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Freiheit mit 75

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Manfred Sauer |
    "Wir sehen die Chance in einem liberalisierten Markt, dass wir unsere Beteiligungen an regionalen und kommunalen Stadtwerken verstärken. Wir haben in Deutschland 24 Beteiligungen bei regionalen Gasgesellschaften und kommunalen Stadtwerken. Wir haben darüber hinaus bei der Liberalisierung insbesondere auch in Osteuropa und in den skandinavischen Ländern unsere Beteiligungen an den dortigen Gesellschaften verstärkt und haben dort mittlerweile 17 Beteiligungen erworben."

    Und dabei soll es längst nicht bleiben. Wilfried Czernie, Manager bei der Essener Ruhrgas AG hat große Pläne. In diesen Tagen feiert der Branchenprimus Ruhrgas seinen 75. Geburtstag. Jetzt, ein Dreiviertel Jahrhundert nach seiner Gründung, muss sich der Gasriese noch einmal auf neue Spielregeln einstellen. Denn die Liberalisierung des Gasmarktes läuft zur Zeit auf Hochtouren. Um sich auch künftig eine dominierende Rolle im Gasgeschäft zu sichern, will sich das Unternehmen stärker als bislang an regionalen und kommunalen Energieversorgungsunternehmen beteiligen, an Stadtwerken.

    Einer der Gründe dafür ist, dass im Rahmen der Liberalisierung des europäischen Gasmarktes künftig auch ausländische Anbieter auf dem deutschen Markt ihr Gas anbieten dürfen. Die Ruhrgas selbst liefert zur Zeit überwiegend an die kommunalen Versorgungsbetriebe und an die Industrie.

    Der deutsche Gasmarkt war bislang eher monopolistisch strukturiert. Das heißt: Er war in sogenannte Konzessionsgebiete aufgeteilt. In der Regel konnten die Verbraucher - gleich ob Industrie oder privat - dort nur Gas von einem Energieversorgungsunternehmen beziehen - wie etwa den GEW Köln oder den Wuppertaler Stadtwerken. Die kommunalen Betriebe beziehen das Gas, das sie an den Kunden weiterleiten, bisher von Ferngasgesellschaften wie der Ruhrgas, der Verbundnetzgas AG Leipzig oder der Thyssengas. Diese Unternehmen und eine Reihe anderer Ferngasgesellschaften unterhalten Gasnetze quer durch das Bundesgebiet. So kann das Gas etwa von Emden, wenn es zum Beispiel aus Norwegen kommt oder von Frankfurt an der Oder, wenn es aus Russland kommt, in andere Städte über mehrere hundert Kilometer weitergeleitet werden. Die Ferngasgesellschaften wiederum beziehen das Gas von den Erdgasfördergesellschaften.

    Künftig soll der Verbraucher die Möglichkeit haben, Gas auch von einem anderen Anbieter als von seinem angestammten Energieversorger zu kaufen. Der Gasverkäufer würde dann das Gas durch die Leitungen in der Stadt des Kunden bis hin zum privaten Anschluss leiten. An den kommunalen Energieversorger würde der Gasverkäufer dann ein sogenanntes Durchleitungsentgelt zahlen. Die EU-Kommission in Brüssel verspricht sich davon einen stärkeren Wettbewerb zum finanziellen Vorteil der Endverbraucher. In der EU-Gasrichtlinie vom August 1998 haben sich die Europapolitiker darauf geeinigt, dass innerhalb von zwei Jahren ein Gasbinnenmarkt geschaffen werden soll. Vor allen Dingen soll der Kunde dann, gleich wo er sitzt, seinen Lieferanten frei wählen können; und jeder Lieferant ins Gasnetz einspeisen dürfen. Im Industriebereich ist das in Deutschland bereits heute schon gängige Praxis.

    Die privaten Haushalte sollen ab Januar 2002 wählen können, von wem sie ihr Gas beziehen. Der Europäischen Kommission verläuft die Liberalisierung des Marktes allerdings zu schleppend. Anfang dieses Monats hat sie die Bundesregierung verwarnt, weil die EU- Richtlinie zur Liberalisierung der Märkte noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt ist. Die Regierung hat nun zwei Monate Zeit, um auf die Vorwürfe zu reagieren. Überhaupt kein Verständnis für den Druck aus Brüssel hat Wolf Pluge, der Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft:

    "Diese Forderung ist an sich unglaublich. Deutschland hat den Markt zu 100 Prozent geöffnet. Und mit Ausnahme Großbritanniens haben das die anderen europäischen Staaten nicht getan. Und der Wettbewerb, der sich in Deutschland bis zum heutigen Tage auf Grundlage der neuen Gesetze und der Verbändevereinbarung entfaltet hat, ist wesentlich stärker und intensiver als der Wettbewerb, der sich in allen anderen EU-Staaten mit Ausnahme Großbritannien entfaltet hat. Und gerade diese anderen EU-Staaten haben ihre Märkte nur teilweise geöffnet. Es ist an sich ein unglaublicher Tatbestand, dass die EU allein nur formell argumentiert und nicht die Frage stellt, wie steht es wirklich um die Intensität des Wettbewerbs."

    Denn im Gegensatz zu Frankreich etwa können ausländische Unternehmen in Deutschland Gas verkaufen. Doch die Franzosen haben ihren Markt gegen Ausländer abgeschottet. Die Eu-Kommission hat dagegen im Mai Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingereicht.

    Um den Netzzugang und die Durchgangsentgelte auf dem deutschen Markt zu regeln, unterzeichneten vier Wirtschaftsverbände die sogenannte Verbändevereinbarung. Beteiligt sind daran der Bundesverband der Deutschen Industrie, und der VKI, der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft. Dazu kommen der Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft und der Verband der kommunalen Unternehmen. Verbrauchervertreter hatten keinen Platz am Verhandlungstisch zur Verbändevereinbarung. Aus gutem Grund, wie Wolf Pluge vom Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft, findet:

    "Von Anfang haben die Verbraucherverbände gesagt, wir wollen eine Regulierung des Netzzugangs durch eine staatliche Behörde. Wir wollen keine Verbändevereinbarung. Und wenn wir nun eine Verbändevereinbarung aushandeln, dann kann man keine Gruppierungen mit an den Verhandlungstisch nehmen, die überhaupt keine Verbändevereinbarung haben wollen, sondern für eine staatliche Regulierung sind."

    Mit ihrer Forderung nach einer Behörde zur Regulierung des Marktes ziehen die Verbraucherschützer mit der EU-Kommission an einem Strang. Der deutsche Alleingang - Verbändevereinbarung statt staatlicher Regulierung - ist den Brüsselern ein Dorn im Auge. Nach Meinung von deutschen Industrievertretern verbirgt sich dahinter die Angst, die Gaswirtschaft hierzulande könnte den deutschen Markt unter sich aufteilen, ohne dass ein Ausländer zum Zuge kommt. Immerhin ist der hiesige Gasbinnenmarkt der größte Europas. Allein in Deutschland haben die Gasunternehmen im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 49 Milliarden Mark erwirtschaftet. Für Wilfried Czernie von der Ruhrgas ist nur schwer nachvollziehbar, dass die Brüsseler Politiker dieses Geschäft nun im Eiltempo europaweit neu regeln möchten - möglichst mit nationalen Kontrollbehörden.

    "Es geht deswegen zu schnell, weil die Kommission in Brüssel nicht die charakteristischen Merkmale der einzelnen Märkte in Europa akzeptiert. Ich meine damit, dass zum Beispiel der Gasmarkt in Italien, Spanien, Frankreich oder Großbritannien völlig anders strukturiert ist als in Deutschland und man nicht alles über einen Kamm scheren kann.Wenn sie Erdgas zum Heizen brauchen wie in Deutschland mit einem großen Anteil, 70 Prozent aller Neubauwohnungen gehen auf Erdgas, haben sie natürlich Winterspitzen. Und um Winterspitzen ausgleichen zu müssen, brauchen sie Erdgasspeicher, in die wir das Erdgas im Sommer einpressen und im Winter mitherausnehmen. Mit anderen Worten hier ist auch ein Speicherbedarf da, der auch riesige Investitionen beinhaltet."

    Nur was auf den Privatkunden finanziell zukommt, weiß niemand so recht. Verbraucherschützer bemängeln, dass viele juristische Probleme - etwa der Vertragsgestaltung - bis heute noch nicht geregelt sind. Martin Steinestel von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen:

    "Man hätte frühzeitig durch Hinzunahme der Verbraucherverbände Konfliktpotenzial mindern können, in dem man hätte versuchen können die klassischen Bedenken auszuräumen. Was passiert, wie beim Strommarkt der Fall, wenn der Fremdanbieter insolvent ist. Was passiert, wenn ein Verbraucher den Anbieter wechseln möchte? Welche vertraglichen Bedingungen müssen auf jeden Fall erfüllt sein? Welche Bestimmungen müssen auf jeden Fall im Vertrag genannt sein, damit das reibungslos läuft."

    Bei den kommunalen Energieversorgungsunternehmen sieht man dem kommenden Jahr mit Bangen entgegen. Dann müssen sie die privaten Haushalte auch mit dem Gas fremder Lieferanten versorgen können. Und nicht nur mit ihrem eigenen. Der Kunde soll dann zudem nicht mehr pauschal bezahlen, sondern nach Verbrauch. Um diesen Verwaltungsaufwand in den Griff zu bekommen, ist neue Abrechnungssoftware nötig, wie Michael Seidel vom Verband der kommunalen Unternehmen erläutert:

    "Die Abrechnungssoftware hat schlichtweg die Aufgabe jetzt jedem Kunden auch tatsächlich das zuzuordnen, was er tatsächlich auch verbraucht hat. Sie wissen, der Haushaltskunde hat im Grunde nur die Menge bezahlt. Und wir als Versorger bezahlen aber Stundenleistungen. Und jetzt müssen wir jedem Kunden auch entsprechende Stundenwerte zuordnen. Das leistet die entsprechende Abrechnungssoftware im Moment noch nicht. Gleichzeitig ist es erforderlich, überhaupt eine Unmenge von Kundendaten zu verwalten. Und sie wissen: Ein einfaches Excel-Programm kann das Problem für zehn Kunden sicherlich gut lösen. Für 40 000 Kunden: da steigt jedes Excel-Programm aus. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Anforderungen, die wir an die Software gestellt haben. Und auch formuliert haben, von denen uns Hersteller, Softwarehersteller versichert haben, dass sie tatsächlich funktionieren. Im praktischen Einsatz hat sich aber gezeigt, dass es sehr große Probleme gibt und dass diese Dinge nicht perfekt sind."

    Noch schlimmer: Branchenexperten fürchten, dass die Softwareentwicklung für diesen Markt den tatsächlichen Anforderungen um fünf bis sechs Jahre hinterherhinkt. Diese Probleme seien auch aus Großbritannien bekannt. Dort hätten Gaskunden innerhalb kurzer Zeit mehrfach den Anbieter gewechselt und Gas bezogen, aber keine Rechnungen erhalten. Die Finanzen bereiten den kommunalen Energieversorgungsunternehmen auch anderer Stelle sorgen. Man will sparen, vor allem beim Personal. Michael Seidel vom Verband der kommunalen Unternehmen.

    "Es gibt Stadtwerkekooperationen wie zum Beispiel aktuell Nürnberg, Fürth und Erlangen. Dort haben sich also drei Stadtwerke zusammengetan, haben zusätzlich noch das Know-how eingekauft eines regionalen Energieversorgers und organisieren jetzt diese Unternehmensbereiche gemeinsam. Das geht los mit gemeinsamen Bereitschaftsdiensten, Vorhaltung eines Fuhrparks, das geht in den Abrechnungsbereich, auch in den Planungsbereich. Überall dort entstehen Synergien, die jetzt genutzt werden. Selbstverständlich wird nicht an der Versorgungssicherheit gespart, und selbstverständlich wird auch nicht an der Kundenbetreuung gespart."

    Doch langfristig wird der Sparkurs bei den rund 650 kommunalen Energieversorgern zu einem drastischen Personalabbau führen. Von den 60 000 Arbeitsplätzen in der Gaswirtschaft, so schätzen Branchenkenner, fallen in den nächsten zwei bis vier Jahren 10 bis 15 000 Stellen dem Rotstift zum Opfer. Dass es dann zu Entlassungen kommen kann, die weniger sozialverträglich sind als bisher, schließt man beim Verband der kommunalen Unternehmen nicht mehr aus. Bei der Verbundnetzgas AG in Leipzig, dem größten Gasnetzbetreiber in Ostdeutschland, sieht man der Liberalisierung des Marktes eher gelassen entgegen. Bereits nach der Wiedervereinigung musste sich das Unternehmen dem westlichen Wettbewerb stellen. So habe man den Betrieb vor rund zehn Jahren von Grund auf durchrationalisiert. Klaus-Ewald Holst, der Vorstandsvorsitzende:

    "Für uns, für die VNG, war der Aufbruch in die Marktwirtschaft, wenn ich das so prosaisch formulieren darf 1990/91 von Anfang an, mit diesem Postulat versehen. Wenn wir nicht unsere eigenen Kosten in den Griff bekommen hätten. Dann hätten andere unser Geschäft übernommen. Denn das, was jetzt bei vielen erst kommt, dass sich unterschiedliche Gasversorger auch um den Kunden kümmern. Das hatten wir, so wie sich unterschiedliche Westunternehmen um den Biermarkt gekümmert haben, hatten wir das im Gasmarkt ebenfalls. Also wir mussten von Anfang allen den gleichen Preis hier in der Industrie geben wie in den alten Bundesländern. Denn wie sollte Piesteritz als Stickstoffdüngemittelhersteller einen anderen Preis an seine Kunden liefern wie BASF, wenn er nicht den gleichen Brennstoffpreis hatte. War unmöglich. Die wären alle kaputt gegangen."

    Aber selbst wenn ein Gasunternehmen für den Wettbewerb gut gerüstet und völlig durchrationalisiert ist: Im Zuge der Liberalisierung können erneut Kosten auf die Unternehmen zukommen. Denn die EU-Kommission fordert das sogenannte Unbundling. Das heißt, der Gaslieferant und der Netzbetreiber müssen deutlich voneinander zu unterscheiden sein. Die EU verfolgt damit das Ziel, dass die Kosten für den Kunden transparent sein sollen. Doch was hier zum Wohle des Kunden sein soll, liegt den Unternehmen schwer im Magen. Wilfried Czernie von der Ruhrgas:

    "Hier will sie eine rechtliche und organisatorische Entflechtung für Fernleitung und Verteilung machen oder Transport einerseits und Handel und Vertrieb andererseits. Es sollen nicht nur getrennte Konten sondern auch eine personelle Trennung des Managements vorgenommen werden. Und die ist natürlich ein weitgehender Eingriff in die Organisationsfreiheit, Eigentumsfreiheit der Unternehmen." Es ist so, dass bei der Auseinanderreißung eines Unternehmens natürlich immer Übergangsfragen, Friktionen drin sind und letztlich auch die Frage des Personals beziehungsweise der Kosten. Es kostet Geld."

    Die Argumente der Ruhrgas, die mit rund 60 Prozent Marktanteil den deutschen Gasmarkt dominiert, sind für Martin Steinestel von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen alles andere als einleuchtend:

    "Unbundling ist für den Verbraucher wichtig insofern, dass er vor Ort bei seinem Netzbetreiber unterscheiden kann zwischen Personen, die ihn als Netzkunden betrachten und die, die ihm Gas liefern wollen. Wenn der Verbraucher sich für einen anderen Gaslieferanten entschieden hat, dann sollte der Netzbetreiber oder der Energieversorger vor Ort ihn als Netzkunden bedienen und nicht als Konkurrenten. Und das kommt häufig vor, dass eben hier in den Köpfen der klassischen Energieversorger dieses Unbundling noch nicht stattgefunden hat. Also die Trennung zwischen Netzbetreiber, der Kunde als Netzkunde und der Kunde als Gaskunde, über den Gas und Energie abgesetzt wird. Dieses Unbundling ist eben auch Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt ein Wettbewerb stattfinden kann. Denn ich kann das Netz als solches, als natürlich gewachsene Monopolstruktur nicht liberalisieren. Das ist nach wie vor ein Bereich, indem ich ein Monopol habe als Gasnetzbetreiber, und deshalb ist auch eine strikte kaufmännische oder buchhalterische Trennung notwendig, damit wir hier im wirtschaftlichen Bereich den Wettbewerb überhaupt in Gang kriegen."

    Im neuen Wettbewerb setzen Branchenriesen wie zum Beispiel RWE und E.On darauf, sich als sogenannte Multi-Utility-Unternehmen zu entwickeln. Das bedeutet: Ob Gas oder Strom - jede Energieform soll es künftig zentral aus einer Hand geben. Die kommunalen Energieversorger sollen dann das Gas oder den Strom durch ihr Netz von einem Großanbieter irgendwo im Bundesgebiet an den Kunden weiterleiten. Ihre Leitungen müssen die Stadtwerke dafür zur Verfügung stellen, wenn der Kunde sich für einen der Energieriesen entscheidet. Doch diese Konkurrenz brauchen die kommunalen Energieversorger nicht zu fürchten. Denn was vollmundig unter dem Begriff "Multi-Utility" verkauft wird, praktizieren die Stadtwerke schon seit langem. Gas, Wasser und Strom aus einer Hand. Und sie verfügen über eigenes Servicepersonal vor Ort.

    Um das finanzielle Risiko beim Gasgeschäft in Grenzen zu halten, setzen sich die meisten Unternehmen der Branche trotz der Liberalisierung dafür ein, dass der Gas- an den Heizölpreis gekoppelt ist. Die Gasfördergesellschaften und die Ferngasunternehmen haben sich in langfristigen Lieferverträgen mit Laufzeiten zwischen 20 und 30 Jahren darauf geeinigt, dass der Gaspreis an den Ölpreis gebunden ist. Denn anders als beim Strom, gibt es beim Gas kein Überangebot. Wolf Pluge vom Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft ist davon überzeugt, dass die Bindung des Preises an das Konkurrenzprodukt Öl sinnvoll ist:

    "Das wollen die Produzentenländer so, das wollen die Verbraucherländer so. Nämlich das ist ein Schutzschild gegen exzessive Preisforderungen der Produzentenländer. Wenn man nun auf diese Heizölklausel verzichtet, dann stellt sich die Frage, was man an Stelle der langfristigen Verträge hinstellt. Und das sind eben kurzfristige Verträge und diese Gasmengen, die kauft man kurzfristig auf dem Spotmarkt. Und hier wird der Preis gebildet durch das kurzfristige Gegenüberstellen von Nachfrage und Angebot. Ist die Erdgasnachfrage beispielsweise aus klimatischen besonders hoch, dann können die Preise exzessiv steigen, und hier gibt es nicht das Schutzschild der Heizölklausel."

    Zur Zeit kostet Erdgas im bundesweiten Durchschnitt sieben Pfennig pro Kilowattstunde, Industrieunternehmen zahlen die Hälfte. In der Branche geht man davon aus, dass die Liberalisierung des Marktes zunächst die Preise purzeln lässt. Doch die weltweit steigende Nachfrage nach Erdgas - jährlich circa ein bis zwei Prozent - könnte auf Dauer zu einem höheren Gaspreis führen.

    Um der steigenden Nachfrage nach Erdgas gerecht zu werden, geht die Ruhrgas auf Einkaufstour. Als Deutschlands größter Erdgasimporteur ist sie stets auf der Suche nach ausländischen Unternehmen, an denen sich beteiligen kann. Vor allem in Osteuropa. Denn hier steht die Privatisierung der Gasmärkte noch bevor. "Interessante Möglichkeiten", heißt es in der Essener Konzernzentrale, gibt es zum Beispiel in Tschechien, der Slowakei sowie in Ungarn. Dort soll die Gassparte der Öl- und Gasgesellschaft MOL AG privatisiert werden. Am weltweit größten Gasproduzenten, der russischen Gazprom ist die Ruhrgas bereits heute mit fünf Prozent beteiligt. Aber nicht nur in Beteiligungen wird kräftig investiert, auch in Forschung und Entwicklung. Damit steht der Branchenriese Ruhrgas nichz alleine da. Das "erdgasvollversorgte Haus" ist eine der Visionen. Neben der Warmwasserbereitung und der Heizung setzen die Ingenieure der Gasbranche darauf, durch den Einsatz von Gas in Kombination mit der Brennstoffzellentechnologie auch noch Strom im Haus zu produzieren.

    Die Anfänge des heutigen High-Tech Konzerns Ruhrgas sind dagegen eher bescheiden. Bergbauunternehmen aus dem Ruhrgebiet hatten die Ruhrgas 1926 gegeründet, um Kokereigas zu vermarkten. Dass daraus später einmal ein Unternehmen mit rund 2500 Mitarbeitern werden würde, hätten sich die Firmengründer in den 20er Jahren wohl nicht träumen lassen. Ganz zu schweigen davon, dass der Konzern heute Treibstofflieferant für Autos ist. Selbstverständlich nur für Erdgasautos.