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Frau Wolle und ihr Lamm

Seit einem Semester grasen drei Schafe auf einer Wiese hinter der Fachhochschule Dortmund. Die Tiere sind aber mehr als nur Maskottchen: Sie sollen den Studierenden soziale Verantwortlichkeit beibringen und werden zudem in den Lehrplan integriert.

Von Florian Peter |
    Wer den Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund besuchen will, kommt an "Frau Wolle" und ihrem Lamm nicht vorbei. Seit April grasen die beiden Schafe auf dem Campusgelände - und haben sich dabei schon so an den Trubel und die fremden Menschen gewöhnt, dass sie sogar das Blöken aufgegeben haben. Design-Professorin Nora Fuchs hat die Tiere für ihr Seminar "Schaf Eins" vom Schulbauernhof Recklinghausen in die Ruhrgebietsmetropole geholt, weil sie bei einem Besuch an einer Partnerschule in Moskau festgestellt hat, dass dort eine Katze zum Mittelpunkt der studentischen Aktivitäten geworden war.

    " Ich habe dann im letzten Frühjahr das Seminar angeboten. Die Studenten wussten nicht, ob das ernst gemeint ist - ob wirklich Schafe kommen werden. Dann haben sich 35 Studenten dafür interessiert und sind dann ins Seminar gekommen. Grundbedingung war - zu den üblichen Lehrinhalten natürlich, also plastische Gestalten, ganz klar im zweiten Semester, ziemlich zu Beginn des Studiums - dass man soziale Verantwortung übernimmt. Sprich: Man muss die Tiere pflegen. "

    Und das heißt im Klartext: Täglich das Wasser wechseln, für Kraftfutter in den Trögen sorgen und alle zwei bis drei Wochen müssen die Schafe auf eine andere Grasfläche getrieben werden. Neben der studentischen Schafpflege gibt es aber auch studienrelevante Aufgaben für die Teilnehmer von "Schaf Eins": So hat gerade der erste Seminar-Jahrgang in Gruppenarbeit sechs moderne Ställe für die Schafe entwickelt und gebaut - sie stehen jetzt auf den verschiedenen Wiesen rund um den Fachbereich und werden auch von den Schafen genutzt. Dass sie von der Planung der Modelle über die Pflege der Tiere bis hin zum Bau der Ställe alles selbst verantwortet haben, hat die Studierenden besonders motiviert. Und deshalb sind die Schafe vielen auch sehr ans Herz gewachsen, erzählt Design-Studentin Larissa Prinz - auch wenn sich jetzt schon der neue Seminar-Jahrgang um die Tiere kümmert.

    " Also man fährt morgens, wenn man zur FH kommt mit dem Fahrrad - man guckt schon mal so rüber: Sind sie noch da? Oder: Sind sie wieder da? Weil sie waren ja auch im Urlaub. Also man guckt nicht mehr so extrem, weil man sich nicht mehr so drum kümmern muss. Jetzt sind neue Kurse und es ist abgehakt schon, aber man guckt schon mal so nach. "

    Und auch die Verwaltung der FH Dortmund hat immer ein wachsames Auge auf die Schafe - schließlich sorgen sie dafür, dass der Rasen rund um den Fachbereich Design immer schön kurz ist. Deshalb hat man in der Verwaltung auch ganz schnell reagiert und eine kreative Finanzierungsmöglichkeit für die Schafe entwickelt. Design-Professorin Nora Fuchs.

    " Also das hat mich positivst überrascht, dass unsere Verwaltung sich bereit erklärt hat, den Topf für den Rasenmäher umzunutzen für den Ankauf der Schafe und den Ankauf des Elektrozauns. Das ist nicht so normal, dass Verwaltung, ohne bürokratischen Aufwand muss ich auch mal dazu sagen, einfach "Ja" sagt. Also die Schafe laufen als Kostenpunkt Rasenmäher in der Verwaltung. "

    Ähnlich kreativ waren die Studierenden auch bei Namenswahl für das kleine, schwarze Lamm von Mutterschaf "Frau Wolle": Die Mehrheit aller Studierenden entschied sich für den ungewöhnlichen Namen "Wahlessen 1". Auf den Mensatellern der Fachhochschule Dortmund werden die Schafe aber nicht landen - und selbst wenn, würden Designstudent Marcel Bleeck und seine Professorin Nora Fuchs die Finger davon lassen.

    Marcel Bleeck:
    " Also ich sag mal so: Wenn Schaf bei uns hier auf dem Teller landen würde, wäre es schon was besonderes. Aber in dem Fall, glaube ich nicht, dass wir da probieren würden. Nee. "

    Nora Fuchs:
    Mein Ziel ist es nicht die Schafe zu schlachten. Wenn es zu viele werden würden, wäre das der natürlich Weg - ganz klar. Aber vielleicht betreut das Seminar dann jemand anders als ich.

    Die Gefahr für die Schafe, geschlachtet zu werden, ist aber gleich null. Zum einen gibt es noch genug Wiesen, die rund um den Fachbereich abgegrast werden müssen. Zum anderen steht das Seminar "Schaf Eins" auch in diesem Wintersemester wieder im Vorlesungsverzeichnis. Und weil dort spezielle Produkte für das Schaf wie beispielsweise eine passende Kratzbürste entwickelt werden sollen, kann man wohl schlecht auf "Frau Wolle" und ihr Lamm "Wahlessen 1" verzichten.