Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Freisprüche auf dem Prüfstand

Ausgerechnet Mannesmann, das einzige deutsche Unternehmen, das einen perfekt gelungenen Strukturwandel von Kohle und Stahl zum neuen Markt der Kommunikationstechnologie hinter sich gebracht hatte, verschwand im 110. Jahr seiner Existenz von der Namensliste der ganz Großen. Noch nie vorher und auch nicht danach hatte eine in der Sache weitgehend unbeleckte Öffentlichkeit so intensiven Anteil an den dramatischen Wochen des Ringens zwischen Mannesmann und Vodafone. Die so genannte "Übernahmeschlacht" gehört zu den spannendsten Kapiteln der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Von Gudula Geuther, Brigitte Scholtes und Volker Wagener | 25.10.2006
    Mark Binz schaut mit einer gewissen Befriedigung auf "die unendliche Geschichte Mannesmann". Die 14. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Düsseldorf hatte im Juli 2004 alle sechs Angeklagten mit Freisprüchen aus dem Gerichtssaal entlassen. Darunter Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der ehemalige erste Mannesmann Klaus Esser und der frühere IG-Metall-Vorsitzende Zwickel. Der Wirtschaftsanwalt Mark Binz aus Stuttgart glaubt daran, dass die "Causa Mannesmann" in Politik und Wirtschaft Spuren hinterlassen hat.

    "Mannesmann steht in Deutschland inzwischen als Synonym für einen deutlichen Bewusstseinswandel. Auch Vorstands- und Aufsichtsratsentscheidungen sind juristisch überprüfbar und können im Ernstfall auch strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen."

    "Mannesmann wirkt nach", ist sich auch Wolfgang Gehrke sicher. "Ich glaube, das bleibt im Hinterkopf", meint der Wirtschaftsprofessor von der Universität Erlangen.

    Tatsächlich haben Politik und Wirtschaft Konsequenzen gezogen. Eine Regierungskommission unter der Leitung von ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme verabschiedete Anfang 2002 den "Deutschen Corporate Governance Kodex", in dem Standards für die gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung festgeschrieben wurden. Über die Vergütungen von Managern wurde allerdings nur festgelegt, dass sie "in angemessener Höhe" zu liegen haben.

    Durchgesetzt - zum Teil gegen den Widerstand zahlreicher Großkonzerne - wurde auch die Veröffentlichungspflicht der Managergehälter im Geschäftsbericht. Und auch für zukünftige Übernahmeszenarien gab die Politik der Wirtschaft Handlungsmaßstäbe an die Hand. Vorstände haben sich in jedem Fall neutral zu verhalten, und Abwehrmaßnahmen müssen vorher von der Hauptversammlung abgesegnet werden.

    Der BBC-Originalton nach der Vodafone-Übernahme am 4. Februar 2000:

    "At the Düsseldorf headquarters Mannesmann now exactly know, that now the big decisions will be taken in a quiered english town..."

    Ein Konzern schluckt einen Konzern. Ein Naturgesetz im Turbokapitalismus, doch die Emotionen kochen über. Ausgerechnet Mannesmann, das einzige deutsche Unternehmen, das einen perfekt gelungenen Strukturwandel von Kohle und Stahl zum neuen Markt der Kommunikationstechnologie hinter sich gebracht hatte, verschwand im 110. Jahr seiner Existenz von der Namensliste der ganz Großen. Noch nie vorher und auch nicht danach hatte eine in der Sache weitgehend unbeleckte Öffentlichkeit so intensiven Anteil an den dramatischen Wochen des Ringens zwischen Mannesmann und Vodafone. Die so genannte "Übernahmeschlacht" gehört zu den spannendsten Kapiteln der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

    18. Oktober 1999: Mannesmann kauft das britische Mobilfunkunternehmen Orange. Klaus Esser, der Mannesmann-Chef, ist damit einer Vodafone-Übernahme zuvor gekommen.

    November 1999: Im Mannesmann-Hochhaus wird das "Projekt Friedland" wiederbelebt. Eine Initiative zur Abwehr feindlicher Übernahmen, die schon gegen die Thyssen AG erfolgreich war. Die Briten bieten und Esser lehnt am 18. November ab.

    "Wir haben dem Aufsichtsrat die Pluspunkte und die Minuspunkte einer Zusammenarbeit erläutert. Wir haben über die verschiedenen strategischen Gesichtspunkte gesprochen, die zu berücksichtigen sind. Mannesmann ist ein europäisches Telekommunikationsunternehmen. Unser strategisches Ziel ist der Focus Europa."

    6. Dezember 1999: Dietmar Droste, leitender Mannesmann-Angestellter für das Vertragswesen der Spitzenmanager, verfasst ein Papier mit dem Titel: "Schutzmaßnahmen für den Fall eines Change of Controll". Die Führungsriege von Mannesmann soll finanziell abgesichert werden.

    Januar 2000: Die Übernahmeschlacht in vollem Gange. Am 16. des Monats beschließt der vierköpfige Aufsichtsratsausschuss für Vorstandsangelegenheiten, Esser und andere Manager im Falle des Erfolgs großzügig zu belohnen. Neben Josef Ackermann sitzt Klaus Zwickel der frühere IG-Metall-Chef in diesem Gremium. Ebenso Joachim Funk, der Vorgänger Klaus Essers und Jürgen Ladberg, der Betriebsratsvorsitzende.

    30. Januar 2000: Chris Gent droht den Deutschen mit der feindlichen Übernahme, falls sein Angebot nicht angenommen werde. Am gleichen Tag verkündet der französische Mischkonzern Vivendi die Fusion mit Vodafone. Um das französische Unternehmen hatte sich Esser monatelang bemüht. Die Vorentscheidung war gefallen.

    31. Januar 2000: Esser sieht keine Chancen mehr. Auch der chinesische Großaktionär bei Mannesmann, Hutchison Whampoa, drängt zur Annahme des britischen Angebots.

    1. Februar 2000: Esser und Gent treffen sich im Düsseldorfer Industrieclub. Der Finanzdienstleister Morgan Stanley signalisiert Mannesmann, dass es nicht mehr gewinnen kann.

    2. Februar 2000: Canning Fok, Vertreter von Hutchison Whampoa spricht mit Klaus Esser und rät zu einer freundlichen Übernahme. Der Mannesmann-Aktienkurs liegt mittlerweile bei 128 Prozent Plus. Der Journalist Hans Leyendecker.

    "Man sieht an diesem Fall auch, was in dieser Welt verdient werden kann. Chinesische Großaktionäre, die an vielen Unternehmen Pakete hatten, haben an diesem Deal dann, weil er dann so ablief, dass Mannesmann von Vodafone geschluckt wurde, Milliarden, einen zweistelligen Milliardenbetrag verdient, und das in einer Zeit von ein paar Monaten."

    3. Februar 2000: Chris Gent darf zum ersten Mal die Mannesmann-Zentrale betreten. Um 23 Uhr stellen sich Gent und Esser den Journalisten. Gent sagt: "Klaus und ich, wir beide sind Gewinner!"

    Klaus Zwickel, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, glaubt zunächst, so berichtet er später, Vodafone zahle die Millionen an die Spitzen-Manager. Das wiederum wäre für ihn kein Problem gewesen. Erst als herauskommt, dass der mächtige Gewerkschaftsboss nicht gegen die Prämien gestimmt hat, zeigt er sich in Maßen reuig. Denn da ist längst klar: Mannesmann-Vermögen wurde geschröpft.

    "Und in der damaligen Situation habe ich es so bewertet, in meiner ersten Reaktion zu sagen: Wir sind nicht die Urheber; ich nehme das zur Kenntnis; ich beteilige mich sozusagen nicht aktiv und habe dann in der weiteren, sozusagen unter der rechtlichen Würdigung der Protokolle gesagt, ich enthalte mich der Stimme. Und wie sich erwiesen hat, wäre es besser gewesen, eindeutig zu sagen: Weg mit dem Ding! und Nein! zu sagen."

    Auch Josef Ackermann, der weltläufige Profi, will Entscheidendes nicht gewusst haben. Zum Beispiel, dass über die Vergütung von Aufsichtsräten in Deutschland nur die Hauptversammlung beschließen darf. Doch der Schweizer in Frankfurter Diensten orientiert sein Handeln eher an internationalen Standards denn an deutschen Regeln.

    "Die besten Leute der Welt und übrigens auch die besten deutschen Talente kommen natürlich nicht zu uns, wenn wir nicht so bezahlen wie Goldmann Sachs, Morgan Stanley und Merril Lynch. Und das muss man einfach ganz genau wissen."

    Dass der Deal mit den Prämien und Boni nicht ganz nach Spielregeln gelaufen war, dämmert den Beteiligten im Laufe des Februar 2000. Die Millionenzahlungen müssen vor der offiziellen Übernahme über die Bühne gehen. Für ordnungsgemäße Abläufe ist da offensichtlich keine Zeit mehr. Schon am 16. Februar fließen über 16 Millionen Mark über das Mannesmann-Gehaltssystem an Vorstandsmitglieder. Einen Beschluss darüber gibt es noch gar nicht. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG moniert das schon am 18. des Monats.

    Es kommt schlimmer: Im Nachhinein wird ein wahrheitswidriges Protokoll angefertigt, um der Transaktion den Anstrich der Rechtmäßigkeit zu verleihen. Die Unterschrift von Klaus Zwickel wird erst später eingeholt. Als der letzte Namenszug unter dem Dokument steht, weist das Kalenderblatt den 28. Februar aus. Alle Manager haben zu diesem Zeitpunkt das Geld längst auf ihren Konten.

    Die entscheidende Frage ist: Ging es bei der Hals-Über-Kopf-Aktion um Anerkennungsprämien? - Wenn ja, dann hätten alle Beteiligten Zeit genug gehabt für ein ordnungsgemäßes Verfahren, sind sich Fachleute sicher. Kritiker, wie der Stuttgarter Anwalt Martin Sorg, sehen in dem übereilten Geldfluss in Wirklichkeit ein Indiz dafür, dass hier Belohnungen für die freundliche Übernahme geflossen sind.

    "Es war ja gar kein Sonderbonus im eigentlichen Sinne, sondern es war in Wahrheit eine Zahlung für eine ganz andere Sache, nämlich für die Meinungsänderung von Dr. Esser bei dem Übernahmekampf."

    Martin Sorg, der zusammen mit seinem Partner Mark Binz per Strafanzeige den "Fall Mannesmann" erst ins Rollen gebracht hatte, geht sogar noch weiter. Für ihn ist der Geldsegen von langer Hand geplant gewesen. Die Rolle von Joachim Funk in dem großen Poker scheint das zu bestätigen. Der Vorgänger von Klaus Esser gilt als Drahtzieher beim großen Monopoly. Funk befürchtete wohl mit dem Ende der Ära Mannesmann auch das Aus für die lukrativen Altersversorgungen der ehemaligen Manager. Also sucht er nach einem Grund für eine Abfindungsregelung in eigener Sache.

    Gleich in Serie aktiviert er Pensionäre, Witwen und Kinder schon verstorbener ehemaliger Vorstandskollegen. Sie alle sollen Forderungen stellen und tun dies auch. 61 Millionen DM werden an 18 Ruheständler und deren Nachfahren ausgeschüttet. Selbst Klaus Esser missfällt Joachim Funks Vorgehen.

    Tatsächlich unterscheidet sich das Urteil aus Karlsruhe in der rechtlichen Wertung nur in wenigen Punkten von der des Landgerichts – das allerdings mit möglicherweise entscheidenden Konsequenzen.

    Im Wesentlichen kritisieren die BGH-Richter nur zwei konkrete Punkte: Erstens: Wenn der äußere Ablauf so war wie vom Landgericht festgestellt, dann lag objektiv eine Untreue vor. Das Landgericht hatte das deshalb verneint, weil die Richter dort eine "gravierende Pflichtverletzung" für nötig hielten, die sie nicht feststellen konnten. Das mussten sie auch nicht, sagt dagegen der BGH: eine solche Voraussetzung für die Verurteilung gibt es nicht. Und zweitens: Ob die Angeklagten wussten, was sie taten, ist offen. Zumindest das, was an Tatsachen im Urteil des Landgerichts steht, reicht nicht, um zu belegen, dass sie die Prämien und Pensionszusagen für erlaubt hielten.

    Einig sind sich die Bundesrichter dagegen mit ihren Kollegen in der Bewertung, die den größten Teil beider Urteile ausmacht: Die immensen Prämien brachten Mannesmann keinerlei Vorteile, sie hätten deshalb auch nicht gezahlt werden dürfen. Im Karlsruher Gerichtssaal fasste Bundesanwalt Gerhard Altvater die Argumente des Senats so zusammen:

    "Er hat in den Vordergrund gestellt, dass hier eine Zahlung erbracht wurde, die für das Unternehmen im Ergebnis keinen Nutzen mehr gebracht hat - auch keinen Nutzen mehr bringen konnte, weil die Zahlungen von einer Gesellschaft entrichtet wurden, die praktisch schon auf dem Totenbett lag. Die sich durch diese Zahlungen eigentlich nur noch eine Entreicherung, aber keinen Nutzen mehr versprechen konnte."

    Das ist wichtig, weil der Untreue-Paragraph ahnden soll, wenn der Täter mit Vermögen, das ihm anvertraut ist, nicht verantwortungsvoll umgeht.

    Im Nachhinein eine Prämie auszuzahlen, die nicht im Vertrag stand und die Mannesmann auch keinerlei Vorteil mehr bringen konnte, verletzt diese Pflicht, so das Landgericht. Mit deutlicher Schärfe hat es alle Gegenargumente der Verteidigung verneint. Etwa das, die Vorstände hätten mehr geleistet als nach dem Vertrag verlangt: also hätten sie auch mehr bekommen können. Zu den Folgen der Übernahme für Esser heißt es etwa:

    "Ein Interesse der Mannesmann AG an einer über die bereits vereinbarte Vergütung hinausgehende Anerkennungsprämie für den Vollzug beziehungsweise die ‚positive Begleitung’ dieser Integration durch den Angeklagten Dr. E. bis zu seinem Ausscheiden bestand nicht. Bereits auf der Grundlage seines Dienstvertrages gehörte die Erfüllung dieser Aufgabe zu seinen Pflichten. Hierfür erhielt er auch die vereinbarte Vergütung."

    Mit hörbarem Unmut formuliert die Kammer:

    "Nicht ausreichend … ist eine bloß ungewöhnliche oder nur konkret nicht vorhersehbare Situation, denn deren Meistern wird selbstverständlich von jedem Vorstandsmitglied erwartet. Deshalb sind Vorstände angestellt."

    Trotzdem hätte die Prämie Mannesmann theoretisch noch etwas bringen können, etwa um die Vorstände zu motivieren. Was sich hier allerdings durch deren Ausscheiden erledigt hatte. Oder - auch das hält der Bundesgerichtshof in gewissen Grenzen für möglich - als Anreiz für die noch weiter in der Aktiengesellschaft Tätigen. Aber das komme - wegen der Übernahme von Mannesmann - als Argument nicht mehr in Betracht. Ebenso wenig wie der Börsenwert, denn der war schon vor der Prämienzahlung gestiegen. Und angesichts der Auseinandersetzung um die Prämien fahren die Bundesrichter lakonisch fort:

    "Auch das Ansehen der Mannesmann AG in der Öffentlichkeit wurde durch die Anerkennungsprämien nicht gefördert."

    Wirtschaftlich betrachtet könnte freilich zu Gunsten des Aufsichtsrates sprechen, dass Vodafone als Übernehmerin mit den Sonderzahlungen einverstanden war. Was die BGH-Richter nicht gelten lassen. Sie verweisen auf den zeitlichen Ablauf: Weder alle Aktionäre noch die Hauptversammlung von Mannesmann hätten zugestimmt. Vodafone selbst aber habe bei seiner Zustimmung weniger als zehn Prozent der Aktien gehalten. Zur Zeit der Auszahlung Ende März sei Vodafone trotz 98,66 Prozent nur Mehrheitsaktionärin gewesen. Für das neue Verfahren geben die Richter den Hinweis: Für den Schuldspruch hat das Einverständnis keine Bedeutung.

    Das Fazit beider Gerichte: Auch ein allgemein anerkannter Ermessensspielraum des Aufsichtsrates hilft hier nicht weiter. Denn der greift nur, wo Handlungsspielraum besteht.

    So weit die Einigkeit. Dass das Landgericht den objektiven Tatbestand der Untreue trotzdem verneinte, lag an dem Merkmal der "gravierenden Pflichtverletzung". Bei einer guten Ertrags- und Vermögenslage von Mannesmann sei über die Prämien offen und transparent entschieden worden. Vor allem habe das Gericht nicht feststellen können, dass die Prämie der Preis für Essers Einverständnis für die Übernahme sein sollte.

    Im neuen Düsseldorfer Verfahren muss die Kammer die Frage, wie die Prämienzusage zustande kam, noch einmal aufrollen. Die Berücksichtigung einer gravierenden Pflichtverletzung halten die BGH-Richter gar nicht für nötig. Eine solche Hürde gebe es nicht. Der einzige beim BGH anwesende Angeklagte Klaus Esser gab im Gerichtssaal die Linie vor:

    "Ich bin mir sicher, dass es in der anstehenden Hauptverhandlung gelingen wird, zu klären, dass ein solcher Vorteil da war. Und dass der Bonus, den der Aufsichtsrat gewährt hat - unter anderem mir -, dass dieser Bonus allein dazu diente, diesen Vorteil, den das Unternehmen erhalten hatte, zu vergüten."

    Demnach gelte es also zu widerlegen, wovon das Landgericht ausgegangen war: dass die Prämien für Mannesmann ohne Wert waren.

    Mit Spannung wird die Antwort auf die Frage des Vorsatzes erwartet. Im Urteil der ersten Instanz spielte das noch keine Rolle. Denn das Gericht war ohnehin nicht von Untreue ausgegangen. Die Bundesrichter kritisieren, das Landgericht habe schlicht übernommen, was Ackermann und Zwickel gesagt hätten: Nämlich dass sie glaubten, sie hätten die Prämien bewilligen dürfen.

    "Die Strafkammer hat [Anm. d. Red.] eine Vielzahl von Indizien nicht in die Beweiswürdigung einbezogen, die - zumindest in ihrer Gesamtheit - Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten, dass ihnen die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bewusst, jedenfalls die Rechtmäßigkeit ihres Handelns, gleichgültig war."

    Für das kommende Verfahren geben die Richter Hinweise, nach denen ein rechtlich relevanter Irrtum schwer zu begründen sein wird: Demnach werden die Richter werten müssen, was die Angeklagten wussten.

    "Josef Ackermann - der letzte Star auf der Anklagebank"

    Josef Ackermann spielt bei der Neuauflage des Mannesmann-Prozesses eine besondere Rolle: Er ist der einzig noch aktive Manager, hat also auch am meisten zu verlieren, im schlimmsten Fall seinen Job als Vorstandschef der Deutschen Bank. Denn am Rande der Jahrespressekonferenz Anfang Februar hatte er angekündigt, dass er bei einer "rechtskräftigen Verurteilung" zurücktreten werde - und er hatte ebenso klargestellt, dass er dann ohne Abfindung gehen wolle:

    "Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht Geld will, wenn keine Leistung da ist. Selbstverständlich habe ich einen Brief an den Aufsichtsrat gesandt und gesagt: ‚Wenn ich wegen Mannesmann zurücktrete, bekomme ich keinen Cent’."

    Dem Düsseldorfer Landgericht muss er seine grundsätzlich honorige Einstellung aber nochmals klarmachen. Denn die Abfindungen für andere Manager hatte er ja bei der Mannesmann-Übernahme offenbar für korrekt gehalten und entsprechend auch schon im ersten Verfahren argumentiert. Das dürfte auch jetzt so bleiben, meint Klaus Nieding von der DSW, der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz:

    "Er muss versuchen dem Gericht darzulegen, dass er in der damaligen Situation alles getan hat, um sich ordnungsgemäß rückzuversichern, dass diese Abfindungen - wie sie gezahlt werden - rechtmäßig sind. Von daher wird er seine bisherige Verteidigungsstrategie sicherlich beibehalten, darauf hinzuweisen, dass man ja einige Rechtsgutachten eingeholt hat und dann entsprechend verfahren hat."

    Die Deutsche Bank selbst spielt die Bedeutung des Verfahrens herunter, und nicht nur sie: Die Finanzwelt in Frankfurt ist nicht in Aufruhr, weil Ackermann jetzt wieder an 26 Verhandlungstagen in Düsseldorf auf der Anklagebank sitzt. Da sei der erste Prozess belastender gewesen, hört man. Doch damals hatte die Bank bewiesen, dass sie auch mit dieser Schwierigkeit klarkommen konnte.

    Die Deutsche Bank steht geschäftlich derzeit glänzend da: Im zweiten Quartal dieses Jahres stieg der Vorsteuergewinn auf 1,9 Milliarden Euro. Das ist zum großen Teil Ackermanns Verdienst. Er selbst spielt seinen eigenen Einfluss als Chef des größten deutschen Geldhauses aber gern herunter:

    "Wir sind ein Team. Über Macht und Stimmen und was weiß ich sprechen wir eigentlich nicht. Wenn wir nicht im Team auf einer Linie denken und handeln, dann haben sie sowieso keine gute Führung."

    Auch wenn die Deutsche Bank häufig als Bank Ackermanns dargestellt wird: Die Frontfigur ist inzwischen tatsächlich ersetzbar. Wenn ein rechtskräftiges Urteil noch vor Ende 2010, also dem Ende des laufenden Vertrages, gefällt werden sollte - und so unwahrscheinlich ist das nicht - und Ackermann für schuldig befunden werden sollte, dann wird der Schweizer gehen.