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Frauen und Technik

Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften - die sogenannten MINT-Fächer - werden in Deutschland zu wenig studiert. Zudem ist das Potenzial junger Frauen in diesen Berufen nur unzureichend erschlossen. Damit sich das ändert, hat nun Bundesbildungsministerin Annette Schavan bundesweit ein Bündnis zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Leben gerufen.

Von Katja Bigalke | 17.06.2008
    Im siebten Stock der Technischen Universität Berlin sitzt das Hochschulkarrierezentrum Femtec. Es ist ein spezielles Förderprogramm für Wissenschaftlerinnen in den sogenannten MINT Fachrichtungen - also Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften. Die jungen Frauen bekommen hier Kontakte in die Wirtschaft vermittelt, werden in ihrer Karriereplanung beraten oder erhalten ganz konkrete Tipps für Präsentationen und Vorträgen. Seit sieben Jahren gibt es das Zentrum als Reaktion auf einen dauerhaften Frauenmangel in den technischen Fächern. Bettina Deckert, Studienleiterin bei Femtec:

    "Wir haben hier in den Ingenieursberufen 21 Prozent, in den Naturwissenschaften 37,8. Das muss man ein bisschen relativieren. In den harten Ingenieurwissenschaften: Elektrotechnik nur sieben Prozent, im Maschinenbau circa zehn Prozent und Informatik 13 Prozent Anteil. Lebensmitteltechnologie gleicht das dann wieder aus."

    Während in der Sekundarstufe II noch 40 Prozent der studienberechtigten jungen Frauen prinzipiell an technisch-naturwissenschaftlichen Berufen interessiert sind, entscheidet sich später nur ein Viertel für ein solches Studium. Noch immer spielten an der Schule traditionelle Vorstellungen von Männer und Frauenberufen eine zu große Rolle, meint Bettina Deckert. Frauen wie Friedericke Biegler aus Berlin, 23, Maschinenbaustudentin, sind da noch immer eher die Ausnahme. Und sie merken das auch - teilweise.

    "Es ist vielleicht etwas besonders, wenn man in den Hörsaal kommt und keine andere Frau sieht - aber im Studium wird man nicht anders behandelt. Ob das in der Wirtschaft anders ist, kann ich nicht sagen, aber was man uns erzählt ist, dass es anders ist. Dass Frauen schlechter bezahlt werden, dass, wenn man ein Baby kriegt, das ein Karriereknick ist."

    Wenn Friedericke Biegler voll im Berufsleben steht, könnte die Situation vielleicht schon besser aussehen. Bis zum Jahr 2013 werden 70.000 Naturwissenschaftler und 85.000 Ingenieure in Deutschland in den Ruhestand gehen. Und Nachwuchs wird händeringend gesucht. Deshalb sollen nun verstärkt Frauen für die MINT-Berufe gewonnen werden. Ein deutschlandweiter Pakt, also eine Art nationales Femtec, wurde nun dafür ins Leben gerufen. Er wurde heute in Berlin von Bundesbildungsministerin Anette Schavan und mehr als 40 Partnern aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik unterschrieben. Mit drei Millionen Euro jährlich will das Bildungsministerium Projekte unterstützen, die den Frauenanteil in den MINT Berufen langfristig erhöhen sollen - unter dem Motto: "Komm mach MINT".

    "Wir wollen - das ist Ziel des Paktes - den Anteil der Studienanfängerinnen in den Naturwissenschaften und technischen Fächern um fünf Prozent steigern. Bei Neueinstellungen im MINT-Bereich sind Frauen mindestens entsprechend ihres Anteils an Absolventinnen zu berücksichtigen und vor allem ihren Anteil an Führungspositionen deutlich erhöhen. Denn wenn bestimmte Dinge gepusht werden sollen, braucht es Bilder und Vorbilder."

    So sollen speziell für Mädchen eingerichtete Technikcamps an Hochschulen helfen, geschlechtsspezifische Hemmschwellen abzubauen. Durch eine verbesserte Studienbegleitung soll die weibliche Abbruchquote in den MINT-Fächern verringert werden. Generell gibt es hier noch viel ungenutztes Potential, meint Klaus Kinkel, der als Vorstandvorsitzender der Deutschen Telekom Stiftung gemeinsam mit der Fraunhofer Gesellschaft am Pakt beteiligt ist. Ihr Projekt: die Junior Ingenieur Akademie.

    "Das ist ein Projekt, das in der Mittelstufe ein Wahlpflichtfach über zwei Jahre bedeutet - hauptsächlich auf Mädchen ausgerichtet - wo wir den Fachunterricht in der Schule koppeln mit Projektunterricht in der Wirtschaft und an Fachhochschulen oder Universitäten. Wir müssen eine große Technologienation bleiben, wir spielen aber in der Technik mit der Hälfte auf der Reservebank, was die Frauenbeteiligung anbelangt."

    Insgesamt sollen über die dreijährige Laufzeit des Paktes Angebote für mindestens 20.000 Mädchen und Frauen geschaffen werden. Eine gute und dringend notwenige Initiative sei das, betonen alle beteiligten Partner. Wer aber wie Gerhard Braun von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände glaubt, dass sich irgendwann alles von selbst einrenken wird, den belehrte die Pakt-Hauptinitiatorin eines Besseren:

    "Wie bringt man denn mehr Frauen in Führungsetagen?"

    "Wenn wir mehr Frauen in den Positionen haben, dann wird es auch automatisch dahin kommen, dass wir mehr Frauen in die Führung kriegen."
    "Frau Ministerin, Sie lachen, was ist Ihre Meinung?"

    "Automatisch geht gar nichts."