Nicht wissen, was Kopfschmerzen sind oder wie entsetzlich schmerzhaft eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt sein kann, davon träumt eigentlich jeder. Für Patienten, die unter einer sogenannten Kongenitalen Analgesie leiden, ist dieser Traum eine bittere Realität. Sie spüren nichts, wenn sie sich in den Finger schneiden, denn der Schmerzreiz, wird nicht ans Gehirn weitergeleitet. Normale Berührungen können solche Patienten allerdings wahrnehmen. Wie schrecklich die Folgen dieser extrem seltenen Erkrankung sein können, erlebt der Neurologe Nicolas Danziger vom Universitätskrankenhaus La Pitié-Salpêtrière in Paris immer wieder, wenn Patienten mit kongenitaler Analgesie untersucht.
"Bei einigen bemerkt man schon sehr früh in der Kindheit, dass etwas nicht stimmt. Sie verbrennen sich oder erleiden andere Verletzungen, bei denen sie einfach nichts spüren. Manche dieser Kinder fügen sich selbst unfassbare Verletzungen zu. Sie beißen sich selbst die Finger oder die Zunge ab oder stechen sich in die Augen. Für ihre Eltern ist das einfach die Hölle. Es gibt aber auch andere Fälle, bei denen die Krankheit erst im Erwachsenenalter erkannt wird, wenn so jemand beispielsweise einen Knochenbruch erleidet und nichts spürt. Wenn man dann genauer nachfragt, wird schnell klar, dass dieser Patient sein ganzes Leben lang noch keine Schmerzen hatte. So jemand wundert sich über die Klagen der anderen. Er hält sich selbst für völlig normal und die anderen für abnormal."
Der französische Neurologe wollte herausfinden, wie und ob seine Patienten die Schmerzen anderer Menschen nachvollziehen können. Deswegen zeigte er ihnen Bilder von schmerzverzerrten Gesichtern und ließ sie einschätzen wie groß die Schmerzen der gezeigten Person sind. Das gleiche mussten sie tun, als er ihnen Videos zeigte, bei denen Menschen verletzt werden. Bei den kurzen Filmen sind allerdings keine Schreie zu hören oder Gesichter zu erkennen. Danziger:
"Menschen, die selbst keinen Schmerz spüren können, sind sehr gut darin, das Ausmaß der Schmerzen bei anderen am Gesichtsausdruck zu erkennen. Das können sie genauso gut wie jeder andere auch. Wenn man ihnen aber ein Video zeigt, bei dem jemand verletzt wird, ohne dass Schreie zu hören sind oder der Gesichtsausdruck erkennbar wäre, unterschätzen sie den Schmerz stark. Wenn sie beispielsweise sehen, wie jemand sich mit dem Hammer auf den Finger haut, halten sie das für einen sehr kleinen Schmerz."
In einer weiteren Studie testete Nicolas Danziger das allgemeine Einfühlungsvermögen seiner Patienten mit einem psychologischen Fragebogen. Dabei ging es nicht um das Nachempfinden von Schmerzen, sondern eher um Gefühle, wie Trauer oder Freude. Zeigte dieser Test bei einem Patienten ein überdurchschnittlich hohes Einfühlungsvermögen an, dann konnte der Betreffende die Schmerzen in den Videoszenen auch besser einschätzen. Bei völlig gesunden Kontrollpersonen, hatte der Grad ihres Einfühlungsvermögens keinen Einfluss auf ihre Fähigkeit Schmerzen anderer einzuschätzen. Danziger:
"Wenn man ein vor Schmerz verzerrtes Gesicht sieht, dann ist das ein emotionaler Ausdruck von Schmerz, wohingegen der reine Anblick einer Verletzung ohne einen Schrei oder einen Gesichtsausdruck zu hören, eine rein physische Darstellung von Schmerz ist. Das ist für meine Patienten sehr abstrakt. Aber emotionales Leid kennen sie natürlich. Sie haben Verluste oder Trennungen erlitten. Sie wissen wie es ist, traurig zu sein. Wenn sie ähnliche Gefühle in einem Gesicht erkennen, können sie die Schmerzerfahrung von anderen Menschen nachvollziehen."
In einem weiteren Experiment wollte der Neurologe untersuchen, was im Gehirn seiner Patienten passiert, wenn sie Schmerzen anderer wahrnehmen. Gesunde Versuchspersonen spiegeln den abgebildeten Schmerz des anderen in ihrem Gehirn wieder, in dem sie ihre eigenen Schmerznetzwerke aktivieren. Bei den Patienten mit kongenitaler Analgesie waren dagegen Zentren aktiv, die Menschen üblicherweise dann einsetzen, wenn sie geistig die Perspektive wechseln und sich in einen anderen hineinversetzen.
"Dieses Ergebnis zeigt wie wichtig diese mittleren Hirnstrukturen sind, um Erfahrungen anderer Menschen nachvollziehen zu können, auch wenn wir selbst solche Erfahrungen noch nicht gemacht haben."
Und das gilt nicht nur für Patienten mit kongenitaler Analgesie. Schließlich geschieht es häufig, dass wir bei einem anderen Menschen Leid sehen, das wir selbst noch nicht erlebt haben. Jemand hat beispielsweise beide Eltern verloren. Obwohl unsere eigenen Eltern noch leben, können wir verstehen, wie schmerzhaft so ein Verlust sein muss. In solchen Situationen nutzt dann wahrscheinlich jeder Mensch die Hirnstrukturen, die es ihm erlauben, die Perspektive zu wechseln und sich in den anderen hineinzuversetzen.
"Bei einigen bemerkt man schon sehr früh in der Kindheit, dass etwas nicht stimmt. Sie verbrennen sich oder erleiden andere Verletzungen, bei denen sie einfach nichts spüren. Manche dieser Kinder fügen sich selbst unfassbare Verletzungen zu. Sie beißen sich selbst die Finger oder die Zunge ab oder stechen sich in die Augen. Für ihre Eltern ist das einfach die Hölle. Es gibt aber auch andere Fälle, bei denen die Krankheit erst im Erwachsenenalter erkannt wird, wenn so jemand beispielsweise einen Knochenbruch erleidet und nichts spürt. Wenn man dann genauer nachfragt, wird schnell klar, dass dieser Patient sein ganzes Leben lang noch keine Schmerzen hatte. So jemand wundert sich über die Klagen der anderen. Er hält sich selbst für völlig normal und die anderen für abnormal."
Der französische Neurologe wollte herausfinden, wie und ob seine Patienten die Schmerzen anderer Menschen nachvollziehen können. Deswegen zeigte er ihnen Bilder von schmerzverzerrten Gesichtern und ließ sie einschätzen wie groß die Schmerzen der gezeigten Person sind. Das gleiche mussten sie tun, als er ihnen Videos zeigte, bei denen Menschen verletzt werden. Bei den kurzen Filmen sind allerdings keine Schreie zu hören oder Gesichter zu erkennen. Danziger:
"Menschen, die selbst keinen Schmerz spüren können, sind sehr gut darin, das Ausmaß der Schmerzen bei anderen am Gesichtsausdruck zu erkennen. Das können sie genauso gut wie jeder andere auch. Wenn man ihnen aber ein Video zeigt, bei dem jemand verletzt wird, ohne dass Schreie zu hören sind oder der Gesichtsausdruck erkennbar wäre, unterschätzen sie den Schmerz stark. Wenn sie beispielsweise sehen, wie jemand sich mit dem Hammer auf den Finger haut, halten sie das für einen sehr kleinen Schmerz."
In einer weiteren Studie testete Nicolas Danziger das allgemeine Einfühlungsvermögen seiner Patienten mit einem psychologischen Fragebogen. Dabei ging es nicht um das Nachempfinden von Schmerzen, sondern eher um Gefühle, wie Trauer oder Freude. Zeigte dieser Test bei einem Patienten ein überdurchschnittlich hohes Einfühlungsvermögen an, dann konnte der Betreffende die Schmerzen in den Videoszenen auch besser einschätzen. Bei völlig gesunden Kontrollpersonen, hatte der Grad ihres Einfühlungsvermögens keinen Einfluss auf ihre Fähigkeit Schmerzen anderer einzuschätzen. Danziger:
"Wenn man ein vor Schmerz verzerrtes Gesicht sieht, dann ist das ein emotionaler Ausdruck von Schmerz, wohingegen der reine Anblick einer Verletzung ohne einen Schrei oder einen Gesichtsausdruck zu hören, eine rein physische Darstellung von Schmerz ist. Das ist für meine Patienten sehr abstrakt. Aber emotionales Leid kennen sie natürlich. Sie haben Verluste oder Trennungen erlitten. Sie wissen wie es ist, traurig zu sein. Wenn sie ähnliche Gefühle in einem Gesicht erkennen, können sie die Schmerzerfahrung von anderen Menschen nachvollziehen."
In einem weiteren Experiment wollte der Neurologe untersuchen, was im Gehirn seiner Patienten passiert, wenn sie Schmerzen anderer wahrnehmen. Gesunde Versuchspersonen spiegeln den abgebildeten Schmerz des anderen in ihrem Gehirn wieder, in dem sie ihre eigenen Schmerznetzwerke aktivieren. Bei den Patienten mit kongenitaler Analgesie waren dagegen Zentren aktiv, die Menschen üblicherweise dann einsetzen, wenn sie geistig die Perspektive wechseln und sich in einen anderen hineinversetzen.
"Dieses Ergebnis zeigt wie wichtig diese mittleren Hirnstrukturen sind, um Erfahrungen anderer Menschen nachvollziehen zu können, auch wenn wir selbst solche Erfahrungen noch nicht gemacht haben."
Und das gilt nicht nur für Patienten mit kongenitaler Analgesie. Schließlich geschieht es häufig, dass wir bei einem anderen Menschen Leid sehen, das wir selbst noch nicht erlebt haben. Jemand hat beispielsweise beide Eltern verloren. Obwohl unsere eigenen Eltern noch leben, können wir verstehen, wie schmerzhaft so ein Verlust sein muss. In solchen Situationen nutzt dann wahrscheinlich jeder Mensch die Hirnstrukturen, die es ihm erlauben, die Perspektive zu wechseln und sich in den anderen hineinzuversetzen.