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Friedman: Ahmadinedschad ist "Ikone für die Neonazis"

Der Fernsehmoderator und Politiker Michel Friedman sieht eine "unsägliche" Allianz zwischen deutschen Rechtsradikalen und dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Dieser sei mittlerweile eine "Ikone" für Neonazis geworden. Friedman forderte die Bundesregierung auf, den iranischen Präsidenten nicht nach Deutschland einreisen zu lassen.

Moderation: Katja Lückert | 22.05.2006
    Katja Lückert: Deutschland - das Reiseziel in diesem Sommer - rund 11 Millionen Besucher werden zur Fußballweltmeisterschaft erwartet. Was werden wir erleben? Friedliches Kicken oder Ausschreitungen und Gewalt? Die Spannung steigt nicht nur in den Trainingslagern, sondern auch in den gastgebenden Städten . Da war die Reisewarnung des ehemaligen Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye und nun der Verfassungsschutzbericht von Innenminister Wolfgang Schäuble, der bescheinigt, dass die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten in Deutschland im vergangenen Jahr sprunghaft gestiegen sei. Und schon gibt es Hinweise, dass Rechtsextreme vor den Spielen der iranischen Mannschaft demonstrieren wollen. Ist man in Deutschland wirklich zu Gast bei Freunden während der Fußballweltmeisterschaft?

    Michel Friedman ist Präsident der Organisation " Vereinigte Israel Aktion", die in der ganzen Welt im Auftrag Israels Spenden für den jüdischen Staat sammelt. Die Organisation hat nun ebenfalls Kundgebungen während der Spiele der iranischen Mannschaft, etwa in Nürnberg oder in Frankfurt geplant.

    Herr Friedman, was beabsichtigen Sie genau mit solchen Auftritten?

    Michel Friedman: Fußball ist eben nicht, wie man so gerne sagt, apolitisch und selbstverständlich steht die iranische Fußballmannschaft ebenfalls für das Regime, das sie repräsentiert. Und dieses Regime ist in einer Art und Weise antiisraelisch und antisemitisch, wie es das eigentlich nicht mehr seit Jahrzehnten gegeben hat. Der iranische Staatspräsident leugnet öffentlich und offiziell den Holocaust und spricht sich für die Vernichtung des Staates Israel aus. Diese Demonstrationen sind keine Demonstrationen gegen das iranische Volk aber gegen die Machthaber, die das Volk repräsentieren und ich denke, dass wenn die internationale Gemeinschaft, bei den Fußballspielen mit der iranischen Mannschaft konfrontiert wird, eine Sensibilisierung stattfinden soll, dass es hier nicht Business as usual gibt, sondern dass diese Mannschaft ein Regime präsentiert, das sich von allem menschlichen und zivilisierten Formen verabschiedet hat.

    Lückert: Welche Risiken bergen denn solche Aktivitäten, wenn sie denn wirklich in diese Stadien gehen und diesen physischen Kontakt mit den Menschen haben?

    Friedman: Ich gehe davon aus, dass die Polizei die Demonstration zu schützen gedenken wird. Dies alles sind friedliche Aktionen, die sich nach den Regeln und den Rechtsregeln unserer Bundesrepublik Deutschland orientieren. Es hat etwas mit freier Meinungsäußerung zu tun. Und man darf nicht Angst haben.

    Lückert: Ist es denn auch eine Reaktion auf die Aktion der Neonazis, die Ahmadinedschad unterstützen?

    Friedman: Das ist völlig richtig, wir sehen ja wie eine unsägliche Allianz stattfindet, zwischen den Nazis in Deutschland und in Europa und dem iranischen Staatspräsident, der mittlerweile eine Ikone für die Neonazis geworden ist. Und die demokratische, zivilisierte Gesellschaft darf sich davon nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil, es ist Zeit, dass wir gerade diese Spiele nicht den Rechtsradikalen und ihren Aktionen überlassen, sondern dass wir demokratisch, frei und zivilisiert zeigen, wo wir stehen. Nämlich für ein Miteinander der Religionen. Für eine Verantwortung, die aus der Vernichtung des Judentums entstanden ist und letztendlich für die Existenz des israelischen Staates, übrigens die einzige Demokratie im Nahen Osten.

    Lückert: Wie kommen Sie denn in die Stadien hinein?

    Friedman: Nun wir hoffen, dass ein paar unserer Aktivisten ganz normal Karten bekommen haben und wir werden auch vor den Stadien unsere Meinung kundtun. Und diese Auseinandersetzung muss stattfinden.

    Lückert: Sie wollen aber nicht mir juristischen Mitteln gegen die Leugnung des Holocausts vorgehen. Also warum suchen Sie diesen physischen Kontakt?

    Friedman: Die Problematik besteht darin, dass der iranische Staatspräsident als Politiker, als Repräsentant eines Staates Immunität genießt. Aber sollte er nach Deutschland kommen wollen, kann ich der Bundesregierung nur raten und sie auffordern, ihn nicht nach Deutschland kommen zu lassen und ihn als unerwünschte Person, außerhalb Deutschlands beizubehalten. Es gibt zwar eine Vereinbarung mit der FIFA, dass alle Repräsentanten der Staaten, in denen die Fußballmannschaften spielen, auch kommen dürfen. Aber ich glaube in der Abwägung muss es hier ein politisches Signal geben. Sollte der iranische Staatspräsident nach Deutschland kommen wollen, müssen ihm die Grenzen versperrt sein.

    Lückert: Wird denn dann aus der Fußballweltmeisterschaft dennoch ein Krieg der Kulturen?

    Friedman: Ganz und gar nicht. Hier geht es nicht um einen Krieg der Kulturen, sondern hier geht es um eine Auseinandersetzung von Standpunkten und von Werten, für die wir Jahrzehente lang alle gemeinsam gearbeitet, gelebt, gekämpft haben, nämlich die Tatsache, dass in dem Moment, wo man den Holocaust leugnet, in dem Moment, wo man Israel vernichten möchte, die normale, demokratische Streitkultur aufhört und hier einfach ganz andere Eckpunkte gesetzt werden müssen.

    Wenn wir aus Angst vor Neonazis unsere eigene Freiheit nicht mehr leben, dann haben die Neonazis gewonnen. Wir müssen uns vor diesen Neonazis schützen. Wir müssen aber auch unser Gesicht zeigen. Wir können nicht zurückweichen, weil wir wissen, dass Neonazis gewalttätig sind. Das wäre der Offenbarungseid.
    Lückert: Michel Friedman, zu den geplanten Protestkundgebungen während der Fußballweltmeisterschaft, war das.