währungsgemeinschaft zu werden. Worauf es jetzt ankommt, ist Klarheit, das muss aber dann jetzt auch schnell geschehen, möglichst am Donnerstag, sodass die Dinge einen positiven Verlauf nehmen. Bisher haben die Dinge sich immer schlechter entwickelt, weil diese Klarheit gefehlt hat, und da ist Frau Merkel gefragt und nicht mit taktischen Spielchen.
Zagatta: Der Finanzexperte der SPD, Joachim Poß, der sich im Urlaub an seinem ersten Urlaubstag Zeit für uns genommen hat. Herr Poß, herzlichen Dank für das Gespräch.
Poß: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews
und Diskussionen nicht zu eigen.
O-Ton Angela Merkel: Vorschläge, die nicht so einfach umsetzbar sind, die kann die Opposition machen. Die kann einfach mal eine Umschuldung fordern, die kann einfach mal Euro-Bonds fordern. Bei mir erwartet man schon, dass ich mich mit den Vorschlägen dann auch durchsetze.
Zagatta: Die Bundeskanzlerin gestern im Sommer-Interview des ARD-Fernsehens, und diesen Ball weitergeben können wir jetzt an die Opposition. Wir sind verbunden mit Joachim Poß, der im SPD-Vorstand für Finanzen und den Haushalt zuständig ist. Guten Tag, Herr Poß.
Joachim Poß: Guten Tag.
Zagatta: Herr Poß, die Kanzlerin ist nach wie vor gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland, hat jetzt erstmals einen solchen Schritt aber nicht mehr generell ausgeschlossen. Sehen Sie da ein Umdenken und wie bewerten Sie, wie bewertet die SPD das?
Poß: Frau Merkel ist ja ein Teil des Problems. Mit ihrer Taktiererei seit dem Februar letzten Jahres hat sie ja die Situation erst verschärft. Das wird ja von niemandem national und international bestritten, dass Frau Merkel zu einem Teil des Problems geworden ist mit ihrem Hang zum Populismus. Es fehlt jede glaubwürdige Linie bei ihr und von daher muss man ihr raten, jetzt endlich sich offen zu zeigen für Vorschläge, wie zum Beispiel den Einsatz solcher Bonds, oder eben anderer geeigneter Maßnahmen, die dazu führen, dass die Schuldenlast von Griechenland dauerhaft gesenkt wird. Darum geht es ja. Das ist aber nur ein Teil des Rettungsproblems Griechenland, denn es muss natürlich anderes hinzutreten. Natürlich müssen die Strukturprobleme fundamental gelöst werden, zum Beispiel auch durch mehr Wirtschaftswachstum. Darüber muss man sich Gedanken machen. Und natürlich gehören auch weitere Maßnahmen wie Privatisierung – und das ist ja ein Teil der Strukturprobleme Griechenlands – dazu. Aber es wird hier Schwarz-Weiß diskutiert und das ist wenig glaubwürdig auch von einer Regierungschefin, die eigentlich an der Spitze Europas jetzt stehen müsste, um endlich zu einer Lösung zu kommen, denn das Wesentliche ist der Faktor Zeit. Wir haben zu viel Zeit ins Land gehen lassen. Das galt für das letzte Frühjahr, da hätte eine rechtzeitige Erklärung von Frau Merkel die Dinge vielleicht auch schon bereinigen können, und das gilt für die jetzige Situation, wo es sich krisenhaft zugespitzt hat und wo jeder mit jedem streitet, anstatt wirklich Lösungen zu präsentieren, die tragfähig sind. Dies ist ein Versagen insgesamt hier in Europa, in der Euro-Zone, und wir sind die größte Nation, die Regierungschefin heißt Merkel.
Zagatta: Aber Frau Merkel, das muss man ihr ja zugutehalten, steht ja dort vor dem Problem, dass die Meinungen so weit auseinandergehen, dass hier die Wirtschaftsexperten sich auch nicht einig sind. Sie hat jetzt angekündigt, an dem Krisentreffen in Brüssel am Donnerstag nur dann teilzunehmen, wenn da auch Ergebnisse zu erwarten sind. Unterstützen Sie das? Ist das nicht sogar die richtige Haltung nach so vielen ergebnislosen Verhandlungen?
Poß: Auch das ist ja wieder eine rein taktische Position. Dann muss sie doch dafür sorgen, dass Ergebnisse produziert werden. Das ist doch diese passive Haltung, die sie einnimmt, anstatt an der Spitze zu stehen und zu gestalten. Das ist doch die Rolle Deutschlands, ob wir wollen oder nicht, wegen unserer Wirtschaftskraft, auch weil wir bisher durchaus profitiert haben von der Euro-Zone, ist doch nicht zu leugnen. Also müssen wir doch im eigenen Interesse nun wirklich, sage ich, dort an der Spitze stehen, natürlich nicht alleine, natürlich in Absprache mit den anderen und natürlich gehen die Meinungen auch weit auseinander - das ist ja nicht zu leugnen, weil es hoch komplex ist -, welches Lösungsmodell man denn da zum Beispiel bei der Umstrukturierungs- und Umschuldungsfrage ins Auge fasst und welche Wirkungen davon ausgehen können. Das kann niemand leugnen, dass das schwer vorherzusagen ist. Aber umso dringender sind doch da Lösungen gefragt, die man nicht noch weiter verschieben darf.
Zagatta: Müssten wir oder müsste die Bundesregierung da auch an der Spitze stehen, wenn es in letzter Konsequenz heißt, den Griechen dann einen Teil ihrer Schulden zu erlassen, also diesen Schuldenschnitt dort zu betreiben?
Poß: Wir Sozialdemokraten haben das ja lange schon zu bedenken gegeben, dass es im deutschen Interesse liegt, solche Lösungsmodelle ins Auge zu fassen.
Zagatta: Auch wenn es dem deutschen Steuerzahler sehr viel Geld kosten würde?
Poß: Es geht doch darum, dem deutschen Steuerzahler dies zu ersparen. Im Moment hat der deutsche Steuerzahler Gott sei Dank ja noch nicht zahlen müssen, das gilt ja auch für die anderen Fälle in Europa. Der Chef des europäischen Rettungsfonds hat ja zurecht darauf hingewiesen, in einem Interview gestern noch mal, also im Blick auf Irland und Portugal, dass wir bisher für die Garantien, die wir gegeben haben, daran noch Geld verdient haben.
Zagatta: Aber wenn man da jetzt Schulden abschreibt, Herr Poß, dann müsste man ja auf Geld verzichten.
Poß: Dann taucht diese Situation möglicherweise auf, das ist richtig, dass da Verzicht zu leisten ist. Es können schwierige Situationen für Banken auftauchen, in erster Linie für griechische Banken, auch für deutsche Banken, und da ist die Frage, sind die gewappnet? Nach meiner Auffassung ist ja ein Großteil bei denen schon abgeschrieben, um die es hier geht. Also es werden da meines Erachtens Dinge dramatisiert, die nicht so dramatisch werden müssen. Also es ist ein Abwägen alles in allem. Aber wir wollen endlich auch Private beteiligen, die ja relativ gut verdient haben in den letzten Jahren, und es kann nicht sein, dass nur die deutschen Steuerzahler dann einstehen müssen. Darum geht es bei diesem Vorgang ja auch.
Zagatta: Aber für einen Großteil der Schulden müssten dann doch die öffentlichen Haushalte aufkommen, sprich der Steuerzahler. Was halten Sie denn davon, dass der Bundesbankchef Weidmann strikt dagegen ist und dass die Kanzlerin sagt, wenn es jetzt zu diesem Schuldenschnitt kommt, dann werden die Griechen quasi noch belohnt, dass sie so unverantwortlich gewirtschaftet haben?
Poß: Dass unverantwortlich gewirtschaftet wurde, ist doch unbestreitbar. Es geht allerdings nicht um die Belohnung eines solchen Verhaltens jetzt in der Rückschau, sondern es geht darum, eine Lösung zu präsentieren, die verhindert, dass zukünftig die Lasten noch größer werden. Ich wiederhole: es war die Taktiererei von Frau Merkel, die die Krise verschärft hat und die die sogenannten Spekulanten ja noch eingeladen hat, darauf zu wetten, dass Griechenland Pleite gehen würde und möglicherweise andere Staaten auch, und die auch meinten, dass der Euro wo möglich diese Belastungsprobe nicht überstehen könnte. Und was Herrn Weidmann angeht, der hat nun da auch eigene Interessen, weil die Europäische Zentralbank natürlich von einem solchen Schnitt betroffen wäre und massiv abwerten müsste womöglich. Das sind, sage ich mal, dann eigene Interessen der Europäischen Zentralbank und da wird der Steuerzahler als Alibi vorgeschoben. Ich halte das nicht für sehr überzeugend.
Zagatta: Aber der deutsche Steuerzahler ist laut Umfragen zumindest gegen eine solche Umschuldung beziehungsweise gegen einen solchen Schuldenerlass.
Poß: Das hat doch damit zu tun, dass eben hier in der deutschen Politik nicht in Klarheit und Offenheit diskutiert wurde. Die Risiken müssen durchaus benannt werden, die da sind. Aber wenn man dann immer noch so polemisiert über einzelne, in der Tat negative Beispiele, die man ja aus Griechenland benennen kann, dann darf man sich nicht wundern, dass die Stimmung so ist, wie sie sich in diesen Umfragen abbildet. Aber ich entnehme im Übrigen den Umfragen, dass doch ein sehr großer Teil der deutschen Bevölkerung nachdenklich ist und weiß, dass insgesamt das Euro-System für uns Deutsche günstig war in der Vergangenheit und dass es auch darum geht, da eine Perspektive zu schaffen. Und letzten Endes, glaube ich, haben die großen alten Staatsmänner, die sich da zu Wort melden, auch recht, die sagen, es geht um die Zukunft Europas, um unsere Handlungsfähigkeit, und die kritischen Stimmen vom Internationalen Währungsfonds und andere, die sagen, es ist unglaublich, welches Missmanagement sich Europa hier erlaubt, und diese Kritik ist berechtigt.
Zagatta: Haben Sie da kein Verständnis für Bedenken, dass man mit einer solchen Umschuldung auch ein Fass ohne Boden öffnen würde, weil dann stehen doch andere Staaten sofort auch auf dem Teppich?
Poß: Also die Bedenken habe ich nicht, weil, glaube ich, kein Land daran Interesse haben kann, auf Dauer zum Mündel irgendeiner internationalen Gemeinschaft oder einer Währungsgemeinschaft zu werden. Worauf es jetzt ankommt, ist Klarheit, das muss aber dann jetzt auch schnell geschehen, möglichst am Donnerstag, sodass die Dinge einen positiven Verlauf nehmen. Bisher haben die Dinge sich immer schlechter entwickelt, weil diese Klarheit gefehlt hat, und da ist Frau Merkel gefragt und nicht mit taktischen Spielchen.
Zagatta: Der Finanzexperte der SPD, Joachim Poß, der sich im Urlaub an seinem ersten Urlaubstag Zeit für uns genommen hat. Herr Poß, herzlichen Dank für das Gespräch.
Poß: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews
und Diskussionen nicht zu eigen.
