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Frieden schaffen - aber wie?

Früher wurden Kriege offiziell erklärt und offiziell mit einem Friedensvertrag beendet. Zeiten von Krieg und Frieden waren also deutlich voneinander getrennt. Friedensvermittler konnten sich auf den Interessenausgleich zwischen Regierungen konzentrieren und hatten mit dem Friedensvertrag ihr Ziel erreicht.

Von Thomas Mösch |
    Heute ist das anders. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind klassische Kriege zwischen Staaten immer seltener geworden. Die Regel sind heute Bürgerkriege, Rebellionen und andere Waffengänge innerhalb von Staaten. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes hat sich diese Tendenz noch verstärkt.

    Zunächst jedoch bestand die Hoffnung, die Welt würde nach dem Fall der Berliner Mauer friedlicher. Doch bis zur Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war sogar das Gegenteil der Fall: 1995 erreichte die Zahl der Kriege mit 55 ihren höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. Inzwischen ist diese Zahl wieder deutlich gesunken. Gemeinsam ist den heutigen Konflikten, dass sie anders als während des Ost-West-Gegensatzes stärker von regionalen Einflüssen geprägt sind, erläutert Tobias Debiel vom Institut für Entwicklung und Frieden an der Universität Duisburg-Essen.

    "Die Weltpolitik ist nicht mehr so wichtig. Wichtiger ist die Einbettung der Konflikte in eine globale Schattenökonomie. Das heißt: Kriegsparteien können sich finanzieren über den Drogenhandel, den Verkauf von Diamanten; Staaten können sich über den Verkauf von Öl Gelder aneignen, die sie dann in Kriege stecken."

    Die Kriegsparteien können sich so auch ohne direkte Hilfe von außen finanzieren. Es wird um den Zugriff auf jene Rohstoffe gekämpft, die den Krieg erst möglich machen. Auch andere regionale Faktoren haben heute oft ein größeres Gewicht als das machtpolitische Interesse von Großmächten.

    Die internationale Diplomatie reagierte auf die unerwartete Gemengelage zunächst verwirrt. Das beste Beispiel ist der Balkan-Konflikt, wo selbst innerhalb der Europäischen Union die einen am Gesamtstaat Jugoslawien festhalten wollten, die anderen dagegen das Unabhängigkeitsstreben der Einzelrepubliken unterstützten. Als weiteres Beispiel für wenig durchdachtes Agieren der Staatengemeinschaft nennt der Politikwissenschaftler Debiel das gewaltsame Eingreifen in Somalia zwischen 1992 und 1995.

    "Somalia war ein Beispiel dafür, wo man ohne ein gutes Konzept mit großem Gewaltapparat einmarschiert ist und letztlich durch die starke äußere Präsenz den Konflikt wahrscheinlich mit angeheizt hat, auch Gelder reingebracht hat in das Land, die es erst den Warlords ermöglichten, ihre Macht zu gewinnen."

    Die Aktion endete schließlich in einem militärischen Debakel. Die Warlords bestimmen auch heute noch das Geschehen im größten Teil des Landes. Die Hoffnung, eine nicht länger durch ideologische Gegensätze gespaltene Staatengemeinschaft könne nun überall auf der Welt Frieden schaffen, hatte einen herben Dämpfer erhalten. Büßen mussten dafür im Frühjahr 1994 die Ruander. Mit den Bildern aus Somalia im Kopf fand sich kein Staat dazu bereit, in dem zentralafrikanischen Staat einzugreifen, um den Völkermord an der Tutsi-Minderheit zu verhindern.

    Blauhelmtruppen der Vereinten Nationen mussten dem Massenmord in Ruanda ebenso zusehen wie ein Jahr später dem Massaker an Tausenden muslimischer Bosnier in Srebrenica. Beide Ereignisse führten zu einer bis heute andauernden Diskussion darüber, wie internationales Eingreifen dem Frieden in Zukunft effektiver dienen kann.

    Eine Frage ist: Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Beginn einer Friedensmission? Darüber denkt schon seit vielen Jahren William Zartman vom Institut für internationale Studien der John-Hopkins-Universität in Washington nach. Er hat die so genannte "Reife-Theorie" entwickelt.

    "Die "Reife-Theorie" setzt voraus, dass zuallererst ein Konflikt gereift ist, indem eine allseits als schmerzhaft empfundene Pattsituation erreicht ist und nach einem Ausweg daraus gesucht wird. Beides sind Wahrnehmungen, die notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzungen sind für den Beginn von Verhandlungen."

    Die internationale Gemeinschaft könne Tatsachen schaffen, die es unattraktiv machen, einen Konflikt weiterzuführen. Hierzu gehören zum Beispiel wirtschaftliche oder politische Boykottmaßnahmen. In einer zweiten Phase komme es darauf an, die Friedensverhandlungen zu begleiten.

    "Man muss die als schmerzhaft empfundene Pattsituation ebenso aufrecht erhalten wie den Druck auf die Konfliktparteien, um die Verhandlungen zum Erfolg zu führen. Das muss kombiniert werden mit einer verlockenden Zielperspektive, die die Parteien eine Lösung des Konflikts anstreben lässt."

    Das Schweigen der Waffen und ein unterschriebenes Dokument sind noch lange nicht gleichbedeutend mit einem erfolgreichen Friedensprozess. Ein dauerhafter Friedensschluss muss weitere Kriterien erfüllen, erklärt Tobias Debiel von der Uni Duisburg-Essen.

    "Entscheidend ist, dass sich das politische System öffnet. Das heißt, dass die relevanten Akteure der Kriegszeit in irgendeiner Form integriert werden. Wenn das nicht geschieht, werden sie versuchen, den Friedensprozess wieder zu stören. Es gehört aber auch dazu, dass Staaten, die oftmals in Kriegen zerfallen sind, wieder eine gewisse Leistungsfähigkeit erreichen, weil ansonsten die Bevölkerung nicht genügend versorgt werden kann und ansonsten der Staat keine Legitimität gegenüber der Bevölkerung bekommt. Nicht zuletzt müssen die kriegsökonomischen Strukturen aufgelöst und in Friedensökonomien umgewandelt werden."

    Außerdem gelte es, das im Krieg zerstörte Vertrauen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wieder herzustellen. Entsprechend schwer ist es, gelungene Friedensprozesse zu finden. Ein von Friedensforschern immer wieder angeführtes Beispiel ist das Ende des Bürgerkrieges in Mosambik.

    Nach der Unabhängigkeit des südostafrikanischen Landes 1975 hatten die weißen Minderheitsregime in Rhodesien und Südafrika eine Rebellenbewegung gegen die sozialistische Regierung aufgebaut. Erst gegen Ende der Apartheid im benachbarten Südafrika gelang es, den Konflikt zu beenden. Inzwischen gilt Mosambik als halbwegs gefestigte Demokratie, die außerdem ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum aufweisen kann. Dies ist ein Erfolg der italienischen Friedensvermittler und der UNO, meint Tobias Debiel.

    "Mosambik ist nach wie vor ein armes Land. Man kann auch nicht sagen, dass die Bevölkerung im Wohlstand lebt, dass sie nicht von Kriminalität betroffen wäre. Es gibt also viele Punkte, die nach wie vor verbessert werden müssen. Zugleich ist es aber in einem ganz mühseligen Prozess gelungen, die Sicherheitslage einigermaßen zu stabilisieren und die verschiedenen politischen Gruppen im Spiel zu halten."

    Ein anderes Beispiel für eine erfolgreiche Vermittlung der Vereinten Nationen ist der 1996 beendete Bürgerkrieg im mittelamerikanischen Guatemala, der 36 Jahre lang andauerte. Allerdings sei dort das Problem, das dem Konflikt zu Grunde liegt, die Benachteiligung der Indios, längst nicht gelöst, gibt Debiel zu bedenken.

    "Dort gelang es, die Gewalt zu beenden und die Rebellenorganisationen aufzulösen und eine gewisse Stabilität hinzubekommen. Guatemala ist aber auch ein Beispiel, das zeigt, wie lange auf gesellschaftlicher Ebene ein Friedensschluss braucht. Große Teile der Bevölkerung haben es trotz entsprechender gesetzlicher Regelungen immer noch nicht akzeptiert, dass die indigene Bevölkerung gleichgestellt wird. Das äußert sich in den letzten Jahren auch vermehrt darin, dass es politisch stockt und man einfach nicht weiterkommt."

    Bosnien, das Kosovo oder Afghanistan sind prominente Fälle, bei denen das Ausland, insbesondere der Westen, sogar militärisch eingegriffen hat. Sie zeigen, dass das Ende der Kämpfe oder der Sturz eines unmenschlichen Regimes zumeist nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden ist.

    "Es ist völlig richtig, wenn man davon ausgeht, dass bei einem Abzug westlicher Truppen aus einem Land wie Bosnien, aber auch Afghanistan, die Gewalt wieder ausbrechen würde. Von daher ist das ein sehr instabiler Frieden, der jederzeit gefährdet werden kann. Das spricht dafür, dort doch noch länger Präsenz zu zeigen und an den Problemen zu arbeiten. Das ist hier insbesondere die Einbeziehung aller wesentlichen Bevölkerungsteile und eine Überwindung der ethnischen oder religiösen Spaltung, die es ja vor den Kriegen oft in diesem Maße gar nicht gab und die deshalb auch in Zukunft geheilt werden können."

    Konfliktforscher wie der Politikwissenschaftler Tobias Debiel sind sich einig: Wer Frieden schaffen will, braucht einen langen Atem.

    Welche Lehren haben die Vereinten Nationen und insbesondere die großen Mächte dieser Welt aus den Erfahrungen der 90er Jahre gezogen? Im Jahr 2000 hat eine von UN-Generalsekretär Kofi Annan berufene Expertenkommission detaillierte Reformvorschläge gemacht. Ihr Vorsitzender war der frühere algerische Außenminister Lakhtar Brahimi.

    Die Brahimi-Kommission forderte klarere Aufträge für die Friedenstruppen. Diese müssten in der Lage sein, sich und auch die Zivilbevölkerung gegen Gewalt zu schützen. Sie brauchen also ein sogenanntes robustes Mandat. Außerdem sollten die UN-Mitgliedsstaaten Offiziere und Polizisten melden, die innerhalb kurzer Zeit an Friedenseinsätzen teilnehmen könnten. Nur so könne die Zeit zwischen einem Beschluss des Sicherheitsrates und dem tatsächlichen Einsatz deutlich verkürzt werden. Schließlich machten die Experten auch deutlich, dass effektivere UNO-Einsätze auch mehr Geld erfordern.

    Zumindest bei den jüngsten Friedensmissionen in Sierra Leone und Liberia scheinen die Vereinten Nationen einige der Empfehlungen umgesetzt zu haben. Der US-amerikanische Konfliktforscher William Zartman betrachtet die Lernfähigkeit der internationalen Gemeinschaft trotzdem mit Skepsis.

    "Alle, zumindest viele Länder haben wahrscheinlich etwas aus den Erfahrungen der 90er Jahre gelernt. Einige haben gelernt, sich rauszuhalten, andere engagieren sich mehr. Ich glaube jedoch nicht, dass der Sicherheitsrat als Ganzes eine gemeinsame Auffassung von den nötigen Lehren und Reaktionen entwickelt hat. Und das ist noch sehr milde ausgedrückt."

    Ein besonders krasses Beispiel hierfür sei das aktuelle Verhalten des Sicherheitsrats im Fall des Sudan. Es sei schrecklich, dass der Rat der Regierung in Khartum von Mal zu Mal mehr Zeit gewähre, um das Morden und die Vertreibungen in der Region Darfur zu beenden, kritisiert Zartman.

    Ähnlich sieht es die Leiterin des Instituts für Verteidigungs- und Abrüstungsstudien in Cambridge/Massachusetts, Randall Forsberg. Insbesondere Russland und China hätten offenbar Angst, dass sich ein Eingreifen in einen internen Konflikt auch einmal gegen sie selbst richten könne.

    "Das ist zwar verständlich. Aber gerade dafür wurde das Veto ja geschaffen: Es sollte ursprünglich gegen eine Intervention im eigenen Land schützen. Es sollte aber nicht dazu dienen, alle möglichen anderen Interventionen der Vereinten Nationen zu blockieren. Wenn die UNO nicht in den mächtigsten Ländern eingreifen kann, könnte sie ja trotzdem anderswo Frieden schaffen."

    Gerade die vielschichtige Diskussion über ein bewaffnetes Eingreifen in den Darfur-Konflikt zeigt, dass es wenig Sinn macht, allein über militärische Mittel zu diskutieren. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sich innerstaatliche Konflikte nur mit umfassenden Friedenskonzepten beenden lassen, betont Tobias Debiel vom Institut für Entwicklung und Frieden.

    "Am erfolgversprechendsten sind multidimensionale Peace Operations, das heißt Friedensmissionen, die über das Militär hinausschauen, dass sie auch die Bevölkerung einbeziehen, dass sie den Rechtsstaat aufbauen, dass sie sozio-ökonomisch etwas Stabilität schaffen. Es kommt hinzu, dass diese Missionen auch robust ausgerichtet sind. Sierra Leone beispielsweise, auch zum Teil Afghanistan - was ja mit einem UN-Mandat, aber nicht als UN-Mission läuft -, sind Beispiele, wo man nicht das Militär in den Vordergrund stellt, aber in der Lage ist, im Zweifelsfall auch militärisch zu reagieren."

    Wenn ein Staat so schwach ist, dass er nicht überall im Land für Sicherheit sorgen kann, dann müsste man auch darüber nachdenken, so genannte Kriegsfürsten und bewaffnete Gruppen in ein Sicherheitskonzept einzubinden, so Debiel. Auch sein US-Kollege William Zartman plädiert dafür, dieses Risiko einzugehen.

    "Das Problem ist, dass man mit den Kräften arbeiten muss, die im Moment die starken Kräfte sind. Als Vermittler muss man sie in ein Abkommen einbeziehen, damit sie es als ihr Abkommen verstehen. Dann liegt es in ihrem Interesse, andere Splittergruppen unter Kontrolle zu halten, sodass sie zum Verbündeten des Vermittlers werden. Das ist nicht einfach. Die Versicherungen nennen so etwas ein "moralisches Risiko"."

    Die große Gefahr liegt darin, dass bisher gewaltfrei agierende Gruppen dadurch auf den Gedanken kommen können, erst der bewaffnete Kampf mache sie auf nationaler und internationaler Ebene zu einem ernstzunehmenden Verhandlungspartner. So wurde die UCK im Kosovo erst richtig aktiv, als die Anliegen der Kosovo-Albaner im Dayton-Abkommen für Bosnien ausgeklammert blieben. Und die Rebellen im Westen des Sudan starteten ihre Großangriffe, als klar war, dass sie vom Friedensvertrag zwischen der Zentralregierung und dem Süden ausgeschlossen bleiben würden.

    In vielen Konflikten stellt sich außerdem die Frage, ob eine schnelle Demokratisierung im westlichen Sinne der Weisheit letzter Schluss ist. Der Übergang von einem autoritären zu einem demokratischen System berge immer auch die Gefahr eines Rückfalls in die Gewalt, gibt Tobias Debiel zu bedenken.

    "Es kommt insbesondere dadurch, dass sich durch diesen Systemwechsel vertraute Strukturen auflösen und sich Akteure in den politischen Eliten, die auch zur Anwendung von Gewalt in der Lage sind, nicht mehr über ihren Status in der Zukunft sicher fühlen. Diese Erkenntnis ist natürlich kein grundsätzliches Plädoyer gegen Demokratisierung, ist aber ein Plädoyer dafür, Demokratisierung abzufedern. Denn die Gefährdung dieser Staaten, in einen kriegerischen Konflikt zu gelangen, ist siebenmal so groß wie die Gefährdung von etablierten Demokratien oder von autoritären Staaten."

    Deshalb sei es richtig, auch die in einem Konflikt unterlegene Seite an der Macht zu beteiligen. Wahlen müssen also nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Allerdings müsse von vornherein klar sein, dass dies ein Übergangsprozess sei und keine Dauerlösung, betont Debiel.

    Der für eine solche Strategie notwendige lange Atem scheint insbesondere der einzigen verblieben Supermacht, den USA, zu fehlen. Die Friedensforscherin Randall Forsberg nennt Afghanistan als Beispiel.

    "Ich war sehr enttäuscht darüber, dass es nach der militärischen Intervention keine massive Hilfe für den wirtschaftlichen Wiederaufbau gab, die den Opiumhandel beendet hätte. Das hätte auch geholfen, die Warlords an der Rückkehr zu hindern; und es hätte in der Bevölkerung die Unterstützung gestärkt, die ein neues politisches System ohne die Warlords braucht. Wir haben da eine Gelegenheit verpasst."

    Auch im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern engagieren sich die USA nicht so, wie sie es könnten, kritisiert Forsberg. Und der Einmarsch in den Irak - ohne Rückhalt der Vereinten Nationen - habe der Akzeptanz der Supermacht als Vermittler geschadet.

    Trotzdem: Der Washingtoner Konfliktforscher William Zartman sieht Anzeichen dafür, dass die Vereinigten Staaten sich heute wieder mehr für den Frieden engagieren als noch vor einigen Jahren. Damals, beispielsweise im ehemaligen Jugoslawien, habe man das erst nach langem Zögern erfolgte Eingreifen der USA als "zu viel, zu spät" kritisiert.

    "Die USA haben jetzt eine Rolle übernommen, die einige "zu viel, zu früh" nennen, im Irak zum Beispiel. Andererseits haben die USA im Sudan auf sehr lobenswerte und fundierte Art Verantwortung übernommen. Die Vereinigten Staaten werden gebraucht. Aber ergänzend brauchen wir die Europäer, die sich im Nahen Osten und anderswo stärker als verantwortungsvolle Großmacht engagieren sollten."

    Ob die gegenwärtige US-Regierung tatsächlich in der Lage ist, Konflikte in all ihrer Vielschichtigkeit zu begreifen und danach zu handeln, bezweifeln viele Friedensforscher. So erkennt Bernd Greiner vom Hamburger Institut für Sozialforschung im Verhalten der Bush-Administration im Irak ähnliche Strukturen wie einst in Vietnam. Der Experte für die US-amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts verweist darauf, dass Washington den Krieg in Vietnam derartig symbolisch überfrachtet hatte, dass ein Rückzug ohne Gesichtsverlust nicht möglich war.

    Das Vorgehen im Irak zeige, dass George Bush und seine Regierung ihren außenpolitischen Horizont auf militärische Mittel verengt haben. Das mache es der internationalen Diplomatie insgesamt schwer, auf Konflikte angemessen zu reagieren, analysiert Greiner.

    "Der Umstand, dass wir es mit einer hoch-ideologischen Regierung zu tun haben, die dem Moment der Kommunikation, des Konfliktausgleichs, der nicht-militärischen Option zu wenig Gewicht beimisst, wird uns wohl damit rechnen lassen müssen, damit noch einige Zeit, bis dieses Politikmodell endgültig blamiert ist, leben zu müssen."

    Nach wie vor umstritten ist die Frage, welchen Zielen internationales Eingreifen in innerstaatliche Konflikte dienen darf. Soll es lediglich die Bevölkerung vor Mord und Vertreibung schützen? Soll es diktatorische Regime stürzen und der Demokratie den Weg bereiten? Oder soll es gar die Versorgung der Welt mit wichtigen Rohstoffen sichern? Randall Forsberg warnt vor allzu viel Sendungsbewusstsein:

    "Die internationale Gemeinschaft kann doch nicht in jedes Land einmarschieren, wo es einen Diktator gibt, um die Demokratie einzuführen. Das müssen die Menschen selbst machen. Wir können aber einheimische Bewegungen dabei unterstützen, Diktatoren zu stürzen."


    Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Internationales Eingreifen in einen bewaffneten Konflikt kann erfolgreich sein. Der Normalfall ist das nicht. Von den seit dem Zweiten Weltkrieg rund 140 Versuchen, Frieden zu schaffen, sind zwei Drittel gescheitert. Der Erfolg braucht zuallererst den Willen der Staatengemeinschaft, das jeweils Notwendige zu tun. Ein paar Blauhelmsoldaten reichen in heutigen Konflikten nicht mehr aus. Rein militärische Machtdemonstrationen greifen ebenfalls zu kurz. Frieden kostet Geld und braucht Zeit.