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"fretwork - Music for Viols"

"Fretwork" nennt sich ein sehr britischer Gamben-Consort, der seit eineinhalb Jahrzehnten besteht und sich inzwischen einen guten Namen erspielt hat. Übersetzt heißt "Fretwork" so etwas wie "Laubsägearbeit", und man darf mithin von vornherein vermuten, dass das sechsköpfige Ensemble bei seinem Umgang mit der Musik der Vergangenheit nicht unbedingt die Kettensäge ansetzt. Spaß beiseite: Der Name bezieht sich auf die feinen geschnitzten Verzierungen an den Gamben und er appelliert zugleich an unser spontanes Verständnis für Metaphern. Diese Musiker haben sich in den Sinn gesetzt, einigermaßen zierlich zu spielen, zumindest sehr manierlich. Für ihre neue Virgin-CD haben sie sich mit dem Counter Michael Chance, dem Lautenisten Christopher Wilson und dem Organisten Paul Nicholson zusammengetan. Es geht um Musik aus der Epoche eines William Byrd und John Dowland. Diese Periode wird schlicht als das Goldene Zeitalter der englischen Musik angesprochen, wie überhaupt die Briten immer noch stolz darauf sind, dass sie damals, zu Zeiten der ersten Elisabeth, die spanische Armada schlugen und zur Weltmacht aufstiegen. Hört man in diese CD hinein, kommt man zu dem Schluß, dass Her Majesty's Ships die spanischen Galeonen wohl auf eine besonders tückische Weise in den Grund gebohrt haben: mit der Laubsäge. * Musikbeispiel: William Byrd - Galliard à 6 Eine Galliarde zu sechs Stimmen von William Byrd, gestrichen vom Ensemble fretwork. Sie spielen wirklich außerordentlich kultiviert und zugleich mit einer Emotionslosigkeit, dass sie mancher Broker auf dem Parkett der London Stock Exchange um dieses Maß an Selbstbeherrschung beneiden dürfte. Wir wissen nicht, wie William Byrd und Company damals gespielt haben. Aber waren sie wirklich allesamt Stoiker? Gewiß: Vor allem in der Londoner Gesellschaft war es chic, stete Todessehnsucht zur Schau zu tragen. Aber immer nur Seufzen? Diese CD ist in der Tat eine Anthologie des gemäßigten Seufzers sowie der kultivierten Beklemmung. Fretwork macht die Depression erst schön! Die meisten Stücke sind getragen, wie man so sagt. Aber auch da könnte der eine oder andere rhythmische Impuls nicht schaden. Dass sie auch anders können, zeigen sie schließlich gegen Ende der insgesamt neunzehn Titel, zum Beispiel in Dowlands "The Earl of Essex Galliard". Der Mann scheint tatsächlich gelebt zu haben. * Musikbeispiel: J. Dowland - The Earl of Essex Galliard Soweit die neue Virgin-CD des Ensembles "fretwork".

Norbert Ely |