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Freifunk
WLAN für alle

Die Freifunk-Gemeinschaft ist Teil einer globalen Bewegung für freie Infrastrukturen und offene Funkfrequenzen. Spätestens seit der NSA-Affäre ist das Thema aktuell. Freifunker arbeiten seit über zehn Jahren an freien WLAN-Netzwerken, die eine Überwachung der Kommunikation deutlich erschweren.

Von Julia Batist | 27.06.2015
    Eine Lampe leuchtet am Mittwoch (12.05.2010) an einem WLAN-Router.
    Eine Lampe leuchtet an einem WLAN-Router. (picture alliance / dpa)
    Jochim Selzer: "Gegen die Einbahn halb links."
    Reporterin: "Hier sind lauter grüne Punkte und Bärbelchen ist der nächste. Ich find kein Freifunk bei mir. Homenet, Fritzbox, Netconnect. Gesichert."
    Selzer: "Ah, da haben wir es doch."
    Geschafft, wir sind verbunden. Freifunker Jochim Selzer per Pad und ich mit meinem Smartphone. Jetzt haben wir in einem überschaubaren Radius freien Internet-Zugang. Jemand, der seinen Router Bärbelchen nennt, macht's möglich. Wir stehen vor seinem Wohnhaus, die Adresse findet man auf einer Übersichtskarte im Netz. Unsere Verbindung endet da, wo keine weiteren Knotenpunkte - also Router - sind. Wer mitmacht, stellt seinen WLAN-Router für alle zur Verfügung. Dafür kann er selbst auch Text, Musik und sogar Filme über das Freifunk-Netz übertragen. Einige Straßen weiter treffen sich gerade Freifunker aus ganz Deutschland bei einem Event. Mehrere Tische sind zusammengeschoben, eine Gruppe sitzt vor Laptops und Routern, erklärt sich gegenseitig Details.
    Netz selbst verwalten
    Thilo Grasberger ist Freifunker in Köln: "Die Idee ist ein freies, dezentrales Netz zu bauen, was von Bürgern selbst verwaltet wird. Was keiner abschalten kann und keine Behörden Einfluss darauf nehmen können, so wie es im Moment mit dem Internet passiert. Wir haben hier Router und die bekommen eine andere Software aufgespielt, mit der Freifunk funktioniert."
    Rund zwanzig Euro kostet so ein Gerät. Ein Besucher hat gerade eins gekauft. Er wohnt in Berlin und hat das Freifunknetz entdeckt, weil er umgezogen ist: "Ich hab noch keinen Internetprovider gehabt aber dafür eben ein Freifunknetz, konnte mich direkt einbuchen. Das hat mir das Leben sehr einfach gemacht. Jetzt wollte ich mich da auch mal beteiligen. Mitmachen, das Netz ein bisschen weiter auszubauen."
    Unklare Rechtslage
    Alle Daten im Freifunknetz werden zu einem zentralen Provider geschickt. Der leitet sie ins Internet weiter. Einzelne Anwender sind also nicht erkennbar.
    Im Internet gilt: Wer Rechtsverstöße verursacht, haftet. Internetprovider müssen aber nicht alle Inhalte ihrer Nutzer kontrollieren. Sie genießen das sogenannte Haftungsprivileg. Bei Freifunkern ist die Rechtslage unklar. Wenn Nutzer illegal Musik im Freifunknetz herunterladen, könnten die Freifunk-Anbieter dafür als Störer haften. Denn als Störer gilt, wer eine Rechtsverletzung ermöglicht. Die meisten Verfahren zu Rechtsverstößen in freien WLAN-Netzen endeten allerdings mit einer Haftungsfreistellung. Dem Freifunk Rheinland wurde sogar Providerstatus zuerkannt. Gerade hat die Bundesregierung eine Neuregelung der WLAN-Störerhaftung zur Notifizierung an die EU geschickt. Noch bleibt unklar, wie man in Deutschland rechtsicher offenes WLAN anbieten kann.
    Sensible Daten sollte man im Freifunknetz verschlüsseln. Trotzdem - immer mehr Menschen machen mit. Grasberger: "Ich kann jetzt nicht in Personen sprechen, sondern in Routern: wir haben aktuell online so zwischen 280 und 300 Routern. Dazu kommt aber noch eine Dunkelziffer von Geräten, die gerade nicht online sind. Hier sieht man's. In Hamburg sind jetzt genau aktuell 798 Knoten online, also Router. Mehr als doppelt so viel aktuell."
    Dirk Theisen, Freifunker aus Bonn, sieht im Freifunk weit mehr als kostenloses WLAN: "Für mich ist das eigentlich eine Internetgrundversorgung für alle Leute, und zwar egal wo sie herkommen. Wir versorgen jetzt in Bonn ein Flüchtlingsheim. Leute die hier quasi gestrandet sind, die keine Kommunikationsmöglichkeiten haben, die gar nicht rauskommen, nicht arbeiten dürfen."
    Erfolgsgeschichte Nummer eins: Arnsberg. Freifunker haben in einem Projekt mit Jugendlichen ein Netz aufgebaut. Micoto Szillat war dabei: "Das geht auch über größere Distanzen. Wenn man einen erhöhten Standort hat, bestimmte Antennen anbringt, die dafür geeignet sind, also Richtfunk macht. Das haben wir in Arnsberg getan. Leute, die Geschäfte dort betreiben. Die haben in ihren Geschäften solche Geräte aufgestellt. Und die verbinden sich dann kreuz und quer über die Einkaufsstraße. So dass die Menschen die dort durchgehen, überall Netz haben."
    Router steht im Rathaus
    Zweites Beispiel: Dormagen. In dem kleinen Ort hat sich der Bürgermeister für Freifunk begeistern lassen. Ein Router steht im Rathaus, in der Einkaufszone gibt es seither freies WLAN. Heute dürften sich die Freifunker besonders freuen. Dank ihres Infostandes wird das Freifunknetz jetzt sogar Frankreich erreichen: "Ich wohne in Frankreich, in einem kleinen Dorf. Da wohnen 1.012 Leute. Und im Sommer sind es halt 4.000 oder 5.000. Die haben alle kein Roaming. Und jetzt probieren wir es mit Freifunk."