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Freispruch für die Sonne

Umwelt. - Der Weltklimarat IPCC bescheinigt dem Menschen einen wichtigen Anteil an der atmosphärischen Erwärmung. Doch auch andere Faktoren spielen dabei eine Rolle, darunter die Aktivität unseres Zentralgestirns. Eine Tagung bei Bonn erörterte, wie sehr die Sonne das Treibhaus Erde befeuert.

Von Jan Lublinski | 21.05.2007
    Nir Shaviv von der Hebräischen Universität Jerusalem ist das, was man einen umstrittenen Wissenschaftler nennt. Er vertritt eine Außenseiterposition.

    "Nach meinen Abschätzungen ist die Sonne für zwei Drittel der Erderwärmung im 20. Jahrhundert verantwortlich, der Rest kommt von den Menschen."

    Shaviv ist der Ansicht, dass der größte Teil der Erwärmung von geladenen Teilchen ausgelöst wird. Diese fliegen von der Sonne in die Erdatmosphäre und tragen dort zu einer vermehrten Wolkenbildung bei, was wiederum zu einer Erhöhung der globalen Temperatur führt. - Ein Szenario, das dänische Wissenschaftler schon seit längerem diskutieren. Einen handfesten Beweis haben sie bislang jedoch nicht liefern können - Was Shaviv nicht davon abhält, den Weltklimarat IPCC zu kritisieren.

    "Der Weltklimarat versucht alle Erklärungen zu diskreditieren, die auf natürliche Ursachen des Klimawandels hinweisen. Weil das seiner Hauptaussage widerspricht, nämlich, das wir Menschen die Verursacher des Klimawandels sind."

    Mit solchen Aussagen begibt sich Shaviv zumindest in die Nähe der Lobbyisten der amerikanischen Gas- und Erdölindustrie. Diese so genannten Klima-Skeptiker versuchen, Verwirrung in der Öffentlichkeit zu stiften. Ihnen geht es darum, den Kyotovertrag, als eine überflüssige Veranstaltung darzustellen.

    "Das ist immer schon passiert, dass die Physik, in Anführungsstrichen, "gebracht" oder gar "missbraucht" wurde."

    Horst Fichtner vom Lehrstuhl für Theoretische Physik IV der Universität Bochum.

    "Aber sie werden bei genauerem Hinschauen keine Übereinstimmung mit der derzeitigen Datenlage finden, für solche starken Aussagen."

    Die so genannten Klimaskeptiker verweisen gerne darauf, dass sich in den Datenanalysen über viele Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg durchaus ein Zusammenhang herstellen lässt – zwischen der Sonnenaktivität einerseits und der globalen Temperatur andererseits. Auch spielt der Weg der Sonne durch die Galaxis eine Rolle, auf sehr langen Zeitskalen. - Das alles ist zwar richtig, aber: Die Sonnen- und Weltraumforscher suchen nach wie vor nach physikalischen Erklärungen von diese bislang rein statistischen Zusammenhänge. Bescheidenheit ist also angesagt:

    "Wir greifen ja noch nicht einmal in diese Modelle oder Untersuchungen ein, die wirklich für das Klima gemacht werden. Wir bieten nur an, dass es einen oder mehrere zusätzliche Parameter extraterrestrischer Natur gibt, die man berücksichtigen sollte."

    Doch diese Parameter spielen spätestens seit den 70er Jahren keine Rolle mehr für das Klima. Das Treibhausgas Kohlendioxid ist der entscheidende Faktor geworden. Zu diesem Schluss kommt Natalie Krivova in einer neuen Fachpublikation. Sie arbeitet am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau.

    "Wir sind uns sicher, dass wir auf der Grundlage von neuen Messungen sehr genau verstehen, wie sich die Energie verändert hat, die von der Sonne auf die Erde kommt. Darum können wir nun auch weiter zurückgehen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts und insgesamt die Energieeinstrahlung von der Sonne mit der Temperatur der Erde vergleichen. Und dann sehen wir, dass sich in jüngster Zeit etwas verändert hat: Die Sonne kann nicht mehr verantwortlich sein für den Anstieg der Erdtemperatur seit 1970."

    Diese Erkenntnis hat eine klare Trennung der beiden Forschungsgebiete zur Folge: Die Sonnenphysiker können etwas darüber sagen, wie die Sonne das Klima auf der Erde in der Vergangenheit beeinflusst hat, in sehr langen Zeiträumen, vor dem Einsetzen der industriellen Revolution. Und es sind die Klimaforscher, die Auskunft geben können über die Gegenwart und Zukunft des Planeten.