Diesmal kam die Schreckensnachricht aus Tomsk, einer Halbmillionenstadt in West-Sibirien. Konstantin Popov, ein 47-jähriger Lokal-Journalist, ist im Polizeigewahrsam buchstäblich totgeschlagen worden. Der Sprecher der Tomsker Staatsanwaltschaft, Andrej Gus'ev, zum Tathergang:
"Alles ist in Sekundenschnelle passiert. Das Opfer ist hilflos gewesen, und Metajev hat ihm gegenüber Gewalt ausgeübt."
Der Milizionär Alexej Metajev, ein 26-jähriger ehemaliger Grenzsoldat, hat demnach den Journalisten Anfang Januar wegen angeblicher Ruhestörung ins Revier eingeliefert und - so der Ermittlungsstand - schwer misshandelt und zusammengeschlagen. 14 Tage lang liegt Popov im Koma, aus dem er schließlich nicht mehr aufwachen wird. Aber: Die sogenannte "Ehre der Uniform" hat bei Militär und Sicherheitskräften in Russland von jeher korporativen Fetisch-Charakter. Und so wirbt Metajevs Vorgesetzter um Verständnis für den Schläger, der ein Geständnis abgelegt habe:
"Ich kann das mit Metajevs anhaltender psycho-traumatischer Situation erklären: Er hat gleichzeitig in zwei Familien gelebt. Alle Probleme, der ganze Stress mit seinen Familienangelegenheiten, sind für sein Verhalten verantwortlich."
Vorläufiger Höhepunkt einer langen Kette von Vorfällen, die spätestens seit dem vergangenen Frühjahr nach dem Amoklauf eines Moskauer Miliz-Majors mit mehreren Toten und Verletzten die Polizeikräfte des Landes zunehmend lauter in die Kritik gebracht haben. Weitere Beispiele aus jüngster Zeit: Ein anderer Milizoffizier schießt einem Rentner wegen eines Kratzers an seinem Privatauto ins Knie. Der Mann verblutet. Vor wenigen Wochen nehmen Kriminalbeamte einen Mann fest, der verdächtigt wird, mindestens 22 Frauen vergewaltigt zu haben - ein Milizbeamter, wie sich herausstellt, der wegen psychischer Auffälligkeiten aus dem Dienst entlassen worden sei, aber in einem andern Revier wieder Arbeit gefunden habe.
30 Prozent der russischen Milizionäre - immerhin knapp eine halbe Million Mann - seien Psychopathen und/oder alkoholkrank. Dies behauptet zumindest der Psychiater Michail Vinogradov in einem Interview mit der russischen Zeitung "Nowyje Izwestia". Nicht Fachwissen und Eignung für den Polizistenberuf gäben den Ausschlag, ob jemand Milizionär wird, sondern Beziehungen und Vetternwirtschaft, so habe er beobachtet. - Teilen der politischen Führung Russlands scheint das Problem bereits unter den Nägeln zu brennen.
Schon wird diskutiert, ob die "Miliz" - ein ur-sowjetischer Begriff! - nicht in "Polizei" umbenannt werden sollte, so wie in anderen Ländern. "Kosmetik", findet der Publizist Nikolaj Svanidze, denn:
"Das Wort auszutauschen ändert gar nichts! Nenn sie, wie du willst! Solange sich an den Kriterien für die Arbeit in der Miliz nichts ändert, solange sich der Personalbestand nicht ändert, solange das System des korrupten Sich-gegenseitig-Deckens nicht zerstört wird, ist es völlig egal, wie man sie nennt - von mir aus: 'Abteilung Junge Pioniere'!"
"In dieser Situation, in die uns die herrschende Putin-Partei 'Geeintes Russland' gebracht hat, oder besser: wir uns selbst gebracht",
setzt Viktor Shenderovitch hinzu, auch er ein landesweit bekannter Journalist. In solch einer Lage helfe keine Kosmetik mehr:
"Weil es heute in unserem Land keine Gewaltenteilung gibt, wird eine sogenannte Reform unter einem Innenminister Nurgaliev so aussehen, wie es schon in einer alten Anekdote über die sowjetische Industrie heißt: Egal welche Einzelteile sie zusammenschrauben, immer kommt am Ende ein Kalaschnikow-Sturmgewehr dabei heraus, auch wenn sie eigentlich eine Nähmaschine hatten montieren wollen... - Wenn diese Partei 'Geeintes Russland' nicht von selbst begreift, dass sie diesen Minister davonjagen muss, muss sie selbst weggejagt werden. So wenigstens geht es im Rest der Welt zu - mindestens im europäischen, im demokratischen Teil."
"Alles ist in Sekundenschnelle passiert. Das Opfer ist hilflos gewesen, und Metajev hat ihm gegenüber Gewalt ausgeübt."
Der Milizionär Alexej Metajev, ein 26-jähriger ehemaliger Grenzsoldat, hat demnach den Journalisten Anfang Januar wegen angeblicher Ruhestörung ins Revier eingeliefert und - so der Ermittlungsstand - schwer misshandelt und zusammengeschlagen. 14 Tage lang liegt Popov im Koma, aus dem er schließlich nicht mehr aufwachen wird. Aber: Die sogenannte "Ehre der Uniform" hat bei Militär und Sicherheitskräften in Russland von jeher korporativen Fetisch-Charakter. Und so wirbt Metajevs Vorgesetzter um Verständnis für den Schläger, der ein Geständnis abgelegt habe:
"Ich kann das mit Metajevs anhaltender psycho-traumatischer Situation erklären: Er hat gleichzeitig in zwei Familien gelebt. Alle Probleme, der ganze Stress mit seinen Familienangelegenheiten, sind für sein Verhalten verantwortlich."
Vorläufiger Höhepunkt einer langen Kette von Vorfällen, die spätestens seit dem vergangenen Frühjahr nach dem Amoklauf eines Moskauer Miliz-Majors mit mehreren Toten und Verletzten die Polizeikräfte des Landes zunehmend lauter in die Kritik gebracht haben. Weitere Beispiele aus jüngster Zeit: Ein anderer Milizoffizier schießt einem Rentner wegen eines Kratzers an seinem Privatauto ins Knie. Der Mann verblutet. Vor wenigen Wochen nehmen Kriminalbeamte einen Mann fest, der verdächtigt wird, mindestens 22 Frauen vergewaltigt zu haben - ein Milizbeamter, wie sich herausstellt, der wegen psychischer Auffälligkeiten aus dem Dienst entlassen worden sei, aber in einem andern Revier wieder Arbeit gefunden habe.
30 Prozent der russischen Milizionäre - immerhin knapp eine halbe Million Mann - seien Psychopathen und/oder alkoholkrank. Dies behauptet zumindest der Psychiater Michail Vinogradov in einem Interview mit der russischen Zeitung "Nowyje Izwestia". Nicht Fachwissen und Eignung für den Polizistenberuf gäben den Ausschlag, ob jemand Milizionär wird, sondern Beziehungen und Vetternwirtschaft, so habe er beobachtet. - Teilen der politischen Führung Russlands scheint das Problem bereits unter den Nägeln zu brennen.
Schon wird diskutiert, ob die "Miliz" - ein ur-sowjetischer Begriff! - nicht in "Polizei" umbenannt werden sollte, so wie in anderen Ländern. "Kosmetik", findet der Publizist Nikolaj Svanidze, denn:
"Das Wort auszutauschen ändert gar nichts! Nenn sie, wie du willst! Solange sich an den Kriterien für die Arbeit in der Miliz nichts ändert, solange sich der Personalbestand nicht ändert, solange das System des korrupten Sich-gegenseitig-Deckens nicht zerstört wird, ist es völlig egal, wie man sie nennt - von mir aus: 'Abteilung Junge Pioniere'!"
"In dieser Situation, in die uns die herrschende Putin-Partei 'Geeintes Russland' gebracht hat, oder besser: wir uns selbst gebracht",
setzt Viktor Shenderovitch hinzu, auch er ein landesweit bekannter Journalist. In solch einer Lage helfe keine Kosmetik mehr:
"Weil es heute in unserem Land keine Gewaltenteilung gibt, wird eine sogenannte Reform unter einem Innenminister Nurgaliev so aussehen, wie es schon in einer alten Anekdote über die sowjetische Industrie heißt: Egal welche Einzelteile sie zusammenschrauben, immer kommt am Ende ein Kalaschnikow-Sturmgewehr dabei heraus, auch wenn sie eigentlich eine Nähmaschine hatten montieren wollen... - Wenn diese Partei 'Geeintes Russland' nicht von selbst begreift, dass sie diesen Minister davonjagen muss, muss sie selbst weggejagt werden. So wenigstens geht es im Rest der Welt zu - mindestens im europäischen, im demokratischen Teil."