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Friedensbewegung
Neue Bündnisse kratzen an der Glaubwürdigkeit

Die Friedensbewegung hatte ihre große Zeit in den 80er-Jahren, als Hunderttausende zu den Demonstrationen gegen den NATO-Doppelbeschluss und die Pershing-Raketen kamen. Zurzeit scheint sie aber den Anschluss an die neuen sozialen Bewegungen verloren zu haben. Ihre Suche nach neuen Bündnispartnern sehen einige aber mit großer Skepsis.

Von Claudia van Laak | 04.12.2014
    Viele Menschen demonstrieren am 19.04.2014 beim Berliner Ostermarsch mit mit Plakaten.
    Zu den Aktionen der Friedensbewegung wie dem Ostermarsch kommen lange nicht mehr so viele Menschen wie etwa in den 80er-Jahren. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    "I´m happy to be here tonight, this afternoon, it´s an honour, thank you."
    Der US-amerikanische Folk-Sänger Arlo Guthrie am 22. Oktober 1983 in Bonn. Das waren noch Zeiten – Hunderttausende, Millionen demonstrierten Anfang der 80er-Jahre gegen den NATO-Doppel-Beschluss.
    "How many roads must a man walk down, before you can call him a man."
    "Wir sind heute in Bonn, in Hamburg, in Ulm, Stuttgart und Berlin zusammengekommen, um unser Nein zur Stationierung der Pershings und Cruise Missiles unüberhörbar und unübersehbar zu machen. Wir sagen NEIN."
    Wenn Reiner Braun über die alten Zeiten redet, dann leuchten die blauen Augen auf. Der 61-Jährige mit dem bunten Strickpullover und dem Sticker "Give peace a chance" an der Jacke ist seit 1982 von Beruf Friedensbeweger – als Geschäftsführer der Juristen gegen Atomwaffen IALANA. Wie in den 80ern Hunderttausende auf die Straße zu bringen – das ist allerdings heute fast unmöglich.
    "Die Friedensbewegung ist eine soziale Bewegung mit ihren Auf und Abs. Das ist eine Wellenbewegung. Und sie ist zurzeit – da will ich gar nicht drum herumreden – in einer Krise."
    Veränderte Protestformen
    Denn die alten Kämpfer von früher haben den Anschluss an die neuen sozialen Bewegungen verloren. Außerdem haben sich die Protestformen verändert, zum Teil ins Internet verlagert. Andere Akteure sind im Spiel, die sich nicht mehr einpassen wollen in das altbekannte Rechts-Links-Schema – sie versammeln sich seit dem Frühjahr unter dem Stichwort "Montagsmahnwachen für den Frieden". Das könnten unsere neuen Verbündeten sein, hofft Reiner Braun.
    "Diese jungen Menschen haben es geschafft, Tausende zu bewegen. Aber sie sind damit behaftet, was wir alle mal als junge Menschen hatten, dass die Politisierung am Anfang steht. Und über vieles noch nachgedacht werden muss, Manches auch nicht so klug formuliert wird und andere da auch gerne mitmischen."
    Reiner Braun hat eine politisch-pädagogische Mission. Die seiner Ansicht nach teils naiven, teils verwirrten Organisatoren und Teilnehmer der Mahnwachen auf den rechten Weg zu führen – den der alten Friedensbewegung.
    "Ich erhoffe mir, dass aus den Mahnwachen Menschen werden, die führende Positionen in der Friedensbewegung einmal übernehmen und endlich der Stabwechsel von uns zu zwei Generationen jünger gelingt, und wenn wir dazu beitragen können, haben wir der Friedensbewegung insgesamt einen großen Dienst erwiesen."
    Reiner Braun hat deshalb gemeinsam mit anderen Akteuren wie zum Beispiel den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkriegs IPPNW einen Aufruf zum sogenannten "Friedenswinter" gestartet. Auch bei Eric Marquardt landete dieses Manifest – mit der Bitte, doch auch zu unterschreiben. Auf gar keinen Fall, sagt der 27-jährige Bundessprecher der Grünen Jugend.
    "Ich hab bei diesem Aufruf schon zur Kenntnis nehmen müssen, dass da einige Leute diese Demonstration und den Aufruf unterstützen, mit denen ich eigentlich nicht besonders viel anfangen kann und mit denen ich nicht politisch zusammenarbeiten will."
    Verschwörungstheorien und antisemitische Töne
    Der Sprecher der Grünen Jugend nennt explizit Lars Mährholz und Ken Jebsen - beide führende Köpfe der sogenannten Montagsmahnwachen. Sie eint eine Unterstützung Putins, ein diffuser Antiamerikanismus und die Behauptung, die deutsche Bevölkerung werde durch die von ihnen sogenannten Mainstream-Medien für dumm verkauft. Viele Besucher der Montagsmahnwachen hängen Verschwörungstheorien an. Ken Jebsen auf einer Kundgebung in Karlsruhe:
    "Was sind Verschwörungstheoretiker? Verschwörungstheoretiker heute sind das, was früher investigative Journalisten waren."
    Auch antisemitische Töne sind bei den Montagsmahnwachen zu hören. NPD-Funktionäre und sogenannte Reichsbürger – sie negieren die Existenz der Bundesrepublik Deutschland – mischen sich unter die Teilnehmer. Der Sprecher der Grünen Jugend Erik Marquardt ist überzeugt davon, dass ein gemeinsames Bündnis mit diesen Kräften der alten Friedensbewegung schadet.
    "Die Gefahr ist eben nicht nur, dass ihr Ruf etwas angekratzt wird, sondern auch, dass ihr Ruf genutzt wird, um anderen Ideen Vorschub zu leisten, auch solchen antisemitischen Tendenzen als Steigbügelhalter zu dienen."
    Die Vereinigung der Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg IPPNW weist diesen Vorwurf zurück. Sprecherin Angelika Wilmen:
    "Ich selber denke, die Inhalte müssen stimmen, das ist das Wichtige."
    "Die Friedensbewegung hat die kulturelle Hegemonie über die Aktionen, die wir machen. Und wir nehmen auf dieser Basis einer inhaltlichen Bestimmung weitere Partner mit ins Boot, was hoffentlich dazu führt, das wir eine größere Ausstrahlungskraft haben", ergänzt Reiner Braun.
    Die Debatte über das neue Bündnis hat inzwischen auch die Linke erreicht, haben doch auch Politiker wie Sarah Wagenknecht oder Dieter Dehm den Aufruf zur Friedensdemonstration am 13. Dezember in Berlin unterzeichnet. Der Berliner Linke-Vorsitzende Klaus Lederer hält nichts von diesem neuen Bündnis, er betrachtet derartige Annäherungen – Zitat – mit Gruseln.