Klaus Remme: Betraten viele langgediente CDU-Politiker in der vergangenen Woche zum ersten Mal die SPD-Parteizentrale, so ist es heute an den Genossen, Feindesland zu erforschen. Die zweite Runde der Koalitionsverhandlungen findet im Konrad-Adenauer-Haus statt. Jeder der drei anwesenden Parteichefs hat sein Päckchen zu tragen. Franz Müntefering sieht sich einem parteiinternen Streit um den Posten des Generalsekretärs gegenüber. Edmund Stoiber will mehr Kompetenz als andere ihm zugestehen wollen. Und Angela Merkel, ja die muss mit Alphatypen wie Stoiber, Steinbrück und Seehofer einen Konsens schmieden. Am Telefon ist jetzt Gertrud Höhler von der CDU, sie arbeitet als Politik- und Unternehmensberaterin. Guten Morgen, Frau Höhler!
Gertrud Höhler: Guten Morgen!
Remme: Frau Höhler, Autorität klärt man am besten gleich am Anfang. Steht Angela Merkel vor allem im Verhältnis zu Edmund Stoiber heute vor einem wichtigen Test?
Höhler: Ja, sicherlich. Also, sie hat ja ein Machtwort angekündigt. Sie hat auch gesagt, bei einer Lösung werde sich jeder an die Absprachen halten. Und man hat trotzdem keine Vorstellung wie das dann aussieht. Das heißt, die Absprachen scheinen doch nicht so zu sein, dass sie nicht die Spielräume lassen, die wir jetzt mit Missvergnügen - muss ich sagen - beobachten, weil ja eigentlich noch viel wichtigere Fragen da sind als nun der Zuschnitt der Ministerien.
Remme: Annette Schavan sagt, die von Stoiber angezettelte Diskussion um die Richtlinienkompetenz habe die Frauen in diesem möglichen Kabinett zusammengeführt. Ist dieser Konflikt auch einer entlang der Linie Mann-Frau?
Höhler: Ach, nein. Wir wollen das doch mal aufgeben. Also, Frau Merkel ist ja auch gar nicht so typisch für eine Frau in ihrem Verhalten Und sie legt ja auch Wert darauf, dass man sie so nicht wahrnimmt. Wenn wir damit weitermachen, dann eröffnen wir wieder Kampfplätze auf denen das Wichtige nicht gesehen wird.
Remme: Warum sagen Sie, sie verhält sich nicht typisch?
Höhler: Sie verhält sich nicht frauentypisch, das haben wir ja schon im Wahlkampf gesehen. Und in der Debatte, die die Junge Union in Gang nun gesetzt hat wird das ja besonders deutlich. Und das haben ja auch andere wie Herr Laumann gesagt, dass einfach das, was wir an emotionaler Kraft brauchen, wenn wir aus einer solchen Krise herauswollen, generell nach unseren Erfahrungen sehr gut von einer Frau mobilisiert werden kann, und dass Frau Merkel darauf, ich sage es jetzt mal ganz vorsichtig, weitgehend verzichtet hat.
Remme: Frau Höhler, Edmund Stoiber will mehr Kompetenz. Er will sich Teile des Finanzministeriums sichern als Wirtschaftminister. Und er will vor allem auch große Teile des Forschungsministeriums. Ist dieser Kompetenzzuwachs aus ihrer Sicht geprägt von Eitelkeit oder von inhaltlicher Substanz?
Höhler: Mein Eindruck ist, dass er Bereiche genannt hat, er hat ja ganz gezielt gesagt, was er aus den jeweiligen Ministerien haben will, auch von Seehofer zum Beispiel die Frage der gentechnisch veränderten Pflanzen. Das sind Punkte, an denen man sieht, es geht ihm vor allem darum, dass er Veränderungen in Bereichen bewirken kann, von denen er annimmt, dass die Kollegen sie nicht bewirken.
Remme: Halten Sie das für richtig?
Höhler: Ja, das... wenn er das durchsetzt, was er da vorhat, dann ist das richtig. Ich finde es nicht so abwegig zum Beispiel die angewandte Forschung in die Nähe der Wirtschaft zu bringen und die Grundlagenforschung im Forschungsministerium zu lassen. Ich bin ja selbst 20 Jahre an der Hochschule gewesen. Ich weiß, dass das schon ein Unterschied ist, und dass es da immer Transportprobleme gab der angewandten Forschung in die Wirklichkeit. Und es ist eigentlich relativ sinnvoll, wenn das in die Nähe der Anwendungsbereiche gleich gebracht wird.
Remme: Blicken wir noch auf den anderen möglichen Zusammenschnitt, kann es denn gut sein, wenn demnächst zum Beispiel auf europäischer Ebene zwei Minister für die Finanzen sprechen Peer Steinbrück und Edmund Stoiber?
Höhler: Ja, man wird ja sehen, ob das dann so faktisch tatsächlich in den Konferenzen, die auf europäischer Ebene sind, stattfindet. Stoiber möchte halt, da er ja auch die Europakompetenz generell sehr attraktiv findet, und auch von Bayern aus eine Menge für Europakompetenz getan hat, er möchte halt da mitgestalten. Und das ist eine Kraftprobe, jetzt wollen wir mal einfach sehen, wer sie gewinnt.
Remme: Überreizt die CSU hier gemessen an ihrer prozentualen Stärke ihre Möglichkeiten?
Höhler: Ja, nun, dann haben Sie wieder diese Machtfrage innerhalb der CDU/CSU.
Remme: Sicher!
Höhler: Wenn es dazu kommt, dass diese Ansprüche so, und am Ende vielleicht auch erfolgreich vorgetragen werden, dann kann man nur sagen, da haben die stärkeren Mitwirkenden gesessen und die andere Seite, die ja ohnehin schon viele Positionen auch gegenüber der SPD frei gegeben hat, also die CDU, die sehr viel geopfert hat, das sie im Wahlkampf doch als felsenfest versprochen ausgegeben hatte, ist dann eben deutlich - Sie haben das ja eben gesagt - in ihrer Autorität schwächer als die andere Seite dieser Union.
Remme: Frau Höhler, viele sehen in dem Verhalten von Edmund Stoiber schon eine Parallele zu Oskar Lafontaine und 1998. Stimmen Sie zu?
Höhler: Ja, also ich finde dann schon wichtig, wo man ideologisch steht, deshalb geht mir dieser Vergleich nicht so leicht über die Lippen. Aber wissen Sie was ich wieder sehe? Das ist das Straußsche Muster, ich sehe das alte CSU-Muster, machtvoll aufzutreten! Mit einem ungeheuren Selbstbewusstsein, wozu man die Berechtigung fühlt, weil man jahrzehntelang das Land doch immerhin sehr erfolgreich regiert hat. Und mit Mehrheiten, die andere niemals erreichen.
Remme: Bleiben wir noch bei der Union. Es gab am Wochenende den Deutschlandtag der Jungen Union, und da kristallisierte sich ein Streit heraus, nämlich wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dieses schwächere Abschneiden als es zuvor prognostiziert wurde, bei der Bundestagswahl zu analysieren. Die Parteichefin sagt später, die Junge Union unterstützt von vielen anderen sagt jetzt. Was ist richtig?
Höhler: Also, ich habe große Schwierigkeiten mir vorzustellen, wann sie das dann tun will. Will sie das kurz nach der Kanzlerwahl tun? Da passt es doch dann noch weniger. Und will sie es überhaupt tun, wenn dann die Regierungsarbeit läuft. Wie soll das gehen? Wir haben jetzt schon Wahlkampfmaßnahmen der SPD im Hinblick auf Baden-Württemberg, das heißt es ist unklug, was da gemacht wurde, dass man das aufgeschoben hat. Und ich finde es mutig von den jungen Leuten, dass sie die Debatte jetzt erzwingen. Also, ich fürchte Frau Merkel wird das noch bereuen, dass sie versucht hat das aufzuschieben.
Remme: Wo liegen die Gründe für das Abschneiden der Union bei dieser Wahl?
Höhler: Es ist tatsächlich so, dass so etwas wie die kalten Herzen eine Rolle spielt. Wenn man eine Bevölkerung, die voller Angst und Misstrauen gegenüber ihren Regierenden ist, gewinnen will für Reformen, die zum Teil jedem weiterhin etwas abverlangen, dann muss man ihre Zuneigung - sage ich jetzt - und ihr Vertrauen gewinnen, und damit hat sich die CDU/CSU, vor allem aber die CDU, nicht genügend Mühe gemacht, der Bürger hat sich in diesem Sinne auch vernachlässigt gefühlt, und dafür hat er sich gerächt.
Remme: Frau Höhler, mit der zweiten Verhandlungsrunde ist zwar inhaltlich noch nicht viel geschehen aber immerhin haben sich beide Seiten schon auf die Ressortverteilung gemessen an den Parteien geeinigt. Wer hat besser verhandelt?
Höhler: Ja, wer hat Ressorts eingefahren mit denen man besser da steht? Ganz entschieden ist das noch nicht, aber was ich jetzt sehe, die SPD könnte wenn sie das durchsetzt, was zum Beispiel heißt Elterngeld und Erhaltung bestimmter Vorteile für Nacht- und Sonntagsarbeiter und dann die Tarifautonomie, könnte sie natürlich gewaltig Punkte machen. Und alle beiden Seiten denken ja jetzt schon an Landtagswahlen, weil sie nicht auf Jahrzehnte in dieser Konstellation regieren wollen. Insofern glaube ich der Nachteil, das Finanzministerium unter sich zu haben, wird dadurch ausgeglichen, dass die SPD sich sehr attraktive Gebiete dazugeholt hat.
Remme: Die Politik- und Unternehmensberaterin Gertrud Höhler. Frau Höhler, vielen Dank für das Gespräch!
Höhler: Bitte!
Gertrud Höhler: Guten Morgen!
Remme: Frau Höhler, Autorität klärt man am besten gleich am Anfang. Steht Angela Merkel vor allem im Verhältnis zu Edmund Stoiber heute vor einem wichtigen Test?
Höhler: Ja, sicherlich. Also, sie hat ja ein Machtwort angekündigt. Sie hat auch gesagt, bei einer Lösung werde sich jeder an die Absprachen halten. Und man hat trotzdem keine Vorstellung wie das dann aussieht. Das heißt, die Absprachen scheinen doch nicht so zu sein, dass sie nicht die Spielräume lassen, die wir jetzt mit Missvergnügen - muss ich sagen - beobachten, weil ja eigentlich noch viel wichtigere Fragen da sind als nun der Zuschnitt der Ministerien.
Remme: Annette Schavan sagt, die von Stoiber angezettelte Diskussion um die Richtlinienkompetenz habe die Frauen in diesem möglichen Kabinett zusammengeführt. Ist dieser Konflikt auch einer entlang der Linie Mann-Frau?
Höhler: Ach, nein. Wir wollen das doch mal aufgeben. Also, Frau Merkel ist ja auch gar nicht so typisch für eine Frau in ihrem Verhalten Und sie legt ja auch Wert darauf, dass man sie so nicht wahrnimmt. Wenn wir damit weitermachen, dann eröffnen wir wieder Kampfplätze auf denen das Wichtige nicht gesehen wird.
Remme: Warum sagen Sie, sie verhält sich nicht typisch?
Höhler: Sie verhält sich nicht frauentypisch, das haben wir ja schon im Wahlkampf gesehen. Und in der Debatte, die die Junge Union in Gang nun gesetzt hat wird das ja besonders deutlich. Und das haben ja auch andere wie Herr Laumann gesagt, dass einfach das, was wir an emotionaler Kraft brauchen, wenn wir aus einer solchen Krise herauswollen, generell nach unseren Erfahrungen sehr gut von einer Frau mobilisiert werden kann, und dass Frau Merkel darauf, ich sage es jetzt mal ganz vorsichtig, weitgehend verzichtet hat.
Remme: Frau Höhler, Edmund Stoiber will mehr Kompetenz. Er will sich Teile des Finanzministeriums sichern als Wirtschaftminister. Und er will vor allem auch große Teile des Forschungsministeriums. Ist dieser Kompetenzzuwachs aus ihrer Sicht geprägt von Eitelkeit oder von inhaltlicher Substanz?
Höhler: Mein Eindruck ist, dass er Bereiche genannt hat, er hat ja ganz gezielt gesagt, was er aus den jeweiligen Ministerien haben will, auch von Seehofer zum Beispiel die Frage der gentechnisch veränderten Pflanzen. Das sind Punkte, an denen man sieht, es geht ihm vor allem darum, dass er Veränderungen in Bereichen bewirken kann, von denen er annimmt, dass die Kollegen sie nicht bewirken.
Remme: Halten Sie das für richtig?
Höhler: Ja, das... wenn er das durchsetzt, was er da vorhat, dann ist das richtig. Ich finde es nicht so abwegig zum Beispiel die angewandte Forschung in die Nähe der Wirtschaft zu bringen und die Grundlagenforschung im Forschungsministerium zu lassen. Ich bin ja selbst 20 Jahre an der Hochschule gewesen. Ich weiß, dass das schon ein Unterschied ist, und dass es da immer Transportprobleme gab der angewandten Forschung in die Wirklichkeit. Und es ist eigentlich relativ sinnvoll, wenn das in die Nähe der Anwendungsbereiche gleich gebracht wird.
Remme: Blicken wir noch auf den anderen möglichen Zusammenschnitt, kann es denn gut sein, wenn demnächst zum Beispiel auf europäischer Ebene zwei Minister für die Finanzen sprechen Peer Steinbrück und Edmund Stoiber?
Höhler: Ja, man wird ja sehen, ob das dann so faktisch tatsächlich in den Konferenzen, die auf europäischer Ebene sind, stattfindet. Stoiber möchte halt, da er ja auch die Europakompetenz generell sehr attraktiv findet, und auch von Bayern aus eine Menge für Europakompetenz getan hat, er möchte halt da mitgestalten. Und das ist eine Kraftprobe, jetzt wollen wir mal einfach sehen, wer sie gewinnt.
Remme: Überreizt die CSU hier gemessen an ihrer prozentualen Stärke ihre Möglichkeiten?
Höhler: Ja, nun, dann haben Sie wieder diese Machtfrage innerhalb der CDU/CSU.
Remme: Sicher!
Höhler: Wenn es dazu kommt, dass diese Ansprüche so, und am Ende vielleicht auch erfolgreich vorgetragen werden, dann kann man nur sagen, da haben die stärkeren Mitwirkenden gesessen und die andere Seite, die ja ohnehin schon viele Positionen auch gegenüber der SPD frei gegeben hat, also die CDU, die sehr viel geopfert hat, das sie im Wahlkampf doch als felsenfest versprochen ausgegeben hatte, ist dann eben deutlich - Sie haben das ja eben gesagt - in ihrer Autorität schwächer als die andere Seite dieser Union.
Remme: Frau Höhler, viele sehen in dem Verhalten von Edmund Stoiber schon eine Parallele zu Oskar Lafontaine und 1998. Stimmen Sie zu?
Höhler: Ja, also ich finde dann schon wichtig, wo man ideologisch steht, deshalb geht mir dieser Vergleich nicht so leicht über die Lippen. Aber wissen Sie was ich wieder sehe? Das ist das Straußsche Muster, ich sehe das alte CSU-Muster, machtvoll aufzutreten! Mit einem ungeheuren Selbstbewusstsein, wozu man die Berechtigung fühlt, weil man jahrzehntelang das Land doch immerhin sehr erfolgreich regiert hat. Und mit Mehrheiten, die andere niemals erreichen.
Remme: Bleiben wir noch bei der Union. Es gab am Wochenende den Deutschlandtag der Jungen Union, und da kristallisierte sich ein Streit heraus, nämlich wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dieses schwächere Abschneiden als es zuvor prognostiziert wurde, bei der Bundestagswahl zu analysieren. Die Parteichefin sagt später, die Junge Union unterstützt von vielen anderen sagt jetzt. Was ist richtig?
Höhler: Also, ich habe große Schwierigkeiten mir vorzustellen, wann sie das dann tun will. Will sie das kurz nach der Kanzlerwahl tun? Da passt es doch dann noch weniger. Und will sie es überhaupt tun, wenn dann die Regierungsarbeit läuft. Wie soll das gehen? Wir haben jetzt schon Wahlkampfmaßnahmen der SPD im Hinblick auf Baden-Württemberg, das heißt es ist unklug, was da gemacht wurde, dass man das aufgeschoben hat. Und ich finde es mutig von den jungen Leuten, dass sie die Debatte jetzt erzwingen. Also, ich fürchte Frau Merkel wird das noch bereuen, dass sie versucht hat das aufzuschieben.
Remme: Wo liegen die Gründe für das Abschneiden der Union bei dieser Wahl?
Höhler: Es ist tatsächlich so, dass so etwas wie die kalten Herzen eine Rolle spielt. Wenn man eine Bevölkerung, die voller Angst und Misstrauen gegenüber ihren Regierenden ist, gewinnen will für Reformen, die zum Teil jedem weiterhin etwas abverlangen, dann muss man ihre Zuneigung - sage ich jetzt - und ihr Vertrauen gewinnen, und damit hat sich die CDU/CSU, vor allem aber die CDU, nicht genügend Mühe gemacht, der Bürger hat sich in diesem Sinne auch vernachlässigt gefühlt, und dafür hat er sich gerächt.
Remme: Frau Höhler, mit der zweiten Verhandlungsrunde ist zwar inhaltlich noch nicht viel geschehen aber immerhin haben sich beide Seiten schon auf die Ressortverteilung gemessen an den Parteien geeinigt. Wer hat besser verhandelt?
Höhler: Ja, wer hat Ressorts eingefahren mit denen man besser da steht? Ganz entschieden ist das noch nicht, aber was ich jetzt sehe, die SPD könnte wenn sie das durchsetzt, was zum Beispiel heißt Elterngeld und Erhaltung bestimmter Vorteile für Nacht- und Sonntagsarbeiter und dann die Tarifautonomie, könnte sie natürlich gewaltig Punkte machen. Und alle beiden Seiten denken ja jetzt schon an Landtagswahlen, weil sie nicht auf Jahrzehnte in dieser Konstellation regieren wollen. Insofern glaube ich der Nachteil, das Finanzministerium unter sich zu haben, wird dadurch ausgeglichen, dass die SPD sich sehr attraktive Gebiete dazugeholt hat.
Remme: Die Politik- und Unternehmensberaterin Gertrud Höhler. Frau Höhler, vielen Dank für das Gespräch!
Höhler: Bitte!