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Freigesprochen

Die Absatzkrise beim Automobil trifft zunehmend auch die Oberklasse und somit ihre oft handverlesenen Zulieferbetriebe. Dabei handelt es sich oft um kleine, aber feine Unternehmen, die ausgesuchtes Zubehör für Edelkarossen herstellen. Bei einem Brandenburger Zulieferer, der sich auf Funktechnik im Auto spezialisiert hat, reagiert man zwar ebenfalls mit Kurzarbeit in der Produktion, Forschung und Entwicklung für neue Produkte wird dagegen intensiviert.

Von Eva Firzlaff |
    Der Weg ist weit vom Bahnhof Dabendorf zum Funkwerk. In den 1940-er Jahren wurde der Betrieb bewusst in den Wald gebaut, südlich des Berliner Rings. Denn hier entstanden Radar- und Funkanlagen fürs Militär. Beim Waldspaziergang stolpert man immer noch über Betonfundamente von Radaranlagen, die getestet wurden. Später kamen Radare für NVA und Warschauer Pakt aus Dabendorf und Funktechnik für Schiffe. Doch 1990 verschwand der angestammte Markt, auf dem Weltmarkt hatten die Produkte keine Chance.

    "Nach der Wende musste man sich natürlich neue Produktbereiche, neue Märkte, neue Kunden suchen. Das war bis Mitte der 90-er Jahre abgeschlossen. Ab da begann dann auch die Erfolgsgeschichte im Funkwerk Dabendorf, die uns jetzt zu einem sehr, sehr starken Leuchtturm in Brandenburg macht."

    Der "große Preis des Mittelstands" schmückt das schlichte Foyer gleich doppelt. Und im vorigen Sommer freute sich Fabian Schaaf vom Marketing noch:

    Heute machen wir den Umsatz in einem Monat, den wir 1997 in einem Jahr gemacht haben.

    Im Spitzenjahr 2007 betrug der Umsatz 58 Mio. Euro. Doch vor einem halben Jahr kündigte der erste amerikanische Autobauer seine Verträge. An Krise dachte noch niemand. Mittlerweile ist das Amerika-Geschäft gleich Null. Und ab Mitte September bestellten auch deutsche Auto-Hersteller weniger. Geschäftsführer Lutz Pfister:

    "Die Autokrise kommt natürlich auch in Dabendorf an. Wir sind ja Automobilzulieferer, wo zirka 80 Prozent unserer Geräte in die Erstausrüstung gehen und damit treffen uns die Abkündigungen von Fahrzeugen natürlich direkt. Wir hatten seit vielen Jahren, weit über zehn Jahre - ein ungebremstes Wachstum. Mittlerweile haben wir durch diese Reduzierungen am Markt eine Umsatzdelle. Man muss schon sagen, wir haben sowohl im Vorjahr, als auch in diesem Jahr wird es wohl sein - einen Umsatz, der deutlich niedriger ist, als in den Vorjahren, die wir bisher gewohnt waren."

    Die Rakete, die dem Funkwerk zum Erfolg verholfen hatte, ist der selbstentwickelte Compenser. Weltweit einzigartig. Wer mit dem Handy am Ohr telefoniert oder mit einer transportablen Freisprechanlage, der kennt Funklöcher und Verständigungsprobleme.

    "Die Funknetze sind ja so ausgeleuchtet, dass es in den Randbereichen zu Schwierigkeiten kommt in der Übertragung, es ist weniger Leistung da. Und wir mit unseren Geräten sorgen dafür, dass die Leistung immer optimal ist, dass sie ein gutes Sprachverständnis haben oder ihre Daten sehr gut übertragen können."

    Autos mit fest installierter Freisprechanlage haben so eine kleine Box mit an Bord. Gerade in der Oberklasse. Allerdings trifft ja der jetzige Absturz der Autoproduktion eben diese Oberklasse. Und da hilft es dem Zulieferer nicht, dass er Weltklasse bietet. Lutz Pfister:

    "Man ist genauso betroffen wie alle anderen auch. Natürlich, wenn es besonders das Premiumsegment betrifft, wo Stückzahlen reduziert werden, wird man in dem Fall härter bestraft. Unsere Technik geht jedoch auch in die Mittelklasse oder noch tiefer und ist über das ganze Spektrum eigentlich ganz gut verteilt, so dass wir diesen ganz großen Einbruch eigentlich nicht haben."

    Um ein Fünftel ist die Produktion in den vergangenen Monaten gesunken. Dennoch bleibt Lutz Pfister optimistisch. Denn das Funkwerk ist auch Marktführer bei ganz normalen Freisprechanlagen zum Nachrüsten. Die jüngste Innovation ist eine Freisprechanlage, die nicht an die Frontscheibe oder ins Cockpit geklebt oder montiert wird, sondern wie ein Kaffeebecher in den Getränkehalter gesteckt. Fabian Schaaf:

    "Da kann es auch nicht herausfallen. Das Handy bleibt einfach in der Jackentasche oder im Kofferraum. Das Handy verbindet sich über Bluetooth, also kabellos, mit der der Freisprechanlage. Man steigt einfach ins Fahrzeug ein, Handy und Fahrzeug verbinden sich miteinander und man kann sofort lostelefonieren."

    Das Überraschende dabei: Diese High-Tech-Produkte werden in der neuen Produktionshalle zum Teil noch mit viel Handarbeit hergestellt. Produktionsleiter Bernd Schneider:

    " Wir müssen weg von den vollautomatischen Linien. Die sind zu starr. Wir kriegen also unsere Vielzahl von Produkten nicht mehr über eine oder 2 Linien. Sondern wir brauchen Linien, die sehr flexibel sind. Wenn die Stückzahlen um 10.000 bis 15.000 pro Jahr sind, dann gehen wir auf so einen Schiebetakt. Da ist das Produkt nach einzelnen Arbeitsgängen aufgetaktet, denn jeder Mitarbeiter soll nicht mehr als 7 oder 8 Einzelteile verarbeiten, weil er über acht Stunden sonst nicht mehr die Prozesssicherheit gewährleisten kann. Wir haben also die einzelnen Arbeitstakte gemacht. Die Kollegen werden versorgt mit Material und schieben dann das sich entwickelnde Produkt weiter auf den nächsten Arbeitsplatz. Ist eigentlich eine relativ einfache und bewährte Methode. "

    Die Produktionsabläufe hat das Funkwerk Dabendorf längst optimiert. Dennoch musste das Unternehmen auf den sinkenden Absatz reagieren. In den vergangenen Wochen wurden einige Mitarbeiter entlassen und befristete Verträge nicht verlängert. Ein Zeitarbeitsprojekt lief ohnehin aus. Von bisher 200 Beschäftigten ist die Belegschaft auf 180 geschrumpft. Seit 1. Januar wird ein bis zwei Tage weniger pro Woche gearbeitet. Allerdings trifft diese Kurzarbeit nur die Produktion. Marketing und die 50 Entwicklungsingenieure arbeiten auf Hochtouren. Denn in diesem Jahr wollen die Dabendorfer einen Router auf den Markt bringen - für den störungsfreien Internetempfang im Auto. Auch dieses Gerät wird einzigartig sein auf dem Markt.