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Frequenzgefecht

Raumfahrt. - Es ist erst gut eine Woche her, dass China einen neuen Navigationssatelliten ins All geschossen hat. In den kommenden zwei Jahren sollen zehn weitere folgen. Das könnte allerdings dem europäischen Satellitenprojekt Galileo Probleme bereiten. Der Raumfahrtsjournalist Anatol Johansen berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch.

    Gerd Pasch: Vor acht Tagen schossen chinesische Weltraumingenieure einen ihrer neuen Navigationssatelliten in den Orbit. Er gehört zum System Beidou, zu deutsch Kompass. Dieses Navigationssystem wird seit dem Jahr 2000 aufgebaut und es umfasst inzwischen vier Satelliten. Über dieses System möchte ich jetzt mit Anatol Johansen sprechen, den ich im Studio in Bonn begrüße. Wie sehen denn konkret die Pläne der Chinesen aus?

    Anatol Johansen: Nach diesem Satelliten, den sie jetzt gestartet haben, wollen sie in den nächsten zwei Jahren zehn Satelliten starten. Das ist also eine ganze Menge. Und dann bis zum Jahr 2015, vielleicht auch bis zum Jahr 2020, da legen sie sich nicht fest, soll das gesamte System stehen, mit 35 Satelliten, die dann weltweit für Navigation eingesetzt werden können.

    Pasch: Das ist dann doch eine Konkurrenzlage zu dem Galileo-Projekt. Warum könnten den da die Europäer das Nachsehen haben?

    Johansen: Nun, weil die Chinesen einfach auf Frequenzen setzen und senden, die die Europäer für ihr Galileo-Netz vorgesehen hatten – und das ziemlich rücksichtslos. Die eigentlichen Absprachen sind also immer, dass die ITU, also die International Telecommunication Union, die für die Frequenzvergaben verantwortlich ist, bei der wird angefragt: Wir wollen Satelliten starten. Passt der in das Gesamtspektrum aller Satelliten rein? Und dann rechen die aus, ja, das geht. Und dann geben sie eine Erlaubnis. Aber die Chinesen haben einfach jetzt diese Frequenz, die eigentlich Galileo hat für sich reservieren lassen, in Benutzung genommen. Und das bringt natürlich Schwierigkeiten.

    Pasch: Wie kommt denn da Galileo aus der Klemme?

    Johansen: Das ist natürlich sehr schwierig. Weil wenn sich die Frequenzen überlagern, wenn die Signale sich überlagern, wird das schlecht. Und man muss sich einfach mit den Chinesen absprechen. Es gibt noch Möglichkeiten bei der Modulation und mit anderen technischen Tricks, vielleicht die Chinesen auch auf dieses Spektrum zu bringen. Aber das fördert dann genaue Absprachen und auch Kompromisse, die dann vielleicht in der Qualität des Signals oder so liegen. Aber die Chinesen sind da relativ stur, muss ich mal sagen bis jetzt, weil die sagen: kümmert uns nicht. Wir machen unsere Frequenzen da. Wir sind die ersten und deswegen behalten wir die auch.

    Pasch: Gibt es Möglichkeiten, aus europäischer Sicht, das ein bisschen abzumildern?

    Johansen: Ja, man hat schon drei Verhandlungsrunden gehabt und man macht auch die Chinesen darauf aufmerksam, dass das ja für sie im Grunde auch kein Gewinn ist, denn wenn die auf diese Frequenzen gehen und Galileo auch, dann stören sich die Signale gegenseitig und der Satellitendienst wird geschwächt. Also das Gesamtinteresse ist eigentlich, dass man sich abspricht. Wenn man das nicht tut, hat man nur noch, sagen wir mal, aggressive Mittel. Man kann zum Beispiel einen von den beiden Satellitennetzen, kann sagen, dann erhöhen wir die Sendestärke. Aber das muss dann um zwei bis drei Größenordnungen gehen, dann kann meinetwegen, wenn ein Signal nicht mit 50 Watt abgestrahlt wird, sondern mit 500 oder 5000, kann es das andere Signal sozusagen beiseite drängen, aber das wär schon Krieg im Äther und den will man ja auf jeden Fall vermeiden.

    Pasch: Nun gibt es ein weltweites Navigationssystem, nämlich das amerikanische GPS. Das gibt’s schon seit Jahren und die Russen bauen ihr System Glonass auf. Die Europäer haben ja gerade den Produktionsauftrag für weitere acht Satelliten ihres Systems Galileo vergeben. Wie können denn diese unterschiedlichen Systeme eigentlich zusammenspielen?

    Johansen: Man kann sie noch unterbringen, indem man andere Modulationen wählt und noch andere technische Tricks anwendet, dass man die im zur Verfügung stehen Spektrum, das ist ungefähr 1,1 bis 1,6 Gigahertz, kann man sie noch unterbringen. Aber das fordert hohe Kunst, genaue Zusammenarbeit, Absprachen. Dann kann man das machen. Aber die zur Verfügung stehende Quantität des Spektrums ist natürlich nicht unbegrenzt, wenn man bedenkt: Als die Amerikaner anfingen mit GPS, hatten sie freie Bahn für 30 Satelliten, jetzt kommen die Russen. Auch noch 30 Satelliten, sind 60. Dann kommen die Chinesen, etwa 30 Satelliten, sind 90. So ist man nachher bei 120 Satelliten. Und das ist ungefähr die Situation, als wenn man sich unterhalten will an einem Tisch und da sind nicht vier Leute, die sprechen, sondern 30 oder 40 und alle ziemlich laut. Dann wird es problematisch.