Eine Frau, Mitte 50, blondiert und mit einer brennenden Zigarette zwischen den lackierten Fingernägeln ihrer rechten Hand, ist an den Cafétisch der Kandidatin herangetreten. Ob sie nicht neulich im Fernsehen für eine Lockerung des Kopftuchverbots an den Universitäten eingetreten sei, fragt der ungebetene Gast sichtlich gereizt. Aber Kopftücher seien doch nicht nur ein Stück Stoff. Nevval Sevindi, Istanbuler Kandidatin der rechtsliberalen Demokrat Partisi. hört sich die Beschwerden ruhig an und hält dann in sanftem Ton dagegen:
"Ich finde es nicht richtig, dass jemandem das Recht auf Bildung verweigert wird bloß wegen ihrer Kleidung. Und ich finde es diskriminierend gegenüber Frauen: Es wird behauptet, diejenigen Frauen, die ein Kopftuch tragen, seien religiös-fundamentalistisch eingestellt. Aber was ist dann mit den fundamentalistisch engestellten Männern mit Bart oder ohne? Die können weiter studieren."
Nevval Sevindi, die selbst nie ein Kopftuch tragen würde, ist neu in der Politik - der Vorsitzende der Partei der Demokraten DP, Mehmet Agar, bot der Publizistin einen ersten Listenplatz an ,allerdings in dem wenig erfolgversprechenden Wahlbezirk I von Istanbul, wo sie gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Erdogan und andere männliche Schwergewichte antreten muss. Doch Sevindi sagt: Immerhin, es gibt bei diesen Wahlen so viele weibliche Kandidatinnen wie noch nie zuvor. Bislang sind nur 24 der 550 Parlamentssitze in Ankara weiblich besetzt. Das macht gerade einmal 4,4 Prozent. Damit nimmt die Türkei unter 168 Staaten den vorletzten Platz ein.
Dass die Parteien dieses Mal so viele Kandidatinnen aufgestellt haben, ist den zähen Anstrengungen der türkischen Frauenverbände zu verdanken. In einer landesweiten Kampagne des feministischen Vereins KA-Der ließen sich prominente Frauen aus Showgeschäft, Wirtschaft und Sport mit einem aufgeklebten Schnurrbart ablichten. Braucht man einen Schnurrbart, um ins Parlament zu kommen, lautete die provokative Frage.
Nüket Serman von Ka-Der ist zwar zufrieden damit, dass selbst die religiös-konservative Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei AKP 62 Frauen zur Wahl aufgestellt hat. Doch wie in den anderen Parteien stehen die meisten Kandidatinnen auf aussichtlosen Listenplätzen. Enttäuschung herrscht auch über das Profil der Kandidatinnen:
"Es ist noch kein Durchbruch, weil es sich bei den meisten Kandidatinnen um den gleichen Frauentyp handelt, der ohnehin schon in der Politik ist. Die meisten von ihnen stehen den jeweiligen Parteiführern näher als der Frauenbewegung. Wir hatten gehofft, unser Druck würde dazu führen, dass mehr aktive Frauen ins Parlament kommen würden, mit deren Hilfe man dann die Diskriminierung von Frauen von der Nationalversammlung aus stärker angehen könnte. Wir brauchen in Ankara eine permanente Lobbyarbeit zu den Themen Frauen und Gewalt, Frauen und Erziehung, Gesundheit, Armut und Arbeit."
Zwar waren die Frauen bislang im türkischen Parlament kaum vertreten, doch dank des EU-Beitrittsprozesses und der beharrlichen Lobbyarbeit der Frauenorganisationen war die vergangene Legislaturperiode aus der Sicht der Frauenverbände relativ fortschrittlich. Ausgerechnet die religiös-konservative Regierung unter Tayip Erdogan ließ das Strafgesetzbuch neu fassen - zum Vorteil der Frauen. Gestrichen wurde etwa der Paragraf, nach dem ein Vergewaltiger straffrei ausging, wenn er sein Opfer heiratete. oder jene Bestimmung, die dem Entführer einer verheirateten Frau bis zu drei Jahre, dem einer unverheirateten aber bis zu sieben Jahre Haft androhte. Die AKP ließ die Gleichstellung von Mann und Frau in die Verfassung schreiben und einen parlamentarischen Ausschuss zur Untersuchung von Ehrenmorden einrichten. Doch grundlegend habe sich nichts geändert im Verhältnis zwischen Frauen und Männern in der Türkei, sagt Nevval Sevindi. Wenn es ihre Demokrat Partisi schaffen sollte, über die Zehn-Prozent-Hürde zu kommen, dann wolle sie für die Frauen einen großen Sprung nach vorn erreichen:
"Wenn ich gewählt werde, werde ich mich landesweit gegen Geschlechterdiskriminierung einsetzen, egal wo: im Parlament, bei der Polizei, in den Behörden. Und ich werde mich auch dafür stark machen, dass wir eine Frauenquote bekommen. Man muss dafür aber das Denken der Männer ändern, es ist eine Aufgabe der Bildung, solche Vorurteile auszuräumen. Dafür werde ich eine Kampagne ins Leben rufen."
"Ich finde es nicht richtig, dass jemandem das Recht auf Bildung verweigert wird bloß wegen ihrer Kleidung. Und ich finde es diskriminierend gegenüber Frauen: Es wird behauptet, diejenigen Frauen, die ein Kopftuch tragen, seien religiös-fundamentalistisch eingestellt. Aber was ist dann mit den fundamentalistisch engestellten Männern mit Bart oder ohne? Die können weiter studieren."
Nevval Sevindi, die selbst nie ein Kopftuch tragen würde, ist neu in der Politik - der Vorsitzende der Partei der Demokraten DP, Mehmet Agar, bot der Publizistin einen ersten Listenplatz an ,allerdings in dem wenig erfolgversprechenden Wahlbezirk I von Istanbul, wo sie gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Erdogan und andere männliche Schwergewichte antreten muss. Doch Sevindi sagt: Immerhin, es gibt bei diesen Wahlen so viele weibliche Kandidatinnen wie noch nie zuvor. Bislang sind nur 24 der 550 Parlamentssitze in Ankara weiblich besetzt. Das macht gerade einmal 4,4 Prozent. Damit nimmt die Türkei unter 168 Staaten den vorletzten Platz ein.
Dass die Parteien dieses Mal so viele Kandidatinnen aufgestellt haben, ist den zähen Anstrengungen der türkischen Frauenverbände zu verdanken. In einer landesweiten Kampagne des feministischen Vereins KA-Der ließen sich prominente Frauen aus Showgeschäft, Wirtschaft und Sport mit einem aufgeklebten Schnurrbart ablichten. Braucht man einen Schnurrbart, um ins Parlament zu kommen, lautete die provokative Frage.
Nüket Serman von Ka-Der ist zwar zufrieden damit, dass selbst die religiös-konservative Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei AKP 62 Frauen zur Wahl aufgestellt hat. Doch wie in den anderen Parteien stehen die meisten Kandidatinnen auf aussichtlosen Listenplätzen. Enttäuschung herrscht auch über das Profil der Kandidatinnen:
"Es ist noch kein Durchbruch, weil es sich bei den meisten Kandidatinnen um den gleichen Frauentyp handelt, der ohnehin schon in der Politik ist. Die meisten von ihnen stehen den jeweiligen Parteiführern näher als der Frauenbewegung. Wir hatten gehofft, unser Druck würde dazu führen, dass mehr aktive Frauen ins Parlament kommen würden, mit deren Hilfe man dann die Diskriminierung von Frauen von der Nationalversammlung aus stärker angehen könnte. Wir brauchen in Ankara eine permanente Lobbyarbeit zu den Themen Frauen und Gewalt, Frauen und Erziehung, Gesundheit, Armut und Arbeit."
Zwar waren die Frauen bislang im türkischen Parlament kaum vertreten, doch dank des EU-Beitrittsprozesses und der beharrlichen Lobbyarbeit der Frauenorganisationen war die vergangene Legislaturperiode aus der Sicht der Frauenverbände relativ fortschrittlich. Ausgerechnet die religiös-konservative Regierung unter Tayip Erdogan ließ das Strafgesetzbuch neu fassen - zum Vorteil der Frauen. Gestrichen wurde etwa der Paragraf, nach dem ein Vergewaltiger straffrei ausging, wenn er sein Opfer heiratete. oder jene Bestimmung, die dem Entführer einer verheirateten Frau bis zu drei Jahre, dem einer unverheirateten aber bis zu sieben Jahre Haft androhte. Die AKP ließ die Gleichstellung von Mann und Frau in die Verfassung schreiben und einen parlamentarischen Ausschuss zur Untersuchung von Ehrenmorden einrichten. Doch grundlegend habe sich nichts geändert im Verhältnis zwischen Frauen und Männern in der Türkei, sagt Nevval Sevindi. Wenn es ihre Demokrat Partisi schaffen sollte, über die Zehn-Prozent-Hürde zu kommen, dann wolle sie für die Frauen einen großen Sprung nach vorn erreichen:
"Wenn ich gewählt werde, werde ich mich landesweit gegen Geschlechterdiskriminierung einsetzen, egal wo: im Parlament, bei der Polizei, in den Behörden. Und ich werde mich auch dafür stark machen, dass wir eine Frauenquote bekommen. Man muss dafür aber das Denken der Männer ändern, es ist eine Aufgabe der Bildung, solche Vorurteile auszuräumen. Dafür werde ich eine Kampagne ins Leben rufen."