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Freistaat first
Markus Söder will Bayern noch bayerischer machen

Bayern-BAMF, Bayernheim, bayerisches Pflegegeld und bayerische Eigenheimzulage: Markus Söder arbeitet sich schwer am Heimatgefühl ab. Als Nachfolger von Horst Seehofer im Amt des Ministerpräsidenten will und muss er liefern: Bis zur Landtagswahl im Oktober soll das Landesvater-Image perfekt sein.

Von Barbara Roth | 15.03.2018
    Markus Söder (CSU) hält nach seiner Rede einen Bierkrug in die Höhe.
    Bei der Landtagswahl muss Markus Söder für die CSU liefern (dpa/Sven Hoppe)
    "Keine Angst, liebe Bürgerinnen und Bürger, alles unter Kontrolle. Ich bin es. Bitte, bitte, bitte, jetzt keinen Personenkult. Das ist eine Frage des Respekts den anderen gegenüber. Das wäre gar nicht der Stil von …"
    Großes Gelächter im Publikum.
    Eine Szene aus dem Singspiel auf dem Münchner Nockherberg. Einmal im Jahr werden Politiker in Bayern "derbleckt". Das heißt, Kabarettisten lesen ihnen bissig-witzig die Leviten. "El Marco" – Markus Söder sitzt in der ersten Reihe am Ehrentisch. Auch Horst Seehofer hat dort Platz genommen. Respekt, kein Personenkult, nicht sein Stil … Das Publikum im Saal johlt laut auf. In Bayern versteht man die Ironie dahinter. Und die hat – so die Kabarettistin Luise Kinseher – mit Söders Wandlung zu tun.
    "Unser Markus. Wie er langsam zum Ministerpräsidenten mutiert. Die angegrauten Schläfen, das milde Lächeln, der gütige Blick, leichtes Übergewicht. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden wir ihn drollig finden. Schau, wie er da schaut, der Markus." Gelächter.
    Jüngster bayerischer Ministerpräsident
    51 Jahre ist Söder alt, der jüngste bayerische Ministerpräsident aller Zeiten. In die Fußstapfen seiner großen Vorbilder Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber will er treten. Dafür hat er jahrelang verbissen geackert, Strippen gezogen, sich Mehrheiten verschafft und in Talkshows provoziert.
    "Das ist ein Phänomen: Wenn Sie in Hamburg, in Köln, in Berlin, wo auch immer den Namen Söder fallen lassen, dann provozieren Sie sofort eine Reaktion: Die einen sagen, endlich wieder ein aufrechter Konservativer. Die anderen sagen, um Gotteswillen!"
    Uwe Ritzer ist Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung". Mit einem Kollegen schreibt er ein Buch über Markus Söder. Eine Biografie, die Anfang April erscheint.
    "Ich erwarte mir von ihm einen Managementstil. Er ist einer, der ein Problem hat, und dieses Problem muss gelöst werden. Punkt. Markus Söder ist kein großer Visionär. Er will seine Klientel, das bürgerlich-konservative Klientel, möglichst ideal bedienen."
    Bayern, Bayern und nochmals Bayern
    Bedienen mit einem Zehnpunkteplan. In Söders eineinhalb Seiten starkem Papier fällt das Wort Bayern gefühlt mindestens 50 Mal.
    "Wir kümmern uns um Bayern, wir kümmern uns um das Land, wir kümmern uns um die Landespolitik. Wichtig ist: Bayern geht es besser als allen anderen. Aber nicht allen geht es gleich gut in Bayern."
    Anstecknadeln auf einem Trachtenhut aufgenommen am 29.01.2015 in München (Bayern).
    Zehnpunkteplan: In Söders eineinhalb Seiten starkem Papier fällt das Wort Bayern gefühlt mindestens 50 Mal (picture-alliance/ dpa/Ursula Düren)
    Klingt verdächtig nach Landesvater. Markus Söder übt sich noch in der neuen Rolle. Bei "Söder privat" - eine Art Talkshow, mit der er derzeit durch den Freistaat tingelt - plaudert er über die einfachen Verhältnisse, aus denen auch er stammt. Er kenne die Sorgen der Menschen, sagt er. Er wolle sich dieser Sorgen annehmen. Und mehr für die Betreuung von Kindern bis zum 10. Lebensjahr, für Familien und die Pflege alter Menschen tun.
    "Wir werden ein bayerisches Pflegegeld auf den Weg bringen. Es hat das Ziel, dort, wo der Hauptteil der Pflege stattfindet, nämlich in der Familie die Angehörigen zu unterstützen. Wir betrachten es als eine sehr christlich-soziale Stärkung, wenn der Familie zuhause gepflegt wird."
    Bayerisches Pflegegeld, bayerische Eigenheimzulage, WLAN in allen bayerischen Bussen, einen bayernweit einheitlichen Tarif für den Öffentlichen Nahverkehr … An Ideen für ein wohliges bayerisches Heimatgefühl mangelt es dem künftigen Ministerpräsidenten nicht. Auch "Bayernheim", eine bayerische Wohnungsbaugesellschaft, will er gründen.
    "Die soll Wohnungen bauen nicht nur für Staatsbedienstete. Sondern auch für soziale Berufe, für Pflegeberufe, für Leute, die in den Ballungsräumen mit normalen Einkommen sehr schwer tun, eine Wohnung zu finden."
    "Er mimt den Kümmerer und zieht die Heimatkarte. Manches ist auch Symbolpolitik. Aber das versteht man natürlich am ehesten aus der momentanen Situation der CSU in Bayern heraus. Sie sieht sich schwer angegriffen von rechts, von der AfD. Sie sieht sich im bürgerlichen Lager angegriffen, nicht nur von der FDP, auch von den Freien Wählern."
    Söder drückt aufs Tempo
    Deshalb, sagt Uwe Ritzer, bedient Söder alle: die Bürgerlichen, die Konservativen, die Liberalen. Und auch den Rechtsaußen-Wähler, die bei der Bundestagswahl mit 12,4 Prozent der AfD ihre Stimme gaben, hat er etwas zu bieten: bayerische Grenzpolizei und bayerische Bamf:
    "Wer hier anerkannt ist bei Asyl, dem sollen sich hier alle Lebensperspektiven bieten. Wer nicht anerkannt wird, der muss – dem Rechtsstaat folgend – die Chance haben, in seine Heimat zurückzukehren. Wir wollen an dieser Stelle eine konsequentere Abschiebung erreichen. Deswegen werden wir ein Landesamt für Asyl und Abschiebung gründen. Eine Art Bayern-Bamf."
    Söder drückt aufs Tempo. In der kommenden Woche präsentiert er sein Kabinett. Nach Ostern seine Regierungserklärung – danach tagt der Landtag bis zur Wahl am 14. Oktober nur noch zehn Mal. Es bleibt ihm für den Wahlkampf als CSU-Spitzenkandidat also nur wenig Zeit, seinen 10-Punkte-Plan in konkrete Gesetze zu gießen.
    "Wenn die CSU in Bayern was verloren hat in den letzten zehn Jahren unter Seehofer, dann war das ein konservatives Profil. Und ich glaube, dass Söder diese ganzen Vorschläge Grenzpolizei, bayerisches Bamf, schneller abschieben usw. dazu dient, diese konservative Haltung, dieses bayerische auch verbunden mit dem bayerischen Selbstvertrauen, was ja manchmal auch etwas lustiges hat mir san mir, dass man das alles wieder verbindet und in einen Politikstil mündet."
    Der bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und der bayerische Finanzminister Markus Söder am 16.12.2017 in Nürnberg beim CSU-Parteitag.
    Horst Seehofer und Markus Söder beim CSU-Parteitag (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Burgfriede bis zum Wahltag – und dann?
    Bei der Landtagswahl muss Markus Söder für die CSU liefern. Die Messlatte liegt hoch: Alleinregierung, Verteidigung der absoluten Mehrheit der Sitze. Der nach Berlin abgeschobene Parteichef wird sehr genau darauf achten. Dass sich der bayerische Ministerpräsident und der Bundesinnenminister in der Quere kommen werden, glaubt der Journalist übrigens nicht.
    "Keiner der beiden wird etwas Größeres anzetteln gegen den anderen. Ich glaube, dass die Disziplin bis zur Landtagswahl halten wird."
    Burgfriede bis zum Wahltag also. Was danach kommt, hängt vom Ergebnis ab. Beim Derblecken auf dem Nockherberg sitzen sich Söder und Seehofer übrigens gegenüber, reden aber nicht miteinander. Nur Frau Seehofers versteinerte Miene spricht Bände, als der Bühnen-Söder ein Abschiedslied anstimmt.
    "Sieh' es ein, alter Horst, Du musst jetzt gehen …."