Manfred Götzke: Heute ist Equal Pay Day. Bis heute müssen Frauen in Deutschland arbeiten, um den Einkommensrückstand gegenüber Männern aus dem Vorjahr aufzuholen. Angeblich, muss man sagen. Denn die Organisatoren des Equal Pay Days, die haben sich offenbar verrechnet! Sagt jedenfalls die Mathematikervereinigung. Die hat noch mal genau nachgerechnet und festgestellt: Eigentlich müssen Frauen sogar bis zum 12. April arbeiten, um auf das Gehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen! Man hat offenbar absolute Zahlen und Prozentwerte verwechselt! Nun ja, ob jetzt 21. März oder 12. April, feststeht: Die Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau, die sind auch im Jahr 2013 erheblich. Über die Gründe möchte ich jetzt mit Hermann Gartner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg sprechen. Guten Tag, Herr Gartner!
Hermann Gartner: Guten Tag!
Götzke: Herr Gartner, Frauen verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Vor Jahrzehnten, da konnte man das noch mit Qualifikationsunterschieden erklären, das dürfte heute aber wohl kaum noch der Grund sein, heute studieren ja mehr Frauen als Männer an den Hochschulen!
Gartner: Unterschiede in der Qualifikation sind nach wie vor noch ein Grund, ein Grund von mehreren. Es ist so, dass auf dem Arbeitsmarkt ja die geburtenstarken Jahrgänge die Personen über 50 sind, und in den Altersgruppen ist es nach wie vor so, dass Männer im Durchschnitt besser qualifiziert sind als Frauen und das einen gewissen Teil des Lohnunterschiedes erklärt.
Götzke: Ein anderer Grund ist sicher, dass Frauen immer noch in den schlecht bezahlten Berufen arbeiten. Woran liegt das?
Gartner: Das hat zum Teil damit zu tun, dass Frauen im Durchschnitt nach wie vor schlechter qualifiziert sind und in den entsprechenden Berufen sind. Es ist allerdings auch so, dass die Frage der Berufswahl nicht so viel des Lohnunterschieds erklärt, wie man das gemeinläufig erwarten würde. Es ist auf der einen Seite so, dass es beispielsweise den typischen Frauenberuf Frisöse gibt, wo wenig verdient wird, es gibt aber auch eine ganze Reihe von typischen Männerberufen, wo wenig verdient wird, Paketdienst wäre da ein Beispiel oder im Sicherheitsgewerbe. Interessanter ist, wenn man sich hier die andere Seite des Spektrums anschaut, die Hochlohnberufe. Das ist im Managementbereich, das sind Ingenieursberufe, und das sind reine Männerdomänen. Also, das heißt, dort sind die Frauen noch wenig vorgedrungen.
Götzke: Das heißt, damit es zu mehr Gerechtigkeit oder Gleichheit in der Bezahlung kommt, müssten sich Frauen andere Tätigkeitsfelder aussuchen, also Ingenieurwissenschaften stärker?
Gartner: Das ist eine Sache, die man durchaus empfehlen kann. Also, das heißt, wenn junge Frauen sich überlegen, welcher Berufstätigkeit sie nachgehen wollen, auch ein Auge darauf haben, ob die Tätigkeit dann tatsächlich auch vom Arbeitsmarkt gebraucht wird und nachgefragt wird. Das ist aber ein Tipp, den man natürlich Männern genau so geben kann wie Frauen. Aber das würde einen gewissen Teil des Lohnunterschieds verringern.
Götzke: Gut, Sie haben jetzt die Nachfrage angesprochen, die ist ja zum Beispiel in den Pflegeberufen ja auch extrem hoch! Also, da gibt es ja quasi einen Fachkräftemangel! So kann man ja die geringen Löhne in diesem Bereich nicht immer erklären.
Gartner: Ja, Pflegebereich ist auch ein Sonderbereich. Also, dort ist es so, dass die Gehälter vor allem über soziale Verfügungsbeiträge finanziert werden. Also, das heißt, eine Pflegestation oder ein Krankenhaus hat kaum die Möglichkeit, wenn sie keine qualifizierten Nachwuchskräfte bekommt, einfach den Lohn zu erhöhen. Also, das heißt, da ist der Lohnmechanismus gedeckelt und deswegen funktioniert das dort nicht ganz so.
Götzke: Allerdings, selbst wenn eine Frau genau so gut qualifiziert ist wie ihr männlicher Kollege, in derselben Branche arbeitet, dann kriegt sie im Schnitt zwölf Prozent weniger an Gehalt, haben Sie herausgefunden. Werden Männer von ihren Chefs also tatsächlich bevorzugt behandelt, wenn es ums Geld geht?
Gartner: Also, da spielen auch wieder mehrere Faktoren eine Rolle. Was einen gewissen Teil dieses Lohnunterschieds auch beim gleichen Beruf und im gleichen Betrieb erklärt, ist, dass Männer bei Lohnverhandlungen selbstbewusster auftreten. Also, die sind sehr viel schneller dabei zu erklären, was sie Tolles geleistet haben, und verlangen einen entsprechend höheren Lohn, und Frauen sind häufig bescheidener und zurückhaltender, obwohl sie das Gleiche verlangen könnten wie Männer. Aber ein anderer Grund ist natürlich auch, dass Frauen häufiger Erwerbsunterbrechungen wegen Kindererziehungszeiten haben und deswegen sich für eine gewisse Zeit aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen. Und das ist gerade die Zeit, also so um die 30, wo sich die Positionierung in den Betrieben letztlich entscheidet. Also, das heißt, Männer machen in der Zeit Karriere und verdienen entsprechend mehr, und wenn Frauen dann nach einer Pause wieder zurückkehren in den Betrieb, dann müssen sie mit einer entsprechend geringeren Lohnposition anfangen.
Götzke: Da sind wir so ein bisschen bei tradierten Rollenmustern. Das kann man natürlich anprangern, aber kann der Gesetzgeber daran irgendetwas ändern, damit es zu einer faireren Bezahlung bei den Frauen kommt in Zukunft?
Gartner: Was der Gesetzgeber auf jeden Fall machen kann, ist, eine entsprechende Infrastruktur bereitzustellen, die es jungen Menschen, also das heißt, Frauen und Männern, eher erleichtert, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Und dann ist es nicht mehr erforderlich, dass junge Menschen, die sich für Familie entscheiden, sich tatsächlich auch vom Arbeitsmarkt zurückziehen müssen für eine gewisse Zeit.
Götzke: Das heißt, wenn die Betreuungssituation sich verbessert und die überdurchschnittlich qualifizierten Frauen demnächst noch stärker in die Unternehmen dringen, wird sich das Problem dann langfristig aufheben?
Gartner: Das sind sicher entscheidende Faktoren, die dazu führen werden, dass die Lohnunterschiede sich verringern. Aber es ist sicher auch so, dass da auch noch mehr passieren müsste. Also, ein Stück weit muss sich sicher auch in den Köpfen der Menschen etwas ändern. Also, nach wie vor ist es so, dass Frauen, die sich entscheiden, trotz Familie auch Karriere machen zu wollen, sich dafür rechtfertigen müssen, und in anderen Ländern ist die Kultur schon etwas weiter fortgeschritten. Also, da gehört es mehr zu einer Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die arbeiten wollen, trotzdem auch sich für eine Familie entscheiden können.
Götzke: Frauen verdienen auch im Jahr 2013 im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Über die Gründe dafür sprach ich mit Hermann Gartner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Vielen Dank!
Gartner: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hermann Gartner: Guten Tag!
Götzke: Herr Gartner, Frauen verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Vor Jahrzehnten, da konnte man das noch mit Qualifikationsunterschieden erklären, das dürfte heute aber wohl kaum noch der Grund sein, heute studieren ja mehr Frauen als Männer an den Hochschulen!
Gartner: Unterschiede in der Qualifikation sind nach wie vor noch ein Grund, ein Grund von mehreren. Es ist so, dass auf dem Arbeitsmarkt ja die geburtenstarken Jahrgänge die Personen über 50 sind, und in den Altersgruppen ist es nach wie vor so, dass Männer im Durchschnitt besser qualifiziert sind als Frauen und das einen gewissen Teil des Lohnunterschiedes erklärt.
Götzke: Ein anderer Grund ist sicher, dass Frauen immer noch in den schlecht bezahlten Berufen arbeiten. Woran liegt das?
Gartner: Das hat zum Teil damit zu tun, dass Frauen im Durchschnitt nach wie vor schlechter qualifiziert sind und in den entsprechenden Berufen sind. Es ist allerdings auch so, dass die Frage der Berufswahl nicht so viel des Lohnunterschieds erklärt, wie man das gemeinläufig erwarten würde. Es ist auf der einen Seite so, dass es beispielsweise den typischen Frauenberuf Frisöse gibt, wo wenig verdient wird, es gibt aber auch eine ganze Reihe von typischen Männerberufen, wo wenig verdient wird, Paketdienst wäre da ein Beispiel oder im Sicherheitsgewerbe. Interessanter ist, wenn man sich hier die andere Seite des Spektrums anschaut, die Hochlohnberufe. Das ist im Managementbereich, das sind Ingenieursberufe, und das sind reine Männerdomänen. Also, das heißt, dort sind die Frauen noch wenig vorgedrungen.
Götzke: Das heißt, damit es zu mehr Gerechtigkeit oder Gleichheit in der Bezahlung kommt, müssten sich Frauen andere Tätigkeitsfelder aussuchen, also Ingenieurwissenschaften stärker?
Gartner: Das ist eine Sache, die man durchaus empfehlen kann. Also, das heißt, wenn junge Frauen sich überlegen, welcher Berufstätigkeit sie nachgehen wollen, auch ein Auge darauf haben, ob die Tätigkeit dann tatsächlich auch vom Arbeitsmarkt gebraucht wird und nachgefragt wird. Das ist aber ein Tipp, den man natürlich Männern genau so geben kann wie Frauen. Aber das würde einen gewissen Teil des Lohnunterschieds verringern.
Götzke: Gut, Sie haben jetzt die Nachfrage angesprochen, die ist ja zum Beispiel in den Pflegeberufen ja auch extrem hoch! Also, da gibt es ja quasi einen Fachkräftemangel! So kann man ja die geringen Löhne in diesem Bereich nicht immer erklären.
Gartner: Ja, Pflegebereich ist auch ein Sonderbereich. Also, dort ist es so, dass die Gehälter vor allem über soziale Verfügungsbeiträge finanziert werden. Also, das heißt, eine Pflegestation oder ein Krankenhaus hat kaum die Möglichkeit, wenn sie keine qualifizierten Nachwuchskräfte bekommt, einfach den Lohn zu erhöhen. Also, das heißt, da ist der Lohnmechanismus gedeckelt und deswegen funktioniert das dort nicht ganz so.
Götzke: Allerdings, selbst wenn eine Frau genau so gut qualifiziert ist wie ihr männlicher Kollege, in derselben Branche arbeitet, dann kriegt sie im Schnitt zwölf Prozent weniger an Gehalt, haben Sie herausgefunden. Werden Männer von ihren Chefs also tatsächlich bevorzugt behandelt, wenn es ums Geld geht?
Gartner: Also, da spielen auch wieder mehrere Faktoren eine Rolle. Was einen gewissen Teil dieses Lohnunterschieds auch beim gleichen Beruf und im gleichen Betrieb erklärt, ist, dass Männer bei Lohnverhandlungen selbstbewusster auftreten. Also, die sind sehr viel schneller dabei zu erklären, was sie Tolles geleistet haben, und verlangen einen entsprechend höheren Lohn, und Frauen sind häufig bescheidener und zurückhaltender, obwohl sie das Gleiche verlangen könnten wie Männer. Aber ein anderer Grund ist natürlich auch, dass Frauen häufiger Erwerbsunterbrechungen wegen Kindererziehungszeiten haben und deswegen sich für eine gewisse Zeit aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen. Und das ist gerade die Zeit, also so um die 30, wo sich die Positionierung in den Betrieben letztlich entscheidet. Also, das heißt, Männer machen in der Zeit Karriere und verdienen entsprechend mehr, und wenn Frauen dann nach einer Pause wieder zurückkehren in den Betrieb, dann müssen sie mit einer entsprechend geringeren Lohnposition anfangen.
Götzke: Da sind wir so ein bisschen bei tradierten Rollenmustern. Das kann man natürlich anprangern, aber kann der Gesetzgeber daran irgendetwas ändern, damit es zu einer faireren Bezahlung bei den Frauen kommt in Zukunft?
Gartner: Was der Gesetzgeber auf jeden Fall machen kann, ist, eine entsprechende Infrastruktur bereitzustellen, die es jungen Menschen, also das heißt, Frauen und Männern, eher erleichtert, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Und dann ist es nicht mehr erforderlich, dass junge Menschen, die sich für Familie entscheiden, sich tatsächlich auch vom Arbeitsmarkt zurückziehen müssen für eine gewisse Zeit.
Götzke: Das heißt, wenn die Betreuungssituation sich verbessert und die überdurchschnittlich qualifizierten Frauen demnächst noch stärker in die Unternehmen dringen, wird sich das Problem dann langfristig aufheben?
Gartner: Das sind sicher entscheidende Faktoren, die dazu führen werden, dass die Lohnunterschiede sich verringern. Aber es ist sicher auch so, dass da auch noch mehr passieren müsste. Also, ein Stück weit muss sich sicher auch in den Köpfen der Menschen etwas ändern. Also, nach wie vor ist es so, dass Frauen, die sich entscheiden, trotz Familie auch Karriere machen zu wollen, sich dafür rechtfertigen müssen, und in anderen Ländern ist die Kultur schon etwas weiter fortgeschritten. Also, da gehört es mehr zu einer Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die arbeiten wollen, trotzdem auch sich für eine Familie entscheiden können.
Götzke: Frauen verdienen auch im Jahr 2013 im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Über die Gründe dafür sprach ich mit Hermann Gartner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Vielen Dank!
Gartner: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.