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Freiburg
Doping-Aufklärerin droht der Uni mit Rückzug

Im Streit um die Aufklärung der Dopingverstrickung der Freiburger Sportmedizin legt Untersuchungschefin Letizia Paoli harte Bandagen an. Am 1. Oktober teilte sie Universitäts-Rektor Hans-Jochen Schiewer ihren Rückzug zum 24. Oktober mit, falls Kernforderungen ihrer Evaluierungskommission nicht erfüllt würden.

Von Thomas Kistner | 20.10.2014
    Am Freitag nun ging die Uni an die Öffentlichkeit und kündigte die Abschluss-Sitzung der Kommission an, die alle noch ausstehenden Gutachten übergeben soll. Was dann noch aufzuarbeiten sei, solle eine neue Einrichtung übernehmen, die "Forschungsstelle Sportmedizin", sagte Schiewer im Deutschlandfunk.
    "Denn es ist ja so, dass archivrechtlich auch immer wieder neue Materialien zugänglich werden, dass auch die Evaluierungskommission im ihrem Bericht sicherlich sagen wird: Hier und dort gibt es noch Material, das wir nicht aufgearbeitet haben, nicht aufarbeiten konnten. Und da wird diese Forschungsstelle ansetzen und diese Dinge aufarbeiten, um damit wissenschaftlich die Geschichte der Sportmedizin weiter transparent zu machen"
    Doch dieses Weiterarbeiten sei gar nicht möglich, stellt Paoli jetzt in einer persönlichen Erklärung klar. Schiewer verlange Unmögliches, wenn er "ausgerechnet über die Öffentlichkeit die Behandlung der noch ausstehenden Gutachten in einer einzigen abschließenden Sitzung anmahnt". Geschieht das trotzdem, würde es zum Abbruch aller noch offenen Gutachten und dem Verlust der Informationen aus jahrelanger Arbeit führen. Denn dann, so Paoli, müssten alle unveröffentlichten Daten und Akten der Kommission gelöscht werden. Dabei beruft sie sich auf drei Rechtsgutachten, die Schiewer selbst in Auftrag gegeben habe: Demnach drohen den Mitgliedern sogar strafrechtliche Schritte und hohe Bußgelder, wenn sie ihre Akten weitergeben.
    Eine Löschung aber wäre hochbrisant. Denn in dem vom abrupten Abschluss betroffenen Fundus stecken laut Paoli "Informationen über die Rolle damaliger CDU-Landesregierungen, CDU-Minister, Angehöriger der Freiburger Staatsanwaltschaft sowie der Universitäts- und Klinikumsleitung" im Kontext einst jahrelanger Ermittlungen gegen Armin Klümper. Der Freiburger Arzt war nicht nur jahrzehntelang der dubiose Guru deutscher Topathleten, er behandelte auch viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft.
    Bei den neuen Quellen handelt es sich offenbar um Beamte: Laut Paoli gewann ihre Kommission das brisante Wissen erst im Sommer 2014 – und "nur aufgrund der persönlichen Intervention des baden-württembergischen Justizministers Rainer Stickelberger", der den Zeugen eine vollumfängliche Aussagegenehmigung erteilt hatte.
    Paoli sagt, sie habe Schiewer im Juni 2014 zum Stand der Abschlussarbeiten informiert und dabei auf neue Sachverhalte hingewiesen, die im Falle einer Aussagegenehmigung für den Zeugen äußerst brisant seien. Diese Informationen seien eilig in ein Gutachten gearbeitet worden, "in dessen Gesamtkontext eine unvollständige Auskunft der damaligen Landesregierung an den Landtag und angeblich aus der Asservatenkammer des Landeskriminalamtes gestohlene Akten gehören". Auch diese heikle Expertise, so Paoli, "müsste nun zusammen mit Zeitzeugenprotokollen vernichtet werden".
    All diese Verwerfungen fanden in Schiewers bisheriger Darstellung keinen Widerhall. Dabei verweist der Rektor sogar ausdrücklich auf Paolis Antwort zu seiner Frage nach dem Arbeitsstand im Sommer:
    „Ich hatte selbstverständlich dann im Mai bei der Kommissionsvorsitzenden, bei Frau Paoli angefragt wie der Arbeitsstand ist, und sie dies dann auch mir mitgeteilt und auch der Presse mitgeteilt, dass der Kommission wesentliche Gutachten vorliegen, zum Beispiel zu den Medizinern Keul und Klümper und dass man jetzt diese Gutachten noch in der Kommission bewerten und dann dem Auftraggeber übergeben kann".
    Kein Wort von den brisanten neuen Erkenntnissen, die Paoli im Juni ebenfalls mitgeteilt haben will. Umso brisanter ist nun die Frage, ob das neue Wissen gerettet werden soll.