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Freie Wähler wünschen sich Einfluss

Die Freien Wähler aus Bayern präsentieren sich symbolträchtig auf dem bundespolitischen Parkett in Berlin. Der Niederbayer Hubert Aiwanger macht damit die Ambitionen seiner Partei deutlich.

Von Lisa Weiss | 22.12.2011
    Hubert Aiwanger, der Vorsitzende der Freien Wähler, ist endlich da, wo er hin will: in Berlin – wenn auch zunächst nur für einen kurzen Besuch. Der holzgetäfelte Nebensaal im Haus der Bundespressekonferenz ist zwar klein, vor dem Rednerpult mit Aiwanger und Hans-Olaf Henkel gibt es zwei, drei Tischreihen für die Zuschauer. Aber das große Ziel ist klar: Aiwanger will mit seiner Partei endgültig ankommen in Berlin, eine Alternative zur Politik der arrivierten Parteien bieten. Er kämpft vor allem gegen die Europolitik der Bundesregierung:

    "Und jetzt bin ich natürlich auf der Suche nach Bündnispartnern und bin hier mit Hans-Olaf Henkel mit einem Mann fündig, der es wagt, auch mal aus dem Mainstream herauszudenken. Und ich glaube, dass wir hier für 2013 eine Wahlalternative anbieten können, die sich gewaschen hat.
    Meine Damen und Herren, nach den urbayrischen Lauten jetzt etwas mehr Norddeutsches. Ich glaube, dass allein schon diese beiden Akzente die ganze Spannweite der Freien Wähler wunderbar demonstriert."

    Und wirklich: Der Unterschied zwischen Henkel und Aiwanger könnte größer nicht sein: auf der einen Seite Aiwanger, bodenständiger Landwirt aus Niederbayern, der Mann für die kleinen Leute. Auf der anderen Seite der Ex-Manager Henkel, früher Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie und FDP-nah, heute ein euroskeptischer Wirtschaftsfachmann, der sich gerne ins politische Geschehen einmischt, ein Dauergast in Talkshows. Wie passt das zusammen? Gar nicht, sagen Kritiker. Aiwanger wolle Aufmerksamkeit, der FDP ein paar Wählerstimmen abjagen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zum Beispiel verglich Henkel mit Gabriele Pauli, der Fürther Landrätin, die von der CSU zu den Freien Wählern wechselte und dann eher mit Latex-Fotos, als mit politischem Programm Furore machte. Aiwanger sieht das anders:

    "Wie damals Pauli ist auch Henkel eine bekannte Figur, aber ich seh' trotzdem einen deutlichen Unterschied. Henkel ist wirklich aufgrund seiner wirtschaftlichen Herkunft einer, der über Jahrzehnte weiß, was los ist; den man nicht als Populisten abstempeln kann."

    Auch Aiwanger selbst wird häufig als Populist abgestempelt. Er glänzt mit markigen Sprüchen und niederbayerischem Dialekt, er ist ein Profi-Politiker, aber bei ihm hat man oft das Gefühl, er glaubt, was er sagt. Seine Heimat: Bayerns ländlicher Raum.

    "Wir müssen in München und Berlin mitarbeiten, um zuhause unsere Heimat zu gestalten."

    In München, im Bayerischen Landtag, sind die Freien Wähler schon vertreten. Ihr Gebiet ist aber eigentlich weder die Landes- noch die Bundespolitik, sagt Parteienforscher Werner Weidenfeld vom Centrum für angewandte Politikforschung in München:

    "Die Freien Wähler sind eine "Sich-Kümmerer-Partei" in der Kommune, also das ist ihre eigentliche Stärke."

    Großartig landespolitisch profiliert hätten sich die Freien Wähler bisher nicht, sagt Weidenfeld. Und auch für die Bundespolitik fehle ihnen das Profil. Trotzdem könnten die Freien Wähler in Berlin Erfolg haben. Wenn die Unzufriedenheit mit den traditionellen Parteien so groß ist ...

    "... dass viele Menschen sagen, ist mir völlig egal, wem ich da sonst die Stimme gebe. Freie Wähler ist okay, oder Piraten ist okay, Hauptsache nicht den anderen."

    In Umfragen liegen die Freien Wähler in Bayern momentan bei neun bis zehn Prozent. Bei der Landtagswahl 2013 könnten sie das Zünglein an der Waage sein und entweder mit der CSU koalieren. Oder mit SPD und Grünen die Regierung stellen. Aiwanger will sich nicht vor der Wahl festlegen:

    "Wir können uns eine Zusammenarbeit mit CSU genauso vorstellen, wie mit Rot-Grün. Es kommt auf die Inhalte an. Wer am Ende die vernünftigsten Vorschläge macht, den würden wir unterstützen."

    Für Parteienforscher Weidenfeld stecken die Freien Wähler in einer Zwickmühle – schließlich waren sie bei der letzten Landtagswahl als Alternative zur CSU angetreten, hatten ihr die konservativen Wähler abspenstig gemacht.

    "Einerseits lockt der Erfolg, auf einer Linie zu sagen: Nein, mit der CSU machen wir die Koalition nicht. Auf der anderen Seite ist der Druck der Basis stark da, näher an der CSU zu stehen."

    Vielleicht könnte den Freien Wählern die Entscheidung abgenommen werden: Eine Umfrage sieht auch die Piratenpartei im bayerischen Landtag. Und dann würde ein Bündnis zwischen SPD, Grünen und Freien Wählern wohl rechnerisch unmöglich werden. Aber vielleicht würde Aiwanger dann ja auch in die Opposition gehen. Die Freien Wähler würden ihm folgen. Er ist ihr Fraktionsvorsitzender im Landtag, ihr Landesvorsitzender, ihr Bundesvorsitzender - ihre unumstrittene Führungsfigur. Aiwanger ist es, der die Freien Wähler nach Berlin bringen will – seine Partei zieht mit. Er selbst möchte aber vorerst nicht in die Bundespolitik:

    "2013 nicht, also mein Ziel ist, 2013 für den Landtag zu kandidieren, hier die Freien Wähler noch mal starkzumachen und was dann 2017 ist, das will ich heute nicht vorhersagen. Also, ich kann mir durchaus vorstellen, mittelfristig nach Berlin zu gehen, sofern die Situation so ist, dass des läuft."

    Ansonsten bliebe ja noch Brüssel: Bei der letzten Europawahl kamen die Freien Wähler auf rund 1,5 Prozent. Und weil bei der nächsten Europawahl die 5-Prozent-Hürde abgeschafft wird, dürfte es mit dem Einzug klappen. Mit dabei vielleicht sogar Hans-Olaf Henkel. Den Aufnahmeantrag für die Freien Wähler hat der frühere Spitzenmanager jedenfalls bereits gestellt.