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Freut sich der Kabarettist Richling über Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat?

    Gerner: "Auch ich bin ein Bürger des Freistaates Bayern, des Bayern von Herrn Stoiber, denn meine Frau kommt aus Bayern", kalauerte Gerhard Schröder gestern. Na ja, kabarettreif war das nicht. Apropos Kabarett, was sagen die Größen der deutschen Politsatire über den neuen, alten Edmund Stoiber, über den angeblich bevorstehenden Lagerwahlkampf? Karten neu mischen auch hier oder alles beim Alten? Ich habe den Kabarettisten, Matthias Richling, gefragt, ob er die Nominierung des Bayern als Kanzlerkandidaten mit Freude aufgenommen hat.

    Richling: Na ja, so funktioniert Kabarett nicht. Es geht nicht darum, dass man ein neues Opfer hat, damit man seine Witzchen darüber machen kann. Die Frage ist erst mal politisch und nicht, kann ich mir Freudesprünge erlauben. Die Frage ist, was war die Alternative? Wie hieß sie noch? Ich kann mir den Namen immer nicht merkeln. Sie als Alternative wäre eigentlich auch für einen Freudensprung ganz gut gewesen, weil sie für das Kabarett vielleicht auf einer anderen Ebene geeigneter war. Sie war eine Art Ersatzbefriedigung für die CDU, also praktisch auch der Stützstrumpf der CDU, aber nun ist sie also ausgestochen worden. Herr Stoiber hat ja schon im Vorfeld einiges an Radikalität angeboten, woran man sich ja schon festbeißen konnte.

    Gerner: Was hat Edmund Stoiber, wo Sie als Kabarettist Honig daraus saugen können?

    Richling: Nun ja, er hat diese Selbstgewissheit - und das im Grunde genommen schon bereits seit zwei Jahren - auf eine normale Frage, wenn ein Interviewer gesagt hat, Herr Dr. Stoiber, zu antworten: bitte lassen Sie sämtliche Titel beiseite, ich bin kein Doktor und kein Professor, sagen Sie ganz einfach, Herr Bundeskanzler. Wenn man dann gesagt hat, aber Sie sind doch gar nicht Bundeskanzler, sagte er dann auch sinngemäß, es reicht, wenn Sie mich so ansprechen.

    Gerner: Viele erwarten, dass dieser Wahlkampf jetzt polarisiert wird. Freuen Sie sich als Kabarettist darauf?

    Richling: Wenn Sie es unbedingt so hören wollen, ja. Im Grunde freue ich mich auf jede Situation im Kabarett. Mit Herrn Stoiber habe ich seit vielen Jahren zu tun, insofern ist es jetzt nichts Neues für mich. Er hat sich so festgesetzt in der Bundespolitik, dass er eigentlich immer schon ein Opfer für Kabarettisten war. Ob er das als Kanzlerkandidat schaffen wird, weiß man nicht. Herr Schröder hat sich viel Mühe gegeben, zusammen mit den Grünen bereits in ein Fahrwasser zu geraten, wo er schon z.B. zusammen mit Herrn Schily, wo man nicht wusste, ist Herr Schily in Hamburg wiedergewählt worden, oder war es dann doch Herr Stoiber äh... oder Herr Schill. Nein, das ist ja schon längst angewendet, wenn Sie an die Gesetzesänderungen von Herrn Schily denken, dann ist bei Herrn Stoiber äh... bei Herrn Schröder schon eine ganze Menge Stoiberisches da. Wie gesagt, wenn Herr Schily als Minister von Schröder den Stoiber rechts überholen möchte, was er ja schon lange getan hat, dann hat man sich selbst in der SPD gefragt, ist Herr Schily eigentlich nicht besser bei der CSU aufgehoben, nicht wahr? Herr Stoiber hat ja Herrn Schily vor ein paar Monaten einen bayrischen Staatspreis übermittelt, das ist doch schon alles Symbol genug. Im Grunde genommen könnte Herr Stoiber höchstens der Nachfolger von Herrn Schily sein, vielleicht kommt es sogar so weit. Es ist also vielleicht interessanter, die Gleichartigkeit als die Unterschiede festzustellen. Und das Bild von Herrn Stoiber muss ich nicht revidieren, weil Herr Stoiber sich nicht revidiert hat. Er hat nur seine Form in den vielen Jahren verändert. Was will er hier in Berlin? Natürlich will er vor allem hier an der Front eine Zurückdrängung von Rot/Rot. Die PDS, sagt er, hat ja bis vor 11 Jahren einer Diktatur vorgestanden und die will sie auch wiederhaben. Im Gegenzug sagt man Herrn Stoiber, vielen wird ja auch aus der NS-Diktatur vorgeworfen, sie hätten vor 60 Jahren Unterschlupf bei der CDU/CSU gefunden. Sagt er dann, genau das gibt ihm die Berechtigung zu regieren, weil sie sogar in punkto Diktatur die älteren Rechte haben. Oder was Ausländer und Ausländerrechte angeht, wenn wir das alles mit der Regierung Schröders vergleichen, ich weiß nicht ob der Wahlkampf dann nicht am Ende so ausgeht, dass es sich um einen Verwechslungswahlkampf handelt, dass viele Leute in der Kabine stehen und im Grunde genommen gar nicht mehr wissen, was sie inhaltlich rechter wählen sollen.

    Gerner: Aber es wird gerade gesagt, die Unterscheidbarkeit wäre jetzt eher gewährleistet als...

    Richling: An diese Unterscheidbarkeit glaube ich definitiv nicht.

    Gerner: Wie ist es mit der Sprache? Geht Edmund Stoiber anders mit der Sprache um als sein Konkurrent Gerhard Schröder?

    Richling: Nein. Herr Schröder lebt sehr in Floskelhaftigkeiten. Er hat ein paar Worte, die er immer wieder wiederholt. Herr Stoiber hat eine raffiniertere Art von Floskelhaftigkeit. Sie müssen aufpassen, wenn Sie ein Interview von Herrn Stoiber sehen oder hören, wenn er um Sachen gefragt wird, mit denen er den Wähler anlügen möchte, Stichwort seine Kanzlerkandidatur. Dann sagt er keinen klaren Satz, dann sagt er, ich äh... möchte äh... sagen, äh... dass ich äh... lieber äh... Vorstand vom FC Bayern werde, bevor ich äh... Kanzler äh.. Kandi äh.. dat werde. So drückt er sich aus, eine ganz offensichtliche Schwäche, die er bisher nicht überwunden hat. Wenn die Antworten nur noch aus "äh" bestehen, kann man vom absoluten Gegenteil ausgehen. Insofern sind aber die Formalismen sehr primitiv - in einem sehr neutralen Satz gesprochen, ich will damit nicht sagen, Herr Stoiber ist primitiv -, die Floskeln, mit denen er sich über die Hürden hilft, sind sehr einfältig.

    Gerner: Sie haben eben eine Kostprobe in einer Parodie gegeben. Können Sie uns auch eine Kostprobe davon geben, wie sich die Klärung der K-Frage zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber zugetragen haben könnte?

    Richling: Ganz einfach, er war am Schluss so weit, dass er gesagt hat, also gut, wenn es der Sache dient, dann bin ich gerne zu einer optischen Übereinstimmung mit Frau Merkel bereit, und er hat sich dann bei gegebener Zeit eine Perücke von Frau Merkel übergezogen.

    Gerner: Wie wäre es für Sie als Kabarettist gewesen, wenn Angela Merkel als Siegerin hervorgegangen wäre?

    Richling: Nein, es gibt kein wäre und kein hätte. Beim Kabarett darf es kein hätte und kein wenn geben. So ist es jetzt, und über Frau Merkel habe ich mich lange genug ausgelassen, und es wird ja auch noch möglich sein, weil sie ja noch CSU/CSU- äh... CDU/CSU- äh...CSU/CDU-Chefin ist, man muss das jetzt umdrehen. Die Mundwinkel spricht sie immer nach unten, und die Unterlippe trägt sie oben, deswegen kommt so ein Merkel-Klang raus, so Sachen wie: ich bin jetzt froh, dass ich jetzt nicht mehr nach der K-Frage gefragt werde, ob ich als Frau für die Kandidatur geeignet bin. Ich bin als Frau eine Frage der Frau, die Frauen sind eine Frage der Zeit, und die Zeit ist im Moment für die CDU überhaupt nicht die Frage.

    Gerner: Wie wird das Verhältnis zwischen den beiden Partein überhaupt aussehen, wo jetzt Edmund Stoiber Kanzlerkandidat ist? Wird die CDU aufpassen müssen, sich die Butter nicht vom Brot nehmen zu lassen?

    Richling: Ich glaube, wir können uns durchaus auf einen Wahlkampf gefasst machen, bei dem wir fragen müssen, wer gewinnt am Ende, die CDU oder die CSU? Das reicht doch eigentlich. Der Wahlkampf entscheidet sich zwischen CDU und CSU. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

    Gerner: Hat Edmund Stoiber Humor?

    Richling: Nein.

    Gerner: Weshalb sind Sie dessen so sicher?

    Richling: Na ja, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Vor 12 Jahren hatte ich eine ARD-Serie, da ging es um ein ganz anderes Thema, um den Papst und die Kondom- und AIDS-Politik des Papstes. Und Herr Stoiber - hätte niemand das registriert, wäre es auch in der Versenkung verschwunden - hat mich damals auf die Seite drei der Tagespresse geholt. Es ging darum, dass der Papst einem AIDS-Kranken erlaubt, in seinem Zustand mit seiner Frau ohne Kondom zu schlafen. Das ist in Deutschland eine Aufforderung zur vorsätzlichen Körperverletzung, und das ist strafbar. Also hat sich der Papst nach deutschem Recht strafbar gemacht, und dazu habe ich etwas gemacht. Ich habe über den Pontifex Maximus gesprochen, und darüber gesprochen, was ihm die AIDS-Politik bedeutet. Da können Sie sich vorstellen, was Herr Stoiber dazu alles vom Stapel gelassen hat, und er hat damals das alte Pressegesetz nicht kapiert, dass etwas, das ich in der Öffentlichkeit einmal sage, morgen vergessen ist. Wiederhole ich es aber durch eine Gegendarstellung oder eine Revidierung oder Wiederaufnahme, dann ist es den Leuten untrennbar ins Gedächtnis gebrannt, und diesen Gefallen hat er mir getan. Er hat diese Geschichte so in die Öffentlichkeit gerückt, dass sie mich über Jahre verfolgt und daran erinnert hat. Das war die beste PR, die mir jemals passieren konnte, und da hat er nicht viel weiter gelernt. Humor hat er nicht.

    Gerner: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio