Archiv


Freispruch im Journalistenprozess

Ist Verdachtsberichterstattung strafbar? Zwei Journalisten aus Leipzig hatten im sogenannten Sachsensumpf recherchiert – auch Politiker und hochrangige Justizbeamte sollten in die Affäre verwickelt sein. Für ihre Berichterstattung über das Kinderbordell "Jasmin" und deren vermutliche Freier mussten sie sich in Dresden vor Gericht verantworten.

Von Jens Falkowski |
    Vor über vier Jahren begannen die Strafverfahren, damals auch gegen den Spiegel-Autor Steffen Winter. Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld eingestellt. Dafür zahlte der Spiegel 6500 Euro Strafe und nahm eine Korrektur am Artikel vor. Doch für die freien Autoren war es kein Schutz, wie sich Thomas Datt erinnert.

    "Speziell für die Juristen des Spiegel war das wahrscheinlich eine relativ ungewöhnliche Erfahrung, dass ein Mitarbeiter ihres Hauses mit Strafrecht bedroht wird für einen Artikel, der den normalen Regeln der Verdachtsberichtserstattung entsprach. Ich glaube man wollte den Druck erst einmal abwenden und hat vielleicht die Hartnäckigkeit der Staatsanwaltschaft – Verbissenheit der Staatsanwaltschaft unterschätzt."

    Trotz dieses Versuches landete das Verfahren vor dem Dresdner Amtsgericht. Dabei wurden die beiden Autoren von ihren Auftraggebern "Spiegel" und "Zeit Online" unterstützt. Sie zahlten die Anwaltskosten. Auch der Mitteldeutsche Rundfunk hielt weiter an den beiden Journalisten fest. Trotzdem waren die vergangenen viereinhalb Jahren für Thomas Datt eine schwere Zeit.

    "Wir haben viel Zeit und Konzentration verloren, weil wir uns natürlich auf diesen Prozess vorbereiten mussten. Dass heißt wir haben wesentlich weniger arbeiten können als wir eigentlich wollten. Wir sind von dem Thema über mehrere Jahre weg gehalten worden. Insofern haben wir unterm Strich zwar gewonnen aber wir haben natürlich zwischendurch auch kräftig eingebüßt, in jeder Hinsicht."

    Auch wenn der Prozess gegen die beiden Journalisten mit einem Freispruch geendet hat, so stehen gleichzeitig die beiden Zeuginnen, die im Kinderbordell "Jasmin" anschaffen mussten, weiter vor Gericht. Nach der Konfrontation mit ihrem ehemaligen Zuhälter waren beide Frauen zusammengebrochen. Für Arndt Ginzel ein schwieriges Verfahren.

    "Die Vorstellung, dass alles noch mal von vorn beginnt, ist schon gruselig. Aber die Frauen wollen diese Verfahren durchziehen. Die Frauen wollen einen Freispruch, genauso wie wir einen Freispruch bekommen haben. Sie wollen rehabilitiert werden auf diese Weise. Sie fühlen sich durch den Begriff 'Prostituierte' verleumdet, der sich durch sämtliche staatsanwaltschaftlichen Akten zieht."

    Steffen Grimberg von Netzwerk Recherche hat den Prozess der beiden Journalisten begleitet. Er hofft auf eine Signalwirkung für die sächsische Justiz und damit auch auf das Verfahren der Frauen.

    "Dass man mit diesem sehr, sehr harten Vorgehen gegen Journalisten, gegen die freie Presse auch gegen Opfer, wie diese ehemaligen Zwangsprostituierten keinen Blumentopf gewinnen kann. Sondern dass das eigentlich von außen betrachtet schon fast danach aussieht, als hätte die sächsische Justiz da etwas zu verbergen, weil sie eben so drakonisch gegen Menschen vorgeht, die eigentlich nur die Wahrheit, wie sie sich ihnen darstellt aus persönlichen Erleben oder investigativen Recherchen sagen möchten."

    Für die beiden Journalisten ergaben die Verfahren aber auch einen Erkenntnisgewinn. So erhielten sie durch die Prozessakten einen tiefen Einblick in die Arbeit der Staatsanwaltschaft.

    Arndt Ginzel: "Die Kritik an der Staatsanwaltschaft beispielsweise würde heute viel weitaus schärfer ausfallen. Weil wir jetzt natürlich sehen, dass die ganz systematisch daran gearbeitet haben die Aussagen der Frauen für unglaubhaft zu erklären. Das sie da Widersprüche konstruiert haben. Insofern war das schon extrem lehrreich für uns. Jeden Tag den man dort gesessen hat war eine Art Studienzeit für uns, wo man vieles gelernt hat und erfahren hat über die Mechanismen und das Funktionieren dieses Justizapparates."

    Ob das Urteil rechtskräftig wird entscheidet sich in der kommenden Woche. Bis dahin prüft die Staatsanwaltschaft, ob sie Revision einlegen wird.

    Außerdem sah es das Gericht als erwiesen an, dass die beiden Journalisten alle Regeln der Verdachtsberichterstattung eingehalten haben und die Artikel durch die Redaktion und von Fachjuristen geprüft wurden. Zudem stammt der Artikel im Nachrichtenmagazin Spiegel von einem festen Autor. Die beiden Journalisten arbeiteten lediglich zu.