Vergangenen Samstag in Istanbul: Hunderttausende sind zusammengekommen, um für eine Republik zu demonstrieren, in der Religion und Staat getrennt bleiben. Es ist die vielleicht größte Kundgebung in der Geschichte des Landes, ein unübersehbares Meer von roten Fahnen, geschwenkt überwiegend von Frauen aller Alterklassen, viele der jungen freizügig bekleidet und geschminkt. Und auch auf der Rednertribüne stellen die Frauen die Mehrheit, Akademikerinnen, die zu dem Aufmarsch aufgerufen hatten.
"Keine Scharia im Präsidentenpalast", steht auf einigen Plakaten, und das ist gemünzt auf den Kandidaten der Regierungspartei AKP für das Staatspräsidentenamt, Außenminister Gül. Sie wollen verhindern, dass die gemäßigt Religiösen nahezu alle staatlichen Fäden in die Hände bekommen. Schließlich muss der Staatspräsident vom Parlament beschlossene Gesetze bestätigen, er ernennt höchste Richter sowie die Mitglieder für die staatlichen Kontrollorgane der Medien und der Hochschulen. Somit drohe die Islamisierung der Gesellschaft, argumentieren die Frauen:
"Erdogan und die anderen wollen uns Frauen heimlich die Errungenschaften der modernen Türkei wegnehmen."
Die Regierung verweist darauf, im Zuge der Reformen für den EU-Beitritt eine Menge für die Frauen getan zu haben: So wurden deren Rechte bei Scheidungen deutlich gestärkt, und das neue Zivilgesetzbuch spricht den Frauen neuerdings die Hälfte des ehelichen Besitzes zu. Die Strafen für so genannte Ehrenmorde wurden verschärft und die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt.
Doch die säkularen, westlich orientierten Türkinnen der urbanen Mittelschicht bleiben misstrauisch. Der Grund liegt weniger in Abdullah Gül als in seiner Ehefrau Hayrünisa. Sie würde als erste First Lady mit Kopftuch in den Präsidentenpalast einziehen. Einst hatte sie eine Kamapgane gegen das Kopftuchverbot an Hochschulen angeführt und die Türkei deswegen sogar vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof verklagt. Nachdem ihr Mann 2002 Außenminister geworden war, zog sie diese Klage aber zurück. Hayrünisa Gül ist auch sonst das Gegenteil der Demonstrantinnen vom vergangenen Samstag: Sie stammt aus der religiösen Hochburg Kayseri und wurde schon mit 15 Jahren in einer arrangierten Ehe mit Abdullah Gül verheiratet. Nach seiner Nominierung verteidigte der Außenminister das Kopftuch seiner Frau als persönliche Entscheidung, die es in einer freien Gesellschaft zu respektieren gelte:
"In einer Demokratie hat jeder Bürger unveräußerliche Grundrechte. Die strikte Achtung dieser Grundrechte würde viele Konflikte in der Türkei lösen."
Unter dem Deckmantel der Demokratie wollen sie uns Frauen das Kopftuch aufzwingen, davon ist die Istanbuler Geschäftsfrau Idil Üzel überzeugt. Die 35-Jährige hat ebenfalls an der Demonstration teilgenommen:
"Ich bin eine türkische Frau. Ich war verheiratet, ich habe mich von meinem Mann scheiden lassen, und zwar weil ich es so wollte, und nicht weil mich mein Mann verstoßen hat. Ich trinke Wein, aber ich bete auch gelegentlich. Und ich will mir von niemanden vorschreiben lassen, wie ich ein besserer Muslim werde und wie ich leben soll."
In diesen Tagen weisen auch viele Frauen darauf hin, dass die Regierung Erdogan zwischenzeitlich den Ehebruch unter Strafe stellen wollte. Doch regt sich unter den säkularen Türkinnen auch Widerspruch. Die Publizistin Nuray Mert etwa, eine Kennerin der religiösen Szene, ist sich sicher, dass das laiizistische Staatsprinzip auch von der Mehrheit der Kopftuchträgerinnen gar nicht mehr bestritten wird:
"Wir begehen einen großen Fehler, wenn wir glauben, der Säkularismus sei in Gefahr und wir müssten ihn, sozusagen als westliche Elite, verteidigen. Der Säkularismus ist längst fest verwurzelt in der Türkei, vielleicht weniger als politisches System, aber doch als eine Art way of life' Die Mehrheit der Bevölkerung, egal ob religiös oder nicht, ist nicht bereit, ihren modernen westlichen Lebensstil aufzugeben und steht gefährlichen Tendenzen aus islamistischen Kreisen misstrauisch gegenüber."
"Keine Scharia im Präsidentenpalast", steht auf einigen Plakaten, und das ist gemünzt auf den Kandidaten der Regierungspartei AKP für das Staatspräsidentenamt, Außenminister Gül. Sie wollen verhindern, dass die gemäßigt Religiösen nahezu alle staatlichen Fäden in die Hände bekommen. Schließlich muss der Staatspräsident vom Parlament beschlossene Gesetze bestätigen, er ernennt höchste Richter sowie die Mitglieder für die staatlichen Kontrollorgane der Medien und der Hochschulen. Somit drohe die Islamisierung der Gesellschaft, argumentieren die Frauen:
"Erdogan und die anderen wollen uns Frauen heimlich die Errungenschaften der modernen Türkei wegnehmen."
Die Regierung verweist darauf, im Zuge der Reformen für den EU-Beitritt eine Menge für die Frauen getan zu haben: So wurden deren Rechte bei Scheidungen deutlich gestärkt, und das neue Zivilgesetzbuch spricht den Frauen neuerdings die Hälfte des ehelichen Besitzes zu. Die Strafen für so genannte Ehrenmorde wurden verschärft und die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt.
Doch die säkularen, westlich orientierten Türkinnen der urbanen Mittelschicht bleiben misstrauisch. Der Grund liegt weniger in Abdullah Gül als in seiner Ehefrau Hayrünisa. Sie würde als erste First Lady mit Kopftuch in den Präsidentenpalast einziehen. Einst hatte sie eine Kamapgane gegen das Kopftuchverbot an Hochschulen angeführt und die Türkei deswegen sogar vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof verklagt. Nachdem ihr Mann 2002 Außenminister geworden war, zog sie diese Klage aber zurück. Hayrünisa Gül ist auch sonst das Gegenteil der Demonstrantinnen vom vergangenen Samstag: Sie stammt aus der religiösen Hochburg Kayseri und wurde schon mit 15 Jahren in einer arrangierten Ehe mit Abdullah Gül verheiratet. Nach seiner Nominierung verteidigte der Außenminister das Kopftuch seiner Frau als persönliche Entscheidung, die es in einer freien Gesellschaft zu respektieren gelte:
"In einer Demokratie hat jeder Bürger unveräußerliche Grundrechte. Die strikte Achtung dieser Grundrechte würde viele Konflikte in der Türkei lösen."
Unter dem Deckmantel der Demokratie wollen sie uns Frauen das Kopftuch aufzwingen, davon ist die Istanbuler Geschäftsfrau Idil Üzel überzeugt. Die 35-Jährige hat ebenfalls an der Demonstration teilgenommen:
"Ich bin eine türkische Frau. Ich war verheiratet, ich habe mich von meinem Mann scheiden lassen, und zwar weil ich es so wollte, und nicht weil mich mein Mann verstoßen hat. Ich trinke Wein, aber ich bete auch gelegentlich. Und ich will mir von niemanden vorschreiben lassen, wie ich ein besserer Muslim werde und wie ich leben soll."
In diesen Tagen weisen auch viele Frauen darauf hin, dass die Regierung Erdogan zwischenzeitlich den Ehebruch unter Strafe stellen wollte. Doch regt sich unter den säkularen Türkinnen auch Widerspruch. Die Publizistin Nuray Mert etwa, eine Kennerin der religiösen Szene, ist sich sicher, dass das laiizistische Staatsprinzip auch von der Mehrheit der Kopftuchträgerinnen gar nicht mehr bestritten wird:
"Wir begehen einen großen Fehler, wenn wir glauben, der Säkularismus sei in Gefahr und wir müssten ihn, sozusagen als westliche Elite, verteidigen. Der Säkularismus ist längst fest verwurzelt in der Türkei, vielleicht weniger als politisches System, aber doch als eine Art way of life' Die Mehrheit der Bevölkerung, egal ob religiös oder nicht, ist nicht bereit, ihren modernen westlichen Lebensstil aufzugeben und steht gefährlichen Tendenzen aus islamistischen Kreisen misstrauisch gegenüber."