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Frauenfußball-WM 2023
Sprachlos in Korea

Stolze Pläne gibt es auf der koreanischen Halbinsel. Zwei Sportgroßveranstaltungen wollen, oder sollen, die verfeindeten Staaten Südkorea und Nordkorea gemeinsam austragen. Ideen gibt es reichlich. Nur die Kommunikation vollzieht sich schleppend.

Von Felix Lill |
Einlauf des nordkoreanischen Teams bei der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele in Pyeongchang 2018
Nach der Euphorie durch die Annäherung bei Olympia und den Paralympics 2018 in Pyeongchang, herrscht nun wieder Ernüchterung (imago sportfotodienst)
Grauer Himmel und Regenwetter in Seoul. In Südkoreas Hauptstadt ist man derzeit in Eile, aber unkontrollierbare Faktoren halten ein großes Vorhaben auf. Die Frauen-Fußball-WM 2023 will Südkorea austragen - zusammen mit dem eigentlich verfeindeten Bruderstaat Nordkorea.
Am 13. Dezember sind die Bewerbungsunterlagen fällig, und die Chancen auf den Zuschlag stünden wohl gut. Das Problem: die zwei Staaten haben nach dem dreijährigen Koreakrieg ab 1950 seit fast 70 Jahren nur einen Waffenstillstand. Sie sind damit formal noch immer im Krieg miteinander. Einen geregelten Austausch gibt es nicht.
"Gespräche finden praktisch nicht statt"
Ein Sportereignis, das die Idee des Friedens stärken soll, droht damit schon an der Planung zu scheitern. Denn zur Bewerbung mit der nahenden Deadline lässt sich so wenig sagen, dass sich Südkoreas Fußballverband erst gar nicht äußern will.
Aber am östlichen Rand des Stadtzentrums von Seoul hat sich Park Inkyu zu einem Gespräch bereiterklärt. Park ist verantwortlich für internationale Angelegenheiten bei Südkoreas Nationalem Olympischen Komitee. Mit Versuchen zum Dialog durch Sport hat er Erfahrung:
"Bei der Frauen-Fußball-WM war es so, dass sich Südkorea zuerst allein bewerben wollte. Dann schlug die FIFA vor, dass man doch eine gemeinsame Bewerbung mit Nordkorea machen könnte. Das wird nun versucht. Aber Gespräche zwischen Nord- und Südfinden praktisch nicht statt."

Park Inkyu selbst arbeitet derzeit an einem ähnlichen Projekt. Pjöngjang und Seoul, die Hauptstädte von Nord- und Südkorea, bewerben sich für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2032. Beschlossen wurde das Vorhaben vor knapp zwei Jahren, in der Euphorie der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang im Februar 2018, als eine nordkoreanische Delegation nach Süden reiste. Es gab Gespräche, kulturellen Austausch, sogar einen gesamtkoreanischen Einmarsch bei der Eröffnungsfeier.
Won Yun Jong, Bobfahrer aus Südkorea, und Hwang Chung Gum, Eishockeyspielerin aus Nordkorea, halten bei der Eröffung der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang gemeinsam eine Fahne mit den Umrissen eines geeinten Koreas
Die gemeinsame Olympia-Mannschaft von Süd- und Nordkorea beim Einmarsch in Pyeongchang 2018 (dpa / Michael Kappeler)
Ryu Seungwoo und Kim Kyungjung vom südkoreanischen Militärklub Sangju Sangmu FC.
Fußball-Klub in Südkorea - Erstligisten in Uniform
In Südkorea gilt der Wehrdienst auch für Fußballprofis. Das Land befindet sich seit 70 Jahren formell im Kriegszustand. Der Erstligaklub Sangju Sangmu FC besteht ausschließlich aus Südkoreanern, die gerade ihren Militärdienst abhalten.
E-Mails nicht möglich
Das IOC schwärmte damals und nannte die Annäherungen "historisch." IOC-Präsident Thomas Bach unterstützt eine gesamtkoreanische Olympiabewerbung seitdem ausdrücklich. Nur: auch hier gab es schon lange keinen Kontakt mehr.
"Wir können uns nicht mal E-Mails schicken. Wenn wir Informationen austauschen wollen, müssen wir das per Fax über unser Ministerium für Wiedervereinigung machen. Und wir können uns auch nicht einfach mal treffen, selbst wenn es dringend ist."
Dabei gäbe es viel zu besprechen. Bei der Frauen-Fußball-WM wie auch bei Olympia stellen sich grundsätzliche Fragen, die bisher völlig ungeklärt sind: Wo sollen welche Wettbewerbe oder Spiele stattfinden? Müssen neue Stadien gebaut werden? Und wie sieht es mit der Reisefreiheit aus? Schließlich dürfen Koreaner beider Seiten bis auf Weiteres nicht die Grenze überqueren. Das würde Verrat bedeuten.
Nordkorea feiert mit einer Militärparade den 70. Jahrestag der Staatsgründung.
Nordkorea - Unter wachen Augen
Atomprogramm, Raketentests, Totalitarismus – Nordkorea ist kein Land, das gute Assoziationen weckt. Es ist nach außen hin streng abgeschottet, international weitestgehend isoliert und von den Vereinten Nationen mit Sanktionen belegt.
Park Inkyu sieht die Möglichkeit von Grenzüberquerungen aber als Ausgangspunkt für eine realistische Planung.
"Das ist die Grundvoraussetzung. Um das zu ermöglich, müssten wir zuerst wieder neues Vertrauen aufbauen. Wir treffen uns aber höchstens am Rande von internationalen Veranstaltungen im Ausland. Und dann wissen wir auch nicht, wie viel man wirklich besprechen kann, alles findet informell und eher in Eile statt. Mein Eindruck ist, dass die Vertreter von Nordkorea auch keine eigenständigen Entscheidungen treffen dürfen. Es ist alles sehr schwierig."
Annäherung durch Sport ist nicht neu
Die Idee, die zwei Teile der koreanischen Halbinsel mit Sport einander näher zu bringen, ist nicht neu. 1991 trat eine gesamtkoreanische Mannschaft bei der Tischtennis-WM an. Bei den Asian Games 2008 sollte wieder gemeinsame Sache gemacht werden. Doch das Vorhaben scheiterte an verschiedenen Vorstellungen darüber, wer wie viele Athleten stellen würde.
Bei den Winterspielen von Pyeongchang gab es dann eine gesamtkoreanische Truppe im Frauen-Eishockey. Und gleich sprach man wieder von der Einheit der Nation. In Korea behauptet daher niemand, der Sport werde nicht zu politischen Mitteln eingesetzt.
Park Inkyu sagt ganz klar: "In anderen Ländern sagt man, Sport könne man von Politik trennen. In Korea geht das nicht."
Das sieht offenbar auch die Regierung so. Auf der Invest Korea Week Anfang November, einer Konferenz, auf der sich Südkorea als Standort für Investitionen aus dem Ausland anpreist, hielt Song Jiyoung einen Vortrag. Die Mitarbeiterin des Ministeriums für Wiedervereinigung sagte unter anderem:
"Der Frieden auf der koreanischen Halbinsel ist sehr wichtig für die ökonomische Entwicklung in ganz Korea. Um diesen Zustand zu erreichen und den Wohlstand voranzutreiben, kann der Austausch durch Sport von entscheidender Bedeutung sein."
Leere Ränge beim ersten Fußballspiel zwischen Nord- und Südkorea seit 29 Jahren.
Qualifikation Fußball-WM 2022 - Nordkorea empfängt Südkorea vor leeren Rängen
Erstmals seit 29 Jahren haben die Fußball-Nationalmannschaften von Nord- und Südkorea gegeneinander gespielt. Das Qualifikationsspiel für die Fußball-WM 2022 fand jedoch in einem komplett leeren Stadion in Pjöngjang statt.
Nur trauen Kritiker den Annäherungsversuchen immer weniger zu. Jungchan Lee, ein bekannter Sportjournalist beim TV-Sender Seoul Broadcasting Service, ist sogar äußerst skeptisch. Er betont, dass dies seine persönliche Meinung sei. Aber die ist unmissverständlich.
"Bei den Winterspielen von Pyeongchang waren wir alle euphorisch. Wir dachten, ab jetzt würden wie regelmäßig miteinander reden und so weiter. Aber ein Jahr später ist nichts davon übrig. Es gibt heute keinen Austausch mehr zwischen den zwei Staaten. Der Sport hat also nicht das erreicht, was versprochen wurde."
Wieder bei Null angekommen
Derzeit sieht es eher so aus, als wäre man wieder bei Null. Für die Bewerbung um die Frauen-Fußball-WM scheint nun die Variante möglich, dass sich Südkorea zunächst doch allein bewirbt, und in den Unterlagen erwähnt, dass es einige Spiele auf nordkoreanischem Boden austragen lassen würde.
Zur Frage aber, ob sich Südkorea überhaupt um ein gemeinsam mit Nordkorea auszutragendes Großevent bemühen sollte, hat es weder eine Volksabstimmung noch eine echte Debatte gegeben. Der Journalist Lee glaubt, dass viele Menschen skeptisch sind, was eine langfristige Wirkung so eines Vorhabens anginge.
"Wir alle wollen bessere Beziehungen in Korea. Und Sport könnte das theoretisch leisten, aber es gelingt in Korea offenbar nicht. Jedes Mal, wenn es Annäherungen gibt, verpuffen sie kurze Zeit später wieder. Der Sport wird hier von Personen eingesetzt, die dadurch strahlen in der Öffentlichkeit wollen. FIFA-Präsident Infantino will als große Person in der Geschichte dastehen, genauso wie unsere Politiker: Ein gemeinsam von Nord- und Südkorea veranstaltetes Turnier wäre ja eine Sensation. Man kann das alles mit großem Interesse verfolgen. Aber am Ende kann man, leider, immer wieder nur seufzen."