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Freiheit in engen Grenzen - der Fall Georges Baongla (Kamerun)

Die Zeitungskioske in Kameruns Hauptstadt Jaunde und in der Hafen- und Wirtschaftsmetropole Douala bieten eine reichhaltige Auswahl einheimischer Druckerzeugnisse an. Die meisten davon erscheinen allerdings nur unregelmäßig, viele sind von erschreckend dürftiger Qualität. Immerhin gibt es seit ein paar Monaten neben der regierungseigenen "Cameroon Tribune" mit "Mutations" auch eine unabhängige Tageszeitung. Die meisten Zeitungen versuchen sich gegenseitig zu überbieten, wenn es um Kritik an der Regierung geht. Trotzdem will Andreas Mehler nicht von einer freien Presse in dem zentralafrikanischen Land sprechen. Mehler ist Direktor des Instituts für Afrikakunde in Hamburg und beobachtet die Entwicklung in Kamerun seit Jahren:

Thomas Mösch |
    Es ist zwar relativ viel erlaubt auf den ersten Blick, aber es gibt deutliche Grenzen. Heikle Themen sind Korruptionsaffären, die Gesundheit des Präsidenten, Militär. Da hört der Spaß sehr schnell auf.

    Eine solche Grenze hat offenbar auch Georges Baongla überschritten. Baongla ist Herausgeber der kleinen Zeitung "Le Démenti" - "Das Dementi". Anfang Januar wurde er verhaftet und erfuhr, dass ihn schon im Oktober ein Gericht wegen Erpressung verurteilt hatte. Das Urteil lautete auf fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von 26.000 Euro. Der Journalist soll eine Beamtin des Wirtschaftsministeriums erpresst haben. Die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" kritisiert, dass Baongla weder von den Vorwürfen noch von dem Gerichtsverfahren etwas gewusst habe. Merkwürdig ist außerdem, dass der Journalist schon im August letzten Jahres einmal verhaftet worden war. Damals sollte er falsche Informationen veröffentlicht haben, wonach der Wirtschaftsminister Geld unterschlagen hatte. Danach hörte Baongla von diesem Vorwurf nichts mehr. Regierungskritische Journalisten erleben in Kamerun immer wieder Unangenehmes, berichtet Politikwissenschaftler Mehler. Dazu gehören auch verdeckte Aktionen wie nächtliche Überfälle:

    Was aber sicher auffälliger ist, sind die Prozesse, Verleumdungsklagen, die im Unterschied zu europäischen Ländern nicht zu Geldstrafen führen, die manchmal auch berechtigt wären, sondern zu langen Haftstrafen. Mehrmonatige Haftstrafen sind keine Seltenheit, aber wir haben sogar noch längeres erlebt bis über ein Jahr hinaus.

    Der bekannteste Fall der letzten Jahre ist der von Pius Njawé, dem Herausgeber der ältesten regierungs-unabhängigen Zeitung "Le Messager". Njawé war Ende 1997 verhaftet worden, weil er berichtet hatte, Präsident Paul Biya sei krank. Wegen Verbreitung falscher Nachrichten wurde er dann zu zwei Jahren Haft verurteilt, aber schon zehn Monate später begnadigt. Erst kürzlich nahm ihm die Polizei bei der Rückkehr von einer Auslandsreise am Flughafen wieder einmal die Papiere ab. Der Chefredakteur des "Messager", Melvin Akam, verweist auf die nach wie vor problematische Rechtslage:

    Diese Medienlandschaft wird von einem Gesetz aus dem Jahr 1990 geregelt, das repressiv ist und viel kritisiert wird. Auch wenn die Regierung dieses Gesetz in den letzten zwei Jahren nicht oft benutzt hat, um Journalisten zu bestrafen, so bleibt es doch eine ständige Bedrohung für die Pressefreiheit.

    Die Regierung hat um so leichteres Spiel, weil viele Zeitungen nur von geringer Qualität sind. Es ist kein Problem, Journalisten zu finden, die gegen Geld Gerüchte streuen. Das macht auch den seriösen Medien zu schaffen. Melvin Akam vom "Messager" beklagt, dass regierungskritische Zeitungen keinen Zugang zu offiziellen Informationen haben - zum Beispiel, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht:

    Es gibt dann ja immer noch die informellen Quellen. Das kann ein Polizist oder Gendarm sein, der angewidert ist von der Grausamkeit einer Hinrichtung oder Folter, die er miterlebt hat. Der legt dann bei uns sozusagen eine Beichte ab.

    Für die kleine Schar von Menschenrechtlern und radikalen Oppositionellen sind die regierungs-unabhängigen Zeitungen deshalb ein wichtiges Forum, auch wenn es sich nur wenige Menschen in Kamerun leisten können, regelmäßig ein Exemplar zu kaufen. Andreas Mehler vom Hamburger Institut für Afrikakunde:

    Die gedruckte Presse ist nur in den größeren Städten zu haben, bei Radio wäre das anders; das Gesetz über audio-visuelle Medien existierte zehn Jahre, bevor man Ausführungsbestimmungen verabschiedet hat. Auch danach ist es für private Radios nicht leicht, eine Lizenz zu bekommen. Radio würde praktisch jeden erreichen. Das ist bestimmt eine wesentlich gefährlichere Quelle für Regime-Kritik. Es ist ja auch schwieriger, hinterher zu zensieren: Was in der Luft, ist auch schon in den Ohren.

    Die ersten privaten Radiosender haben jetzt den Betrieb aufgenommen, sind aber noch sehr unpolitisch. Ohnehin nehme die Selbstzensur zu, erzählt Chefredakteur Akam. Gelegentliche Haftstrafen für Journalisten schüren die Angst, denn die unmenschlichen Verhältnisse in Kameruns Gefängnissen können tödlich sein. Die kamerunischen Journalisten fordern deshalb, dass Verstöße gegen das Presserecht nur noch mit Geldstrafen geahndet werden sollen.