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Friedensethik
Auf verlorenem Posten?

Die Friedensbewegung Pax Christi kämpft um ihre kirchlichen Zuschüsse und damit ums Überleben. Dabei sind ethische Erkenntnisse angesichts von Terrorismus, Cyberwar und Drohneneinsatz gefragt.

Von Cornelius Wüllenkemper | 30.03.2017
    Ein Kind trägt am Potsdamer Platz in Berlin ein Plakat mit einer Friedenstaube
    Die Bischofskonferenz will offenbar die Förderung der Friedensinitiative Pax Christi streichen (dpa / Florian Schuh)
    Die Nachricht kam überraschend: Trotz sprudelnder Einnahmen aus der Kirchensteuer will die Deutsche Bischofskonferenz diversen kirchlichen Initiativen die Unterstützung streichen, darunter auch die Friedensbewegung der katholischen Kirche Pax Christi. In über 60 Ländern setzt sich Pax Christi für Dialog, Frieden und Menschenrechte ein, darunter Kolumbien, die Demokratische Republik Kongo und der Nahe Osten. Zu 80 Prozent finanziert sich die Initiative über Spenden und Mitgliedsbeiträge, 20 Prozent des Budgets stammen vom Verband der Diözesen Deutschlands. Eine Streichung der Hilfen hätte schwerwiegende Folgen für die Arbeit auf Bundesebene, betont die Bundesvorsitzende Wiltrud Rösch-Metzler:
    "Das wäre natürlich katastrophal, weil das heißt auch, dass diese ehrenamtliche Arbeit nicht mehr zusammengehalten wird, und dass wir dadurch nicht mehr wirksam sein können, in der Politik, in der Gesellschaft, in der Kirche, so wie wir es wollen."
    Entscheidung kein politisches Signal?
    Nach Bekanntwerden der Streichungsabsichten konnten Vertreter von Pax Christi ihre Friedensarbeit unlängst erstmals gegenüber der Bischofskonferenz vorstellen und somit eine erneute Prüfung durch die Sparkommission aus Bischöfen, Generalvikaren und einer Unternehmensberatung erreichen. Die vorläufige Entscheidung sei dabei nicht als politisches Signal zu verstehen, sondern als Folge blanker Unaufmerksamkeit, die man beheben werde, ist der katholische Friedensethiker und Theologe Klaus Ebeling überzeugt:
    "Ich selber plädiere natürlich dafür, dass auch die überregionale Einrichtung von Pax Christi, nicht nur weiterbesteht. Mir wäre es am liebsten, wenn sie auch gestärkt würde. Um auch die Potentiale zu entwickeln, die, wenn ich an die Beteiligung von Pax Christi an der öffentlichen Diskussion denke, eher zu schwach war. Die Argumentationen sind zu häufig nicht mehr wirklich inspirierend, weil sie zu oft auf schablonenartig verhärtete Modelle beschränkt bleiben. Das hat auch etwas damit zu tun, dass Pax Christi nicht mehr so eine Rolle in der politischen Auseinandersetzung hat, wie ich es mir für diese wichtige Bewegung wünschen würde."
    Welche konkrete Rolle christliche Friedensethik in Politik und Gesellschaft spielen kann, wurde unlängst auch bei der Vorstellung des neuen "Handbuchs Friedensethik" klar. Soziologen, Historiker und Theologen legen hier in über 70 Beiträgen aktuelle Erkenntnisse unter anderem über den Friedensbegriff angesichts von Terrorismus, Cyberwar und dem Einsatz von Drohnen dar und erörtern die Vermittlung christlicher Friedensethik in Politik und Gesellschaft. Mitherausgeber Klaus Ebeling verweist unter anderem auf den jährlichen Rüstungsexportbericht der 'Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung':
    "Sind in Kontakt mit Außenministerium, Entwicklungshilfe und Wirtschaftsministerium"
    "Anfangs war das mit großen Vorbehalten, so etwa: Ja, die Kirchenleute, klar, die werden da jetzt ein bisschen moralisieren. Das hat sich dann aber bald geändert, so dass wir mittlerweile zum Gespräch – natürlich auch in Folge der beträchtlichen Außenwirkung dieses jährlichen Berichts, diese Kontinuität hat sich ausgezahlt – dass wir dann regelmäßig mit den Fachreferenten in den Ministerien, natürlich vor allem Außenministerium, Entwicklungshilfe und Wirtschaftsministerium, in Kontakt sind und uns auch wirklich um konkrete Sachfragen – etwa auch, was die Berichtslegung angeht – gestritten haben und sich da auch wirklich etwas entwickelt hat."
    Die Lobbyisten christlicher Friedensarbeit seien durchaus gefragte Gesprächspartner für Minister, Staatssekretäre oder auch Fachabgeordnete im Bundestag, deren Initiativen man als Außenstehender durchaus mehr Gehör verschaffen könne, so Ebeling. Die Aufnahme des Rüstungsexportberichts der Bundesregierung in den Sitzungsplan des Bundestages oder auch gemeinsame Arbeitstreffen zwischen Vertretern der Rüstungsindustrie, der Kirchen und der Bundesministerien gehen auf Initiative der 'Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung' zurück. Auf der Diskussion in Berlin wurde derweil auch klar, dass ethische Normen wie die Gewaltfreiheit zwar stets zentrale Perspektive bleiben müssen, nicht aber als kategorische politische Handlungsanleitung zu verstehen sind. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, betonte, dass der Krieg weder mit dem ersten Schuss beginne, noch mit dem letzten Schuss ende.
    "Wir müssen dranbleiben, das ist präventive Politik"
    "Und trotzdem müssen wir dranbleiben im Sinne verantwortlicher Politik, weil das präventive Politik ist. Und die Vorsorge – Vermeidung von Konflikt, und wenn die militärische Schlacht geschlagen ist, sich daran zu machen, dass Gesellschaften sich wieder aufbauen. Also, dann auch finanzielle Mittel, Entwicklungszusammenarbeit, all dies. Das ist dann gewissermaßen der langweilige Teil, der nicht mehr vorkommt. Und trotzdem, entgegen dem medialen Honorierungssystem, muss sich Politik verhalten. Das ist auch die eigentliche, wie ich finde, moralische Anforderung."
    Gleichwohl lehre die Erfahrung, dass die Eindämmung von Gewalt durch Anwendung von Gegengewalt in manchem Fall mehr Unrecht, mehr Tote und mehr Krieg verhindern könne, sagte Röttgen. Friedensethik und Realpolitik sieht er nicht als Gegensatz, denn Friedensethik setze ebenso wenig kategorische Gewaltfreiheit voraus, wie Außenpolitik moralische Normen ignorieren müsse. Der Friedenstheologe Fernando Enns aus Hamburg kritisierte gleichwohl, dass erhöhte Rüstungsausgaben und Auslandseinsätze der Bundeswehr zunehmend mit der Sicherheit der eigenen Bevölkerung begründet würden. Diese Sicherheitslogik leuchte immer weniger Menschen ein, so Enns. Bei seiner Arbeit mit Jugendlichen stelle er ganz im Gegenteil fest, dass das Bedürfnis nach pro-aktiver Friedensarbeit im Ausland kontinuierlich zunehme.