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Frau Rabbiner

In Deutschland fehlen junge, gut ausgebildete Rabbiner, so dass sich viele Gemeinden einen Geistlichen teilen müssen. Am Berliner Abraham-Geiger-Kolleg studiert der Rabbiner-Nachwuchs. Nun wurde dort die erste in Deutschland ausgebildete Rabbinerin ordiniert.

Von Claudia van Laak | 04.11.2010
    Freitagabend, Schabbatgottesdienst in der Berliner Synagoge in der Pestalozzistraße. Alina Treiger hat das traditionelle Kerzenanzünden vor dem Gottesdienst übernommen, stellt sich vor die Gemeinde, singt.

    Ab heute darf die 31-Jährige nicht nur die Kerzen anzünden, sie darf auch den Gottesdienst leiten und predigen. Allerdings nur, wenn es die Gemeindeordnung erlaubt. Sprich, wenn es sich um eine liberale jüdische Gemeinde handelt.

    "Ich habe nicht überall erzählt, dass ich eine rabbinische Ausbildung mache am Anfang. Warum? Manche haben sehr verständnislos reagiert oder verwundert."

    Alina Treiger ist vor acht Jahren aus der Ukraine nach Berlin gekommen. Zunächst ging es ihr wie allen jüdischen Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion: Die deutschen Behörden erkannten ihre Abschlüsse nicht an, sie musste mit dem Studium von vorn beginnen. Der Anfang war nicht leicht, sagt sie rückblickend.

    "Deutsch habe ich vorher nie gelernt und nie gesprochen. Das bedeutete für mich, dass ich von null anfangen musste. Die Sprache zu lernen, mit den Anforderungen der deutschen Universität zu kämpfen. Das war schon ein gewagter Schritt, denn ich ging ins Ungewisse."

    Die Rabbinerausbildung am Abraham-Geiger-Kolleg ist eine Herausforderung: Zum normalen Studium an der Universität Potsdam kommt die geistliche Ausbildung am Kolleg, dazu Praktika in den jüdischen Gemeinden und ein Studienaufenthalt in Israel. Doch über die Zeit danach brauchen sich die Absolventen keine Sorgen zu machen - sagt Walther Homolka, Leiter des Kollegs.

    "Nach dem dritten Studienjahr wissen eigentlich die meisten Studierenden, wo sie hinwollen. Und für viele gibt es bereits Wartelisten: Also welche der drei Gemeinden, die ihn haben wollen, kriegt ihn überhaupt."

    Denn in Deutschland fehlen junge, gut ausgebildete Rabbiner. Zwei bis drei Gemeinden müssen sich einen Geistlichen teilen, die in vielen Fällen bereits im Rentenalter sind. Das Abraham-Geiger-Kolleg wird vom Land Brandenburg, der Kultusministerkonferenz und dem Bund unterstützt. Leider nicht ausreichend, sagt der umtriebige Walther Homolka - Rabbiner, Professor und früher einmal Chef von Greenpeace Deutschland.

    "Im Zuge der Errichtung der islamischen Zentren, die ja vom Wissenschaftsrat im Januar empfohlen wurden für die Imamausbildung, ist uns aufgefallen, dass diese Zentren weitaus besser ausgestattet sind als das Rabbinerseminar."

    Walther Homolka kümmert sich auch um Stipendien für seine Studierenden. Seit Kurzem ermöglicht ein neues Programm - finanziert vom Außenministerium, unterstützt vom DAAD - Interessenten aus Nicht-EU-Ländern ein Rabbinerstudium in Potsdam oder Heidelberg.

    Alina Treiger ist in Deutschland angekommen - mittlerweile verheiratet mit einem Rabbinerstudenten - übernimmt sie jetzt die jüdische Gemeinde Oldenburg. Die Mitglieder freuen sich auf eine junge, gut ausgebildete Frau, die Hebräisch, Ukrainisch, Russisch und Deutsch spricht und sich speziell um die Kinder der russisch-jüdischen Einwanderer kümmern will - damit das Judentum in Deutschland eine Zukunft hat.