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Frei sprechen wie ein Profi

Frei sprechen wie ein Profi - die Toastmasters üben sich in der Kunst der Rede

Von Andrea Lueg | 08.10.2004
    Das erste Wort das euch in den Kopf kommt! Einer fängt an, ihr habt genau eine Minute Zeit.

    Eine spontane einminütige Rede zu einem vorgegebenen Stichwort, damit wärmen sich die Toastmasters heute abends auf. Das Programm weicht etwas vom üblichen Prozedere ab, denn in der nächsten Woche findet ein Wettbewerb statt, auf den sich die Kölner Gruppe vorbereiten will. Eine Minute zum Beispiel zum Thema Topfpflanze, Schulbuch oder Küchenstudio zu sprechen ist gar nicht so einfach. Aber es kommt noch besser.

    Die nächste Übung ist ein bisschen schwieriger. Wir wollen uns ja steigern und ich will eure Intelligenz nicht beleidigen.

    Jetzt muss sich jeder drei Begriffe aus einem Karton ziehen und dazu eine Zweiminuten-Rede halten. Bei der Kombination "jodeln - dübeln - Hüfthalter" eine echte Herausforderung. Etwas mehr Glück hat Volker:

    Ich erzähle euch ein bisschen was über das Essen heute und über meine Kochkünste

    Die Toastmasters sind eine amerikanische Erfindung, die es inzwischen auch in vielen deutschen Städten gibt. Die regelmäßigen Abende folgen einer festen Struktur und die Toastmaster oder Toasties wie sie sich nennen haben ein klares Ziel, erklärt Schatzmeister Martin Sann:

    Eigentlich alles was mit freier Rede vor einem Publikum zu tun hat zu verbessern und das machen wir hier in einem vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlichen Kontext, weil wir keinen professionellen Trainer in dem Sinne haben , sondern die Leute lernen voneinander.

    Pro Abend werden drei oder vier vorbereitete Reden gehalten, sowie eine Reihe von Stegreifreden. Gleich zu Beginn des Abends werden einige wichtige Jobs verteilt. Es gibt zum Beispiel einen Zeitnehmer, der mit der Stoppuhr darüber wacht, dass die Redezeit eingehalten wird. Dann gibt es Bewerter, die jedem Redner des Abends ein Feedback geben. Und dann noch einen Füllwortzähler, dem kein "Äh", kein überflüssiges "Aber" oder "Und" entgeht. Die Bewertungen sind ein wichtiger Teil der Treffen, erklärt Präsidentin Bettina Wilden:

    Es geht einerseits darum, die Redner aufzubauen. Es wird auch immer etwas Positives gesagt, es gibt auch immer etwas Positives, das gut war, wo Talente sind, die man ausbauen kann. Aber es wird eben auch Kritik geübt, immer konstruktiv - was kann der Redner noch verbessern - in einer Form, die es wirklich leicht macht, die Kritik anzunehmen, das ist ganz wichtig.

    Die Kölner Toastmaster sind ein buntes Grüppchen, von Studenten über Unternehmensberater, Juristen und kaufmännische Berufe ist alles vertreten.

    Die Motivation ist für die meisten schon, das freie Sprechen zu trainieren, manche können das schon ganz gut und versuchen das noch weiter zu verfeinern und manche haben auch Redeangst, sind nervös und brauchen es oft dann beruflich doch, solche Redefähigkeiten und versuchen das dann zu üben bei Toastmasters.

    Angst haben muss hier keiner, jeder wird, wenn er nach vorne tritt, um seine Rede zu halten, mit Handschlag und Applaus begrüßt. Und auch nach jeder Rede wird geklatscht.

    Was zunächst vielleicht recht amerikanisch anmutet, hat sich für die meisten Mitglieder wie Gymnasiallehrerin Doris Hanfland bewährt.

    Wenn ich vorne stehe, kann mir nichts schlimmeres passieren als das ich Applaus bekomme. Und im besten Fall ist der Applaus dann besonders brandend und heftig.

    Doris Hanfland hat sich von den Toastmasters schon vieles für ihren Job mitgenommen, auch Anregungen für den Unterricht. Und auch Volker, von Beruf Richter, hat Spaß daran, seine rhetorischen Fähigkeiten zu schärfen und darüber hinaus zu lernen.

    Lernen - ich glaube, ein bisschen mehr Selbstsicherheit. Das ist das entscheidende, dass ich vor einer Gruppe stehe, dass ich denen was erzähle und die hinterher sagen, du warst gut, auch wenn ich das im ersten Moment vielleicht gar nicht so empfunden habe. Wenn die das drei, vier mal gesagt haben, dann ist mein Ego dann so groß, dass ich selber weiß: Okay, du bist wahrscheinlich auch nicht so schlecht. Das ist eigentlich das Beste, was ich lernen kann.

    Wer Interesse an den Toastmasters hat, kann sich die Abende zwei oder dreimal unverbindlich anschauen. Mitglied wird man für fünf Euro im Monat und 18 Euro Aufnahmegebühr. Es gibt auch englische und französische Abende. Und übrigens sind nicht alle Toastmaster von Natur aus extrovertiert.

    Das find ich toll, dass jeder so seine Persönlichkeit zur Schau stellt. Die Ruhigen haben ja genauso viel zu erzählen, wie die, die sowieso schon immer viel brabbeln, manchmal geht es dann sogar tiefer, das finde ich spannend.

    Links zum Thema

    Cologne Toastmasters