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Free-TV-Premiere
Thriller mit Second Screen

Beim Thriller "App" des niederländischen Regisseurs Bobby Boermans kann der Zuschauer gleichzeitig auf Film und Smartphone schauen. Auf Letzterem, dem sogenannten Second Screen, erhält er zusätzliche Informationen. Das ZDF zeigt jetzt den Film und Adalbert Siniawski erklärt, wie das funktioniert.

Von Adalbert Siniawski |
    Ein Mann surft mit seinem Smartphone im Internet. Fast neun von zehn Deutschen finden es unhöflich, wenn ihr Gegenüber beim Essen immer wieder auf das Smartphone schaut. Foto: Nicolas Armer
    Welche Folgen haben die sozialen Netzwerke für das Zusammenleben? (picture alliance / dpa / Foto: Nicolas Armer)
    "Hey Anna! Willst Du was trinken? Los komm."
    Selfies auf Partys, Facebook schon beim Frühstück und SMS im Seminar – das Smartphone hat die junge Studentin Anna und ihre Freunde voll im Griff. Anna und ihre Freundin Sophie sind wie Eins, ständig online und vernetzt. Am Morgen nach der WG-Party ist da diese komische App auf Annas Handy. Ein virtuelles Gesicht, das zu ihr spricht.
    - "Hallo, ich bin Iris, ihre persönliche Assistentin. Um mich zu aktivieren, sagen Sie Ihren Namen – laut und deutlich."
    - "Äh ... Anna."
    Einmal aktiviert, geschehen seltsame Dinge. Ein pikantes Handy-Video macht plötzlich die Runde: Sophie auf der WG-Party beim heimlichen Sex!
    - "Das hast Du mir geschickt!"
    - "Nein!"
    - "Und nicht nur mir, sondern auch all meinen Freunden, meiner Familie und meinen Kollegen. Warum hast Du es nicht gleich auf YouTube hochgeladen?"
    - "Sophie ich hab das nicht verschickt. Warum sollte ich das tun?"
    Genau, tat sie auch nicht, es war Iris, die App. Wie ein Virus infiziert sie andere Rechner, breitet sich immer weiter aus.
    - "Guck' mal, du hast sie auch."
    - "Was heißt, ich hab' sie auch?"
    - "Guck' doch, dieses Ding, das meine ich!"
    App übernimmt die Kontrolle
    Iris übernimmt. Wer sie löschen will, muss sterben. Die Technik entzieht sich der menschlichen Kontrolle. Doch wer steckt hinter dieser App? Welcher Hacker hat Iris in die Welt gesetzt?
    Mit einer Vibration meldet sich Iris auch beim Zuschauer. Vor dem Fernseh-Gucken wird die App auf das eigene Smartphone geladen und zu Beginn des Films gestartet. Iris hört über das eingebaute Mikrofon im Handy mit und registriert, welche Szene gerade über den Fernseher läuft.
    Second Screen, ein spielerisches Gimmick
    Parallel zur Handlung erscheinen dann auf dem kleinen Bildschirm passende Einblendungen; das Gerät wird zum sogenannten Second Screen. Zum Beispiel sieht der Zuschauer eine Szene für ein paar Sekunden aus einem anderen Kamerawinkel. Wenn Anna telefoniert, wird ihr Handydisplay auf dem Smartphone des Zuschauers eingeblendet. Zusatzinfos wie diese sind einfach ein nettes, spielerisches Gimmick. Gut, es ist schon etwas unheimlich, wenn sich Iris plötzlich auf dem eigenen Handy meldet. Einen richtigen Mehrwert hat der Second Screen aber erst dann, wenn sich auf den mobilen Endgeräten ein zweiter Handlungsstrang eröffnet: Wenn etwa SMS- und Facebook-Chats zwischen Protagonisten auftauchen, die gar nicht im Bild zu sehen sind. Oder wenn kurze Szenen eingeblendet werden, die erst später im Film einen Sinn ergeben. Das erzeugt Spannung. Der Zuschauer weiß plötzlich mehr als Anna und fiebert umso mehr mit der Protagonistin mit.
    Glücklicherweise wird die Technik eher sparsam eingesetzt. Iris meldet sich nur bei Filmszenen, die nicht viel Aufmerksamkeit erfordern. Die Einblendungen sind geräuschlos – so kann sich der Zuschauer gut auf den Hauptfilm konzentrieren.
    Der Second Screen per App macht Sinn, aber wirklichen Nutzen hat er nur bei Genres wie Krimi, Thriller oder Quiz-Formaten, bei denen Zuschauer etwas erraten müssen. "Die App und Film über das Tonsignal abzugleichen, ist aktuell sehr arbeitsintensiv – zu umfangreich, um dauerhaft und ständig TV-Sendungen damit zu bespielen", schreibt das ZDF selbst über den möglichen Einsatz in Spielfilmen.
    App funktioniert ohne Internetverbindung
    Iris funktioniert auf dem Handy ohne jegliche Internetverbindung, also auch im sogenannten Flugmodus. Die Zusatzinhalte werden mit dem Download der App auf das eigene Gerät geladen – satte 150 Megabyte. Befürchtungen, dass mit dem Aktivieren des Mikrofons sämtliche Gespräche im Wohnzimmer auf fremden Servern landen, muss niemand haben, heißt es. Aber bei unserem Test wurden die Zuschauer während des Films mehrfach aufgefordert, die App bei Facebook oder Twitter zu teilen. Das ist nicht nur lästig, sondern konterkariert ausgerechnet die Message!
    - "Wenn es allerdings eine richtig gute App ist, könnte es sein, dass sie die Bilder auf einem Server sammelt."
    - "Was?"
    - "Na ja, so wie Cookies. Firmen beobachten ganz genau, was Du alles anklickst und schicken dementsprechend Angebote."
    - "Diese nervigen Pop Ups oder was?"
    - "Ja, nur ist diese Spyware sehr viel raffinierter und gefährlicher!"
    Wie leichtfertig gehen wir mit privaten Bildern im Internet um? Welche Folgen haben die Sozialen Netzwerke für das Zusammenleben? Haben wir die Technik noch in der Hand, oder sie uns?
    "Ich habe eine Überraschung für Euch alle, kommt und schaut Euch das an! Ihr wolltet was zum Filmen? Dann los! Schnappt Euch Eure Telefone."
    Das Tempo des Thrillers "App" stimmt zwar bis zuletzt, aber leider ist das Ende zu vorhersehbar. Alles in allem: eine etwas klischeehafte Teenager-Story, die sich in logischen Brüchen verstrickt. Spannend wird es nur, wenn die App Iris zum ersten Mal auch auf Ihrem Smartphone erscheint.
    Der Film "App" wird am 26.05.2014 um 22.15 Uhr im ZDF gezeigt.