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Friedensdorf Oberhausen
Behandlung für Kinder aus Krisengebieten

Für schwierige medizinische Behandlungen holt das Friedensdorf International Kinder aus armen Ländern nach Oberhausen. Knochenentzündungen, Verbrennungen und Geburtsfehler können in ihrer Heimat meist nicht behandelt werden – in Deutschland ist es durch Spenden und die mit Hilfe von Ärzten möglich. Danach kehren die Kinder zu ihren Familien zurück.

Von Lisa von Prondzinski | 17.12.2014
    Rezo, ein Mädchen aus Kabul, bastelt mit Erik (m.) und Umi (r.) im Friedensdorf International in Oberhausen Perlenketten.
    Rezo, ein Mädchen aus Kabul, bastelt mit Erik (m.) und Umi (r.) im Friedensdorf International in Oberhausen Perlenketten. (Roland Weihrauch / picture alliance / dpa)
    Der kleine schwarzhaarige Junge, etwa fünf Jahre alt, ist sehr geschickt mit seinen Krücken: Blitzschnell humpelt er Richtung Spielplatz, wo ein Mädchen mit Verbrennungen im Gesicht und ein Junge mit Klumpfüßen Fangen spielen.
    Auf dem großflächigen Gelände stehen auch mehrere Gebäude – genug Platz für einen Speiseraum, Schlafsäle und Reha-Räume. Hier leben Kinder aus Ländern wie Angola, Afghanistan, Tadschikistan, Usbekistan und Gambia. Nach Oberhausen geholt hat sie der Verein Friedensdorf International.
    "Wir nehmen prinzipiell nur Kinder auf, die man zu Hause nicht behandeln kann. Nur wenn es wirklich eine Erkrankung oder Verletzung ist, die das Leben stark beeinträchtigt oder sogar lebensgefährlich ist, vor Ort aber nicht behandelt wird", erklärt Hanna Lohmann, eine der Koordinatoren im Friedensdorf.
    Die kleinen Patienten werden in ihrer Heimat meistens von Partnerorganisationen des Vereins ausgesucht, zum Beispiel vom Roten Halbmond in Afghanistan. Oft leiden sie unter Verbrennungen oder Knochenentzündungen, die dann in Deutschland behandelt werden. In ihrer Heimat ist das oft nicht möglich.
    "In den Ländern ist dann die letzte Option den Arm oder das Bein zu amputieren. Während man hier operieren kann und die Kinder ans Laufen bringen."
    Usbekisch, Arabisch, Dari
    Rund 200 Jungen und Mädchen sind gerade in Oberhausen: Die einen wurden bereits operiert, die anderen warten darauf. Und 100 weitere sind gerade irgendwo in Deutschland in einem Krankenhaus, wo sie umsonst behandelt werden. Der Verein ist auf ehrenamtliche Mithilfe der Ärzte genauso angewiesen wie auf Spenden.
    Im Friedensdorf hört man Sprachen wie Usbekisch, Arabisch, Dari oder Portugiesisch. Aber auch einiges an Deutsch lernen die Kinder schnell, sodass sie sich bald verstehen.
    "Zwei Sprachen: Deutsch und andere." - "Ich hab schon Deutsch gelernt."
    Auch der schüchterne Gabriel aus Angola versteht viel Deutsch. Denn er war schon einmal hier: Wegen einer komplizierten Kieferverletzung konnte er seinen Mund nicht richtig aufmachen und bekam deshalb ein Metallteil in den Knochen eingesetzt.
    "Und das muss dann nach einem Jahr entfernt werden. Dann haben wir den für das ein Jahr nach Hause geschickt und jetzt im November ganz gezielt wiedergeholt für diese Metallentfernung, dass er halt möglichst hier sein muss und möglichst viel zu Hause sein muss."
    Nicht alle Kinder können behandelt werden
    Kinder, die an Leukämie erkrankt sind oder einen schweren Herzfehler haben, holt der Verein nicht nach Deutschland. Denn langwierige Behandlungen wie diese führt keine Klinik umsonst durch.
    In der Reha-Abteilung des Friedensdorfes kümmern sich Physiotherapeuten und ehrenamtliche Helfer um die kleinen Patienten. Sie machen beispielsweise Wunden sauber und erneuern Verbände. Die Behandlungsräume sind durch Vorhänge getrennt.
    Auch Silke Borchert hilft ein paar Mal im Monat ehrenamtlich mit. Über die Fortschritte staunt sie immer wieder: "Bestes Beispiel war ein Kind aus Angola, was sehr dünn und zerbrechlich war, ist dann im Krankenhaus gewesen, hatte dann den Eingriff gehabt, konnte sich super bewegen und war gut genährt und war richtig fröhlich. Also da war ich selbst erstaunt, was es für eine Entwicklung gemacht hat. Und wie glücklich dann war, nicht mehr schmerzleidend, sondern freudestrahlend über den Dorfplatz gelaufen."
    Es geht zwar zuallererst um die medizinische Versorgung, aber auch der soziale Kontakt ist wichtig. Die Kinder helfen mit beim Tisch decken und Abräumen, malen gerne oder lernen Rechnen und Schreiben. Nur zur Schule gehen sie nicht. Das aus gutem Grund, sagt Hannah Lohmann:
    "Wenn man die hier beschulen würde, würden die vielleicht zu Hause sagen: 'In Deutschland bin ich zur Schule gegangen. Mach mal, Papa'. Dann wird es schwierig, dann bringen wir ein gesundes Kind, aber ein soziales Problem nach Hause."
    Garantierte Rückkehr
    Die Rückkehr zu den Familien ist für den Verein ein besonders wichtiges Kriterium für eine mögliche Behandlung in Deutschland.
    "Der Rote Halbmond wird immer garantieren, dass die Kinder zurück zu ihren Eltern kommen. Wenn mit den Eltern was passieren sollte, dann haben die noch zwei, drei andere Telefonnummern von Verwandten, Nachbarn, sodass ein Kind auf jeden Fall immer nach Hause kann."
    Weil nicht alle Länder eine Rückkehrgarantie geben können, scheiden sie von vornherein als Kooperationspartner aus. "In Syrien, im Irak haben wir zurzeit keine Partnerorganisation, wer will da das garantieren?"
    Und trotz der guten Versorgung: Ein bisschen Heimweh kommt natürlich manchmal auch auf. "Schon nach Hause. Schon nach Hause." - Nach Hause: Diese Worte lernt hier jeder rasch. Denn im Friedensdorf bedeutet das außerdem: wieder gesund sein! Und das will hier jeder.