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Frieren ohne Ende

Es ist ein Anblick wie im Krieg: Leute entfachen Holzfeuer auf den Straßen, wärmen sich in Gruppen an den Flammen, ringsherum heruntergekommene Wohnblöcke. Ein Neunjähriger schreit voller Wut ins Mikrofon.

Sabine Adler |
    "Wir wollen Licht, und zwar jeden Tag. Schaltet gefälligst nicht immer den Strom ab. Ich gehe nachmittags zur zweiten Schicht in die Schule, aber da kann ich nicht lernen, nichts kann ich machen, jeden Abend sitzen wir bei Kerzenschein."

    Die Geduld der Menschen ist allmählich erschöpft. Seit November schon bleiben ganze Stadtviertel von Wladiwostok im Fernen Osten Russlands stunden- oft auch tagelang kalt und dunkel. Die Tapeten in den Wohnungen sind mit dicken Eiskristallen überzogen, die Menschen können nicht duschen, keine Wäsche waschen, häufig nicht mal mehr kochen, sie steigen seit Wochen schon mit Pelzmänteln in ihre Betten. In Omsk kam noch ein Wasserrohrbruch dazu, so dass nicht einmal kaltes Wasser floss, von warmem ganz zu schweigen. Aus allen Orten und Gebieten, aus denen in den vergangenen Wochen Kälterekorde gemeldet wurden, gab es wenig später die Katastrophenberichte. Nowoschachtlinsk: minus 34 Grad, nach einem längeren Stromausfall friert auch die Kanalisation ein. Barnaul: minus 48 Grad, Krankenhauspatienten werden evakuiert, weil dem Kraftwerk die Kohle am Förderband fest gefroren ist. Kemerowo: minus 57 Grad, die Gasleitung ist explodiert, etliche Dörfer und Betriebe sind tagelang ohne Strom, eine Kokserei steht still. Krasnojarsk: minus 50 Grad, 25 Menschen erfrieren in der tagelangen Extremkälte, etlichen Notfallopfern müssen erfrorene Gliedmaßen amputiert werden, 31 Personen sterben bei Zimmerbränden. Altai minus 53 Grad, Aufzüge funktionieren nicht mehr, weil sie nur für 40 Grad Frost ausgelegt sind, Überlandbusse dürfen nicht über die Dörfer fahren, denn jede Panne bringt die Passagiere in Gefahr. Erk Rohloff, der für die Gesellschaft für Technischen Zusammenarbeit gegenwärtig in Novosibirsk arbeitet, hat die ungewöhnlich lang andauernde Rekordkälte jenseits des Urals am eigenen Leib erlebt.

    Erk Rohloff: "Wenn das erst im Dezember so minus 10 Grad sind und dann plötzlich mal minus 30, den Unterschied merkt man nicht so stark, weil es eine trockene Kälte ist. Wenn es dann aber weiter absackt, dann hat man das Gefühl, man kommt raus auf die Straße und die Luft, die Atmosphäre packt einen und lässt einen nicht wieder los. Man kommt sich vor wie in einem kleinen Kältesarkophag. Wenn dann der Wind weht, hat man das Gefühl, es fliegt einem der Kopf weg."

    In Erk Rohloffs Wohnung sank die Temperatur auf 15 Grad, aber anders als der Deutsche können nur die wenigsten Einheimischen der Kälte entfliehen. Sie müssen sich einrichten in dem Frost, helfen sich mit selbstgebauten Öfchen, die äußerst gefährlich sind. Die Feuerwehr ist im Dauereinsatz, denn die Wohnungsbrände haben überdurchschnittlich zugenommen, ständig friert das Löschwasser ein. Als sich das russische Parlament in Moskau, die Duma, Ende November mit der Lage in Fernost befasste, hatten die Einwohner so fern von der Hauptstadt noch die Hoffnung, dass die Situation in den Griff zu bekommen ist. Dass mit Finanzspritzen Brennstoffe und Ersatzteile für die Kraftwerke und maroden Fernwärmenetze gekauft werden können, dass das Frieren schon bald ein Ende haben wird. Weit gefehlt. Leider wurde wahr, was der Chef des größten Energieunternehmens in Rußland, RAO EES, prophezeit hatte: Einen schnellen Ausweg gibt es nicht. Generaldirektor Anatoli Tschubais erklärte am Beispiel der Stadt Artjom, in welchem Ausmaß sich die Probleme angehäuft haben.

    Anatoli Tschubais: "In der Stadt sind die gesamten Anlagen für die Energieversorgung zerstört. Ventile aus Buntmetall wurden gestohlen, die Wasserleitung sind verschlissen, die Fernwärmeleitungen sind teilweise defekt. Aus diesen Gründen kann nur wenig mehr als die Hälfte der Häuser, genau 52 Prozent, mit Fernwärme und warmem Wasser versorgt werden."

    Das Stromunternehmen fordert seit Jahren schon eine andere Energiepolitik. Eine konzern-eigene Arbeitsgruppe von rund 20 Mitgliedern hat ein Restrukturisierungsprogramm vorgelegt, doch in Moskau können sich Energie-, Wirtschafts- und Finanzministerium nicht einigen, nach welchem Plan begonnen wird und so geschieht vorläufig gar nichts. Arkadij Wolskij, Präsident des Russischen Industriellen - und Unternehmerverbandes kritisiert den Vorschlag des Stromgiganten, das bislang zentrale Kraftwerksnetz in 10 bis 15 Regionalverbunde aufzusplitten.

    Arkadij Wolskij: " Tschubais will die Elektrizitätswerke in den Regionen privatisieren, sie damit aus dem zentralen Energieverbund ausgliedern. Wir entgegnen ihm: Rußland ist ein riesiges Land. Wenn die Menschen in Fernost ihre Fernseher und das Licht ausschalten und schlafen gehen, dann wachen sie in Sibirien gerade auf und in Moskau schlafen sie noch. Wenn etwas am Vereinigten Energiesystem der Sowjetunion gut war, dann die Umschaltung des maximalen Energieverbrauchs von Fernost bis Kaliningrad. Ich sehe nicht, wie sich jetzt ein normaler Dispatcher von RAO EES mit seinen Kollegen in anderen Regionen abstimmt. Dass in Sibirien das Licht angeht, wenn es im fernen Osten ausgeht. Um eine Privatisierung kommen wir nicht herum, aber sie darf nicht übereilt erfolgen."

    Dass die Weichen grundlegend neu gestellt werden müssen, bestreitet niemand, doch mit der Entscheidung lässt sich Moskau Zeit. Die Leidtragenden sind die Menschen in den kalten Wohnungen. Elena Medwjedjewa, die Mitautorin des Reformprogrammes, bestätigt, dass die Zögerlichkeit zu Lasten der kleinen Leute geht.

    Elena Medwjedjewa: "Sie sind Geiseln der falschen staatlichen Energiepolitik der letzten Jahre. All die Jahre haben die Strompreise noch nicht einmal die Selbstkosten der Energieproduktion erreicht. Alle Versuche, die Kraftwerke von Dalenergo in Wladiwostok neu zu organisieren, sie schlanker und effektiver zu machen, stießen auf den Widerstand der örtlichen Verwaltung. Es gab sogar Verwaltungsvertreter, die im Radio erklärten, dass die Energiebetriebe dazu verpflichtet sind, Energie zu liefern. Aber dafür zu zahlen, steht für sie an letzter Stelle. Das hat natürlich die Verbraucher dazu ermuntert, die Stromrechnungen nicht zu begleichen. Die Folge ist, dass kein Geld da war, um einen Brennstoffvorrat anzulegen und so konnte die Wärmeversorgung nicht gesichert werden."

    Mehr als 10 Wochen hat der russische Präsident Wladimir Putin gewartet, bevor er sich zur Energiekrise in Sibirien und im Fernen Osten öffentlich äußerte. Auf einer Sitzung mit den Regierungsmitgliedern fragte er deshalb erstaunt, halb resignierend in die Runde, warum Rußland mit der Situation nicht fertig wird, das war alles. Der zuständige Gouverneur von Primorje, Jewgeni Nasdrjatenko in Wladiwostok, gab sich zu Beginn der Krise, Ende November, noch ganz zuversichtlich, dass man auch diesen Winter meistern würde. Er hat Erfahrung, denn seit 10 Jahren schon wiederholt es sich Winter für Winter: Die Wohnungen bleiben kalt, ohne Strom, ohne Licht. Dicke zugefrorene Rohre, an denen sich meterlange Eiszapfen bilden, werden zum Symbol für seine Stadt und Region. Doch dem Gouverneur passiert nichts. Wladimir Putin sitzt in Moskau und schweigt. Grund allen Übels ist die chronische Unterfinanzierung des Energiesektors. Zum einen wegen der niedrigen Strompreise, zum anderen wegen der Zahlungsrückstände der Verbraucher, die trotz der niedrigen Kosten ihre Rechnungen nicht begleichen. Aus diesem Grund griff Anatoli Tschubais, Chef des Stromverbundes, zu einer rabiaten Methode: Erstmals wurde dem, der nicht zahlte, der Strom abgestellt. Dafür hasst man ihn jetzt. Doch seine Konsequenz zeigte Wirkung, die Verbraucher bezahlen ihre Stromrechnungen endlich pünktlicher. Elena Medwjedjewa, Tschubais Mitarbeiterin, hält wie ihr Chef eine Liberalisierung, das heißt Steigerung, der Strompreise für überfällig, nur so können die dringend notwendigen Investitionen getätigt werden.

    Elena Medwjedjewa: "Wir haben Kraftwerke, die schon seit den 20er Jahren am Netz sind. Man muss sie abschalten, denn sie fallen förmlich in sich zusammen. Aber einen Teil der Ausrüstung in Kraftwerken, der noch nicht so alt ist, kann man noch ein wenig länger nutzen, vielleicht 5 Jahre. Aber spätestens 2006 wird es unweigerlich zu einem Kapazitätsproblem kommen."

    In die Kraftwerke, das Fernwärme- und Stromnetz wie auch die Überlandleitungen ist seit Jahrzehnten keine Kopeke investiert worden. Die letzten Kraftwerksneubauten gab es in den 80er Jahren, der viel gelobte und besungene Bauboom in der Energiewirtschaft liegt inzwischen 30 bis 40 Jahre zurück. Die damals vergleichsweise reiche Sowjetunion schöpfte aus dem Vollen. Konstantin Resnikow, Energieanalyst bei einer der größten Banken Russlands, der Alfa-Bank, erklärt, wie schwer diese Erblast heute wiegt.

    Konstantin Resnikow: "Als man die Kraftwerke in den 60er und 70er Jahren baute, dachte niemand über Energieeinsparung nach, denn damals gab es genügend Ressourcen und die Preise waren niedriger. Die Sowjetunion hielt das nicht für wichtig, obwohl zu jener Zeit viele westliche Firmen schon viel Geld ausgaben, um Möglichkeiten zur Energieeinsparung zu finden. Die Sowjetunion blieb weit dahinter zurück und die Kraftwerke hier sind ganz einfach ineffektiv."

    Deshalb benötigen sie Unmengen an Gas, Heizöl bzw. Kohle. Da die Kraftwerke vor allem von den staatlichen Einrichtungen nicht bezahlt werden, fehlt ihnen das Geld, einen Brennstoffvorrat für den Winter anzulegen. Dabei sind die russischen Inlandspreise für Energieträger verglichen mit den Weltmarktpreisen unschlagbar niedrig. Bei Gas öffnet sich die Schere zwischen Europa und Rußland am weitesten, erklärt Konstantin Resnikow, der Analyst der Alfa-Bank.

    Konstantin Resnikow: "Der Preis in Europa ist zehn mal höher als in Rußland. In Rußland kosten 1000 Kubikmeter Gas 14;15 Dollar, in Europa bekommt man für 1000 Kubikmeter Gas mehr als 100 Dollar. Natürlich sind die Firmen angesichts dessen interessiert, soviel wie möglich zu exportieren."

    Zwei Drittel des in Russland geförderten Gases verbraucht das Land selbst. Angesichts der chronischen Brennstoffkrise belegt der russische Staat die Exporte mit hohen Zöllen, der eigene Markt hat Vorrang. Ein Drittel des in Russland gewonnenen Erdgases wird ins Ausland verkauft. Großfirmen, wie der Branchenführer Gasprom, würden ihre Liefermengen gern erhöhen, doch das ist trotz der großen Lagerstätten nicht so einfach wie es auf den ersten Blick scheint.

    Konstantin Resnikow: "Gasprom ist in einer schwierigen Situation. Alle Lagerstätten aus den 70er Jahren sind nahezu erschöpft. Deshalb benötigt man jetzt große Investitionen, um neue Fundstätten zu erschließen. Allein bringt Gasprom das Geld dafür aber nicht auf."

    Auf der einen Seite hat Gasprom, der größte Erdgasförderer und Lieferant Russlands, im vorigen Jahr auf Grund des hohen Erdöl- und damit Erdgaspreises Rekordeinnahmen erzielt. Andererseits ist der Konzern hoch verschuldet. Jedes Jahr müssen rund zwei Milliarden Dollar abbezahlt werden. Sollen neue Lagerstätten erschlossen werden, braucht Gasprom Geld. Die Unternehmensleitung fordert deshalb dringend das Ende der Niedrigpreispolitik für den Gasverkauf auf dem heimischen Markt. Wenn die Kraftwerke mehr für Gas, Öl oder Kohle zahlen müssen, steigen auch die Strompreise. Die Energiewirtschafter halten dies für überfällig. Der Sektor lebt seit Jahren von der Substanz, fährt seine Leistung mangels Investitionen immer weiter herunter und könnte schon bald den ständig steigenden Anforderungen der Industrie, die sich derzeit immerhin in einem Wachstum befindet, nicht mehr standhalten. Aus Russland, das in der Vergangenheit mehr Energie produziert hat, als es selbst benötigte, könnte ein Stromimporteur werden. Elena Medwjedjewa, Mitautorin des Reformprogrammes des Konzerns, hält diese düstere Aussicht für begründet.

    Elena Medwjedjewa: "Wenn man nichts tut, besteht diese Gefahr tatsächlich. Die einen sprechen vom Jahr 2003, andere von 2006. Von da an könnte die Wirtschaft deutlich gebremst werden, allein durch fehlende Energielieferungen. Durch Begrenzungen, Abschaltungen usw. Und das hat noch nichts damit zu tun, dass irgendwer seine Rechnungen nicht bezahlt, sondern weil wir nicht in der Lage sein werden, die Wirtschaft zu versorgen. Wenn man das Energiesystem nicht finanziert, weiter bei den regulierten Preisen bleibt, wird in wenigen Jahren das Bruttoinlandsprodukt sinken, das Wachstumstempo wird soweit abnehmen, dass es bei Null ankommt."

    Einziger Lichtblick in Bezug auf die Energiebilanz ist die Atomwirtschaft. Sie befindet sich erstmals wieder auf dem selben Niveau wie zu Sowjetzeiten. In den vergangenen zwei Jahren wurde die Atomstromproduktion um 30 Prozent erhöht. Atomminister Jewgeni Adamow möchte diesen Trend fortsetzen. Ein nagelneues Kraftwerk sowjetischer Bauart, das AKW in Rostow am Don wird in diesen Tagen mit Brennstäben bestückt und soll spätestens zur nächsten Heizperiode seine volle Leistung ins Netz einspeisen. Rund 15 Prozent der Energieproduktion Russlands werden in AKW erzeugt. In den kommenden 10 Jahren möchte der Minister die Atomstromproduktion verdoppeln. Ein überaus einträgliches Geschäft, auch zur Finanzierung neuer Kernkraftwerke, sieht Minister Adamow zudem in der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennstäben mit Hilfe der Hanauer Brennelementefabrik. Er bedauert, dass der Liefervertrag noch immer nicht unter Dach und Fach ist.

    Jewgeni Adamow: "Es gibt keinen Vertrag, die Gespräche dauern bereits recht lange. Wenn es eine Möglichkeit gibt, atomwaffenfähiges Plutonium so aufzuarbeiten, dass daraus Brennstäbe entstehen für die AKW in Russland und im Ausland, dann brauchen wir die Hanauer Fabrik. Übrigens ist es schade, dass die Deutschen die Anlage nicht nutzen und sie dort nur herumsteht."

    Der Gedanke, Strom einzusparen und sich loszulösen von der Tonnenideologie, verbreitet sich in Russland nur zögerlich. Die größten Ressourcen, sagen Fachleute, liegen nicht in den Öl- und Gasfeldern sondern in russischen Städten. Ausländische Energieexperten haben in einem Gutachten nachgewiesen, dass allein die 10-Millionenstadt Moskau soviel Energie verbraucht wie die alte Bundesrepublik mit ihren 60 Millionen Einwohnern. Die Verschwendung ist allgegenwärtig. Statt die Raumtemperatur mit Thermostaten zu regeln, gilt in Russland die "Fenster-auf-Fenster-zu-Methode". Die Einheitswohnblocks werden aus Betonplatten zusammengesetzt, die nicht isoliert sind, durch die dürftig verschmierten Ritzen pfeift der Wind, dass die Gardinen wehen. Fenster sind in der Regel undicht und nur einfach verglast. Wasser, das mit 90 Grad auf die Reise durch die Fernwärme- und Heißwasserrohre geschickt wird, kommt häufig bestenfalls mit 35 Grad beim Verbraucher an, denn die Leitungen sind, wenn überhaupt, nur schlampig in Dämmmaterial eingepackt. Wladimir Woroschichin arbeitet in einer Moskauer Energieagentur, die Verbraucher berät, wie sie Energie sparen können. Wichtigster Grundsatz: Die Maßnahmen dürfen nichts oder fast nichts kosten, die Verbraucher würden die Investitionen dafür ohnehin nicht aufbringen. So schlägt er Unternehmen, die nicht im Schichtbetrieb arbeiten, eine Nachtabsenkung der Heizungen vor. Die Heizungs- und Warmwasserleitungen werden auf undichte Stellen hin untersucht und geflickt, auch das senkt den Heißwasserverbrauch. 200 Moskauer Unternehmen hat er inzwischen beraten, alle konnten ihre Kosten mindern, ohne dass auch nur ein Thermostat eingebaut wurde. Doch bei den Staatsbeamten, die für die kommunalen Wohnungen, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Bibliotheken oder Verwaltungsgebäude zuständig sind, beißt der Energieingenieur häufig auf Granit.

    Wladimir Woroschichin: "Die Staatsbeamten haben keinerlei Interesse. Sie bekommen vom Staat ihr festes Gehalt, unabhängig von ihren Leistungen. So ist das System. Alle Veränderungen sind für sie uninteressant. Jeder, der etwas unternimmt, schafft sich damit nur Probleme. Wenn zum Beispiel ein Chefingenieur eine Stromzähler installieren lässt und der dann irgendwann nicht mehr funktioniert und repariert werden muss, bekommt dieser Ingenieur einen Anpfiff."

    Die Moskauer Mitarbeiter von TACIS, dem Technischen Hilfswerk der Europäischen Union für Osteuropa haben ein Projekt verwirklicht, das überzeugt, aber kostet. Sie haben einen herkömmlichen Wohnblock, - neun Etagen, vier Eingänge - so umgerüstet, dass Energie eingespart wird. Außerdem bauten sie einen neuen Block, der sich vom gängigen Bautyp nur in einem Punkt unterscheidet: In diesem Neubau sind Energiesparmaßnahmen von vornherein berücksichtigt worden. Sergej Kischenko, der TACIS-Projektleiter in Moskau, erklärt, was verändert wurde.

    Sergej Kischenko: "Unserer Einschätzung nach ist es möglich, in dem neuen Haus 30-35 Prozent weniger Energie zu verbrauchen. In dem alten Haus erwarten wir ebenfalls eine Einsparung von rund 40 Prozent. Das ist zu schaffen, weil wir zum Beispiel ein neues Heizungssystem installiert haben. Zu unseren Heizungen führt jetzt nicht mehr nur eine Warmwasserleitung, sondern zwei. Außerdem bauten wir neue Heizkörper mit Thermostaten ein und neue Fenster. Die Fassade isolierten wir mit Mineralwolle und bei dem neuen Haus wurden auch die Keller und das Dach mit Dämmmaterial versehen."

    All diese langfristig notwendigen Maßnahmen ersetzen jedoch nicht das aktuell dringende Handeln. In Primorje, dem Gebiet um Wladiwostok, sind immer mehr Menschen mit ihrer Geduld am Ende. Seit Tagen schon besetzen sie Fernverkehrstraßen, am Mittwoch blockierten sie zum ersten Mal die Schienen der Transibirischen Eisenbahn. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Der anwesende Vertreter der örtlichen Verwaltung machte eine hilflose Figur. Er wollte über die Anstrengungen der Administration berichten, die Wärmeversorgung wieder sicher zu stellen, doch er war alles andere als überzeugend.

    Wir heizen doch die Kessel, wir versuchen ja, den Wasserdruck zu erhöhen, erklärt der Beamte. Was er sagt, bringt die Bürger nur noch mehr auf, denn, so schimpfen sie, was redet er da von Wasserdampf, wo doch gerade die Heizkörper ausgetauscht werden. Die Demonstranten versuchen, auf die Schienen zu gelangen. Hören sie auf, bittet ein Polizist. Doch die Menschen sind zutiefst empört. Wofür haben wir Sie gewählt, sie sollten uns doch eigentlich schützen. Die Verzweiflung hat inzwischen die Geduld besiegt, wie viel allerdings von dem Zorn in Fernost Tausende Kilometer weiter westlich in Moskau wahrgenommen wird, ist eine ganz andere Frage.