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Friedensstrategie für Syrien
"Das geht natürlich nur mit Assad"

Da Assad in Syrien noch immer militärische Stärke habe, müsse er auch an einer Friedenslösung beteiligt werden, sagte Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linken, im Deutschlandfunk. "Ich will den da keine Sekunde länger sehen, aber er hat nun mal einen Teil der Macht in dem Land."

Jan van Aken im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion
    Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion (imago/Müller-Stauffenberg)
    Thielko Grieß: Unglücklicherweise - so formulierte es ein Sprecher der afghanischen Armee gestern - sei die Stadt Kundus im Norden Afghanistans den Taliban in die Hände gefallen. Seit heute Früh läuft ein Gegenangriff afghanischer Sicherheitskräfte unter Beteiligung des US-Militärs, der US-Luftwaffe. Heftige Kämpfe also in Kundus. Schauen wir jetzt in den Nahen Osten: nach Syrien. Syriens Zukunft spielt in diesen Tagen vor allem in New York eine Rolle, jedenfalls auf der politischen Bühne, die dort aufgebaut ist: vor der UNO-Generalversammlung. Der amerikanische Präsident Barack Obama hat gestern im Saal der Vereinten Nationen gesagt, Syriens Zukunft könne keinesfalls mit Assad gestaltet werden. Etwas anders klang das beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Also: Differenzen wie gehabt. Aber dann haben sich beide, Putin und Obama, ja auch noch zu einem Gespräch getroffen: anderthalb Stunden, beide an einem großen Tisch sich gegenübersitzend, flankiert von ihren Sicherheitsberatern. Haben die beiden dann doch noch einen, vielleicht auch kleinen Schritt aufeinander zugetan? Jetzt ist am Telefon Jan van Aken, der außenpolitische Sprecher der Linken im Deutschen Bundestag. Herr van Aken, schönen guten Tag.
    Jan van Aken: Einen schönen guten Tag.
    Grieß: Wenn Sie nichts dagegen haben, schauen wir erst mal auf Afghanistan. Ist die Bundeswehr, sind die anderen internationalen Truppen von dort zu früh abgezogen worden?
    van Aken: Na ja, zu früh, zu spät - ich glaube, wenn sie fünf Jahre früher abgezogen wären, hätten wir das gleiche Bild, und wenn wir noch bis 2020 da geblieben wären und dann abgezogen wären, hätten wir genau das gleiche Bild. Denn das hat ja auch die Bundeswehr die letzten Jahre immer wieder gesagt: Militärisch lassen sich die Taliban nicht besiegen, das geht nur politisch. Und wir haben auch immer gesagt, das ist völlig klar: Wenn die NATO abzieht, geht der Bürgerkrieg weiter und es wird erst politisch lösbar sein in Kabul, und das dauert wohl noch ein paar Monate oder Jahre.
    Grieß: Jetzt haben wir ganz zu Beginn dieser Sendung Harald Kujat gehört mit seinem Zitat von heute Morgen aus dem "Morgenmagazin" des ZDF. Er hat gesagt, wir sind - und er meinte damit, nehme ich an, Deutschland, die deutsche Bundesregierung, die deutsche Politik -, wir sind in Afghanistan politisch gescheitert, also nicht nur militärisch.
    van Aken: Ja ist doch so! Ich meine, man muss ja immer noch mal zurückdenken, was ist eigentlich der Anfang gewesen, und gerade wenn ich mir die Nachrichten von heute anschaue, von Afghanistan bis Irak und Syrien, dann sehen wir im Moment doch das fürchterliche Erbe eigentlich dieser beiden Angriffskriege von George W. Bush. Es gab in Afghanistan ein fürchterliches Taliban-Regime, das hat Bush weggefegt damals, und zurückgeblieben ist ein Bürgerkrieg mit vielen hunderttausend Toten, der bis heute tobt, und politisch ist die Lösung da natürlich nur eine Regierung der wie auch immer gearteten nationalen Einheit, und so wenig wir das wollen, die Taliban sind und werden leider Teil davon sein, wenn es denn irgendwann dazu kommt. Eine andere politische Lösung ist im Moment ja gar nicht denkbar.
    Grieß: Und welche Rolle soll Deutschland dabei übernehmen?
    van Aken: Vermitteln, vermitteln, vermitteln. Deutschland hat natürlich, anders als in Libyen, zum Beispiel in Afghanistan keine gute Rolle jetzt für eine Vermittlungsrolle, weil sie eben Teil des Problems waren. Sie waren auch mit Truppen vor Ort, als Teil der NATO auf einer Seite des Konflikts sozusagen. Ich glaube, um wirklich gut auch diplomatisch vermitteln zu können, ist es immer gut, nicht Teil eines militärischen Konflikts zu sein. Deswegen spielt Deutschland ja im Libyen-Konflikt im Moment diplomatisch die bessere Rolle.
    Grieß: Nun waren eine ganze Reihe von Ländern beteiligt in Afghanistan. Wer war denn nicht beteiligt und wer kommt noch in Frage?
    van Aken: Schwierig, schwierig. Alle Länder sozusagen, die theoretisch Gewicht in die Waagschale werfen könnten, waren mit dabei. Deswegen ist es jetzt wichtig, glaube ich, dass alle Beteiligten, auch ihre jeweiligen Stellvertreter dort vor Ort versuchen, Einfluss auszuüben. Aber mit einer derart korrupten Regierung, wie sie in Kabul sitzt, mit den verschiedenen Warlords in den Provinzen (und dann gibt es ja nicht nur die Taliban; es gibt auch noch andere islamistische Gruppen), die alle ihre jeweils eigenen Interessen haben, wird es natürlich ganz, ganz schwer sein, da eine diplomatische Lösung hinzubekommen.
    Grieß: Die Bundeswehr ist nach wie vor in Afghanistan, nicht mehr im Kampfeinsatz, aber zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. Soll sie länger bleiben?
    van Aken: Nein. Ich fand diesen Einsatz jetzt schon falsch, denn die diplomatische Lösung in Afghanistan wird sich nicht durch mehr oder weniger Militär bestimmen, sondern sie wird dadurch bestimmt sein, dass endlich der ernsthafte Versuch unternommen wird, alle, die in irgendeiner Form Macht ausüben (und die Taliban tun das auch qua ihrer militärischen Gewalt), mit einzubeziehen in Gespräche. Deswegen finde ich den Einsatz der Bundeswehr im Moment auch falsch. Wir sollten da weder Waffen hinliefern, noch Soldaten ausbilden, denn es ist ja wie in allen anderen Konflikten, in Irak und Syrien auch: Sie bilden welche aus, die eine Hälfte kämpft dann auf der einen Seite, die andere Hälfte auf der anderen Seite. Das heißt, Sie befeuern den militärischen Konflikt eigentlich.
    van Aken: Aber dann müssten Sie auch zuschauen, wie die Taliban womöglich weitere Geländegewinne einfahren?
    van Aken: Zuschauen will ich gar nicht, sondern ich will versuchen, so aktiv wie möglich an der diplomatischen Lösung mitzuhelfen. Aber militärisch, ich bitte Sie! Ich meine, die Gouverneure dort im Norden, wo die Bundeswehr war, das sind Warlords der allerschlechtesten Sorte. Wenn Sie sich diese Berichte angucken, was die auch wiederum für Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung gemacht haben. Da gibt es keine gute Seite, sondern nur schlechte und falsche Seiten, und deswegen jetzt die eine Seite gegen die andere auszubilden, aufzurüsten, es wird nicht zu einer Friedenslösung beitragen. Das ist vor 13 Jahren so gewesen, vor drei Jahren so gewesen und das gilt heute auch noch.
    Grieß: Jetzt schauen wir einige tausend Kilometer weiter, aber sehr weit ist es ja dann doch eigentlich nicht von Afghanistan bis nach Syrien. Wir haben eben darüber berichtet, wie es gestern abgelaufen ist in New York, dieses Treffen zwischen Putin und Obama. Man kann nun sehr genau darauf schauen, wer wie gelächelt hat oder beim Handschlag zuerst die Hand gerührt hat, aber unterm Strich steht womöglich, dass sich die Positionen nicht sehr verändert haben. Wer hat sich nicht genügend bewegt?
    van Aken: Ehrlich gesagt bin ich da optimistischer, denn eigentlich haben die beiden genau das gesagt, was sie auch in den letzten Wochen gesagt haben, und das ist eigentlich kein Widerspruch. Der Westen sagt völlig zurecht, es gibt langfristig keine Lösung mit Assad, und Russland sagt völlig zurecht, kurzfristig geht es nur mit Assad. Das hat der Westen ja auch anerkannt und ich glaube, wo der eigentliche Streitpunkt liegt, wie genau kann so ein Übergang aussehen. Es wird eine diplomatische Lösung geben müssen, wenn man den Krieg beenden will, und das geht natürlich nur mit Assad, genau wie mit den Taliban in Afghanistan. Wer in einem solchen Konflikt militärische Macht hat, muss an der Friedenslösung beteiligt werden, so weh mir das tut. Ich will den da keine Sekunde länger sehen, aber er hat nun mal einen Teil der Macht in dem Land, deswegen muss er beteiligt werden. Und ich glaube, das ist Russland genauso klar wie Assad selbst, dass das mit ihm immer nur eine Übergangslösung sein kann. Der Teufel liegt dann im Detail: Wie viele aus seinem jetzigen Regime werden mit dabei sein? Wann ist der Zeitpunkt seiner Abreise nach Moskau und so weiter? Da wird es wahrscheinlich irgendwie noch lang, lang Streit geben.
    Van Aken: Der IS lässt sich nicht militärisch besiegen
    Grieß: Sie haben das Exil für Assad in Moskau schon geplant?
    van Aken: Ich gehe mal davon aus, dass sowohl Putin als auch Assad das geplant haben. Das ist ja die Option, über die alle seit Monaten reden.
    Grieß: Sind Sie Wladimir Putin dankbar für seine Initiativen der vergangenen Wochen?
    van Aken: Seine Initiative der vergangenen Wochen war, noch Kampfflugzeuge und Soldaten in Syrien zu stationieren. Das ist nicht der richtige Weg. Ganz ehrlich! Das hat er natürlich gemacht, um Assad eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen, aber genauso wenig wie die Taliban in Afghanistan militärisch besiegt werden konnten, genauso wenig lässt sich ISIS militärisch besiegen. Was mir fehlt ist, dass endlich mal angefangen wird, die Nachschubwege für ISIS auszutrocknen. Das wäre doch das Erste, was man tun sollte, anstatt da Waffen hinzuliefern.
    Grieß: Jetzt gibt es einen Vorschlag - so haben wir es zumindest verstanden heute Morgen im Gespräch mit Wolfgang Ischinger, dem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz -, dass sich der Bundesaußenminister, Frank-Walter Steinmeier, darum bemühe, eine Art Syrien-Konferenz, eine neue ins Leben zu rufen. Ist das ein geeignetes Forum für eine Diskussion, um möglicherweise Kompromisse, Lösungen zu entwickeln?
    van Aken: Das geht ja gar nicht anders. Ich meine, wir haben schon damals gesagt bei Genf I und II, die waren von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil die, die eigentlich dort mit Krieg führen, nämlich Saudi-Arabien, Iran und andere Länder, nicht mit am Tisch saßen. Wir haben immer gesagt, wir werden den Konflikt in Syrien nicht beenden, wenn nicht auch Iran mit am Tisch sitzt, und das ist, glaube ich, das eigentliche Problem im Moment. Sie müssen Iran und Saudi-Arabien, Russland und die USA und die Türkei mit an einen Tisch bringen, die alle sehr unterschiedliche Interessen haben. Aber aus meiner Sicht ist dieser Krieg in Syrien seit mehreren Jahren schon ein Stellvertreterkrieg und dann müssen Sie eben die Mächte, die dort den Stellvertreterkrieg führen, die müssen Sie an einen Tisch bringen.
    Grieß: Jetzt haben wir zwei dieser Schauplätze besprochen, Herr van Aken. Ist das zurzeit eine schwierige Zeit für Außenpolitiker, die werteorientiert arbeiten und denken? Denn im Augenblick haben ja vor allem die Realpolitiker das Sagen.
    van Aken: Ich kann Ihnen sagen! Ich meine, so jemand wie Assad, so jemand wie Putin, aber auch so jemand wie die Obama-Administration möchte man ja eigentlich nicht mit spitzen Fingern anfassen, bei all dem Blut, was daran klebt. Auf der anderen Seite geht die Lösung tatsächlich nur mit Saudi-Arabien, mit Iran, mit Obama, mit Putin. Das ist leider so und dann muss man, glaube ich, über viele, viele Schatten springen. Aber ich sage immer: Lieber mit jemand wie Assad verhandeln, als dass noch weitere 100.000 Menschen sterben in Syrien.
    Grieß: Sollten wir auch über den Schatten springen und die Sanktionen gegen Russland, die in ganz anderer Sache erlassen worden sind, nämlich Ukraine, auslaufen lassen?
    van Aken: Die Verbindung finde ich jetzt eine völlig schräge, die jetzt gerade gemacht wird. Ich fand die Sanktionen immer falsch. Das hat aber mit der Ukraine und vor allen Dingen mit dem deutschen Verhältnis zu Russland zu tun. Aber jetzt das als Deal für ein Wohlverhalten in Syrien anzubieten, das verstehe ich überhaupt nicht, was das soll.
    Grieß: Das findet in Ihrer Partei auch keinerlei Anklang?
    van Aken: Na ja. Wie gesagt, ich war von Anfang an immer gegen diese Sanktionen, genauso aber auch, wie ich gegen Sanktionen in anderen Ländern bin, weil sie funktionieren nicht. Sie treffen immer die falschen. Ich war auch gegen die Iran-Sanktionen, ohne jetzt das iranische Regime gut zu finden. Das heißt, bei uns in der Linken finden diese Sanktionen gegen Russland überhaupt keinen Anklang. Aber jetzt diesen Deal, was soll denn das? Es gab schon immer gute Gründe, die Sanktionen fallen zu lassen, aber jetzt zu sagen, na ja, in Syrien, jetzt haben wir endlich mal ein gutes Argument, das finde ich dann nicht richtig.
    Grieß: Danke schön! Jan van Aken, der außenpolitische Sprecher der Linken im Deutschen Bundestag. Afghanistan, Syrien, Ukraine, das waren die Schauplätze. Danke und einen schönen guten Tag nach Berlin.
    van Aken: Ja! Ihnen auch einen guten Tag.
    //Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eig