"Seit über 20 Jahren werden Studien zum Thema veröffentlicht. Die einen kommen zu dem Schluss: Ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und Herzinfarkt. Andere sagen: nein, es gibt keinen. Weil die Verwirrung so groß war, war es der Amerikanische Herz Gesellschaft sehr wichtig, sich die wissenschaftlichen Grundlagen genau anzuschauen."
Eine Gutachterkommission ist eingesetzt worden aus Herzspezialisten, Zahnmedizinern und Infektiologen. Drei Jahre lang hat die Kommission über 500 Studien neu ausgewertet und ist jetzt zu einem klaren Ergebnis gekommen.
"Die Auswertung zeigt: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass eine Zahnfleischentzündung Ursache ist für eine Arteriosklerose. Und die Behandlung einer Parodontitis mindert nicht das Risiko, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden."
Den Herzmediziner Erland Erdmann von der Universitätsklinik Köln hat die Arbeit seiner US-amerikanischen Kollegen überzeugt:
"Ich glaube, es ist so fundiert, wie man heute Wissenschaft korrekt betreiben kann. Man hat alle Publikationen , die dazu in der Weltliteratur vorhanden sind, durchforstet, und man hat sie abgeklopft auf die wissenschaftliche Korrektheit."
Wenn Parodontitis nicht Ursache ist für eine Arteriosklerose und für Herzkreislauferkrankungen - wie konnte dann die Verwirrung entstehen und sich die These so lange halten, dass es einen Zusammenhang gibt?
Einen Grund sieht Peter Lockhart darin, dass es dieselben Faktoren sind, die die Entstehung von Zahnfleischerkrankungen und von Arteriosklerose begünstigen.
"Übergewicht, Rauchen, Alter, die Zuckerkrankheit - all dies sind Risikofaktoren für eine Zahnfleischentzündung und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wenn sie mit dem Rauchen aufhören, hat das günstige Effekte auf beide Krankheiten. Aber diese Krankheiten bestehen unabhängig voneinander sie hängen nicht miteinander zusammen."
Andererseits ist erwiesen, dass aufgrund einer Zahnfleischentzündung Bakterien besser und häufiger in die Blutbahn geraten. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass diese Bakterien akute Herzmuskelentzündungen verursachen können. Bakterien, die in der Mundhöhle siedeln, sind auch in Ablagerungen in arteriosklerotisch veränderten Gefäßen gefunden worden. Könnten diese Bakterien also nicht doch Ursache sein für eine Arteriosklerose? Peter Lockhart kennt das Argument.
"Es gab zunächst Studien, die tatsächlich zeigten, dass sich verschiedene Antibiotika günstig auswirken auf den Verlauf einer Arteriosklerose. Aber sobald der Ansatz in größeren Studien ausprobiert wurde, waren keine günstigen Effekte mehr zu sehen."
Welche Schlüsse lassen sich aus der Studie ziehen? Einer ganz bestimmt: Zahnbürste und Zahnseide sind nach wie vor nützlich, betont Erdmann:
"Es ist wichtig, dass Menschen ihre Zähne behalten, das ist ein Teil unserer Lebensfreude. Und insofern müssen wir zu allen Menschen sagen: Bleibt dabei, putzt eure Zähne, das macht ihr schon ganz richtig."
Erland Erdmann zieht noch einen weiteren Schluss: Strategien gegen Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall sollten sich darauf konzentrieren, bekannte und erwiesene Risiken auszuschalten.
"Bewiesen ist, dass Leute die rauchen, die einen hohen Blutdruck haben, die eine Zuckerkrankheit haben, die Übergewicht haben, die sich wenig bewegen, die hohe Blutfettwerte haben, dass die ein doppelt, drei- vierfach so hohes Risiko eingegangen sind, eines Tages einen Herzinfarkt oder eine Arteriosklerose zu kriegen. Das ist bewiesen. Alles andere ist fragwürdig."