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"Frings ist nicht mehr in der Form, in der er einmal war"

Nach Ansicht von Nationalmannschaftsreporter Kai Hoffmann ist die Kritik von Mannschaftskapitän Michael Ballack an Bundestrainer Joachim Löw in Bezug auf die Personalie Torsten Frings unberechtigt. Frings sei ein Spieler, der langsam auf das Ende seiner Karriere zugehe. Der Bundestrainer versuche derzeit einen Verjüngungsprozess zu forcieren. Da müsse Frings schon mal die Bank drücken, so Hoffmann.

Kai Hoffmann im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: In der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hängt der Haussegen schief. Wo fangen wir an? Vielleicht beim Ausreißer Kevin Kuranyi, der sich vom Acker machte und seine Kameraden im Bus warten ließ. Dann Michael Ballacks Interview: in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" kritisierte der Kapitän den Führungsstil des Trainers. Diese Kritik hätte Ballack, auch wenn sie berechtigt wäre, nicht in die Öffentlichkeit tragen sollen, meint zum Beispiel auch Philipp Lahm:

    Philipp Lahm: Führung bedeutet für mich, dass man in erster Linie intern alles anspricht. Und wenn der Bundestrainer mich nach der Meinung fragt, dann werde ich sie ihm sagen, aber intern alles. Das zeigt einfach Führungsstil. Der Trainer lädt den Kader ein, der Trainer stellt auf. Das hat jeder Spieler zu akzeptieren. Und wenn er es nicht akzeptiert, dann muss man das intern ansprechen, aber mit Sicherheit nicht in der Öffentlichkeit.

    Heinemann: Meint wie gesagt Philipp Lahm. - Im Studio ist jetzt Kai Hoffmann, unser Nationalmannschaftsreporter. Herr Hoffmann, Ballack hatte am Dienstag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor allem in Bezug auf die Personalie Torsten Frings mehr Respekt und Loyalität von Löw gefordert. Ist die Kritik in der Sache berechtigt?

    Kai Hoffmann: Ich glaube, dass diese Kritik nicht berechtigt ist, denn Torsten Frings ist ein Spieler, der so langsam auf das Ende seiner Karriere zugeht. Er hat seine Verdienste bei Werder Bremen, bei Bayern München erworben, natürlich auch in der Nationalmannschaft. Er bildete dort ja lange Zeit mit Ballack gemeinsam ein, ich sage mal, kongeniales Duo. Der große Titel ist beiden gemeinsam verwehrt geblieben. Frings ist nicht mehr in der Form, in der er einmal war, und der Bundestrainer versucht eben jetzt, diesen Verjüngungsprozess zu forcieren. Die Konsequenz ist, dass ein Frings dann eben auch mal draußen sitzen muss.

    Heinemann: Macht Löw das mit den richtigen Mitteln? Hat er ihn auch entsprechend vorbereitet?

    Hoffmann: Nun habe ich nicht dabei gesessen, als die beiden ihre internen Gespräche geführt haben, aber ich gehe davon aus, dass Joachim Löw immer den korrekten Weg wählt. So präsentiert er sich in der Öffentlichkeit, so präsentiert er sich eigentlich auch im konkreten persönlichen Gespräch. Man kann sich verlassen auf das, was er sagt, was er zusagt, auch als Journalist. Insofern gehe ich schon davon aus, dass er gleiches dann eben auch mit den Spielern tut.

    Heinemann: Wir haben eben Philipp Lahm gehört. Wir wollen eine weitere Stimme hören, die von Karl-Heinz Rummenigge, der ins selbe Horn stößt, aber noch etwas hinzufügt.

    Karl-Heinz Rummenigge: Grundsätzlich geht es überhaupt nicht, dass ein Spieler über die Öffentlichkeit einen Trainer kritisiert. Jogi Löw ist qua Amt der wichtigste Trainer des Landes und er darf sich das auch nicht gefallen lassen. Egal ob es ein Kapitän ist oder sonst wer ist, man darf den Bundestrainer nicht in der Öffentlichkeit kritisieren.

    Heinemann: Also Karl-Heinz Rummenigge sagt, Löw dürfe sich das nicht gefallen lassen. Nun soll es ein Gespräch Löw/Ballack geben. Löw könnte Ballack vor die Tür setzen. Kann er sich das erlauben?

    Hoffmann: Er könnte es sich vielleicht erlauben, würde aber dann einkalkulieren müssen, dass der Wind für ihn schärfer werden würde. Denn stellen wir uns einfach mal vor, in der WM-Qualifikation steht die DFB-Auswahl - deswegen das ganze sowieso unverständlich - ziemlich gut da zum Ende des offiziellen Länderspieljahres, zumindest wenn es um Pflichtspiele geht. Aber man stelle sich vor, Löw verlöre mit der Mannschaft jetzt sagen wir mal drei Spiele in Folge ohne den Kapitän. Dann würde es natürlich richtig Gegenwind geben. Dann würde sich mit Sicherheit auch Karl-Heinz Rummenigge wieder melden, dann würde sich Kaiser Franz Beckenbauer melden, der jetzt gesagt hat, ohne Ballack geht es nicht, in seiner berühmten Kolumne in der berühmten Boulevard-Zeitung. Vorher hat er die ganze Auseinandersetzung scharf kritisiert. Da ist vieles durcheinander geraten. Wir müssen aber an dieser Stelle festhalten: Wenn Joachim Löw das Zepter jetzt nicht total aus der Hand geben will, dann muss er durchgreifen. Denkbar wäre beispielsweise, dass man Michael Ballack das Kapitänsamt wegnimmt und einem Vertreter der jüngeren Generation - wir haben ihn gerade gehört - wie zum Beispiel Philipp Lahm die Binde anvertraut.

    Heinemann: Die Kolumne in der "Bildzeitung" haben Sie angesprochen. - Sie kennen beide, Sie kennen Jogi Löw, Sie kennen Michael Ballack. Wenn dieses Gespräch jetzt zu Stande kommt, welchen Verlauf wird es voraussichtlich nehmen? Werden die noch mal eins drauflegen, oder eher den Ball flach halten?

    Hoffmann: Es geht ja in erster Linie um verletzte Eitelkeiten. Michael Ballack ist - und das ist problematisch - immer verletzt gewesen, wenn es darum ging, das heißt, wenn er die Möglichkeit hatte, vielleicht einen großen Titel zu gewinnen - mit der Nationalmannschaft, aber auch mit dem Verein. Insofern fürchtet er, denke ich mal, ein klein wenig, dass er auch aussortiert werden könnte oder nicht mehr diese tragende Rolle spielen könnte mit Blick auf die Weltmeisterschaft in Südafrika 2010. Wenn er noch mal darüber nachdenkt, dann glaube ich schon, dass er Joachim Löw entgegenkommen wird, und der Bundestrainer wird anders als im Fall Kuranyi, wo ihm eigentlich überhaupt gar keine Wahl blieb, schon dafür sorgen, dass Ballack sein Gesicht wahren kann und dass beide unbeschadet aus dieser Geschichte herausgehen. Aber die Eitelkeiten müssen zurückstehen. Das gilt sicher auch ein bisschen für Joachim Löw.

    Heinemann: Kai Hoffmann, könnte sich dieser Streit von den Köpfen in die Beine verlagern? Beeinträchtigt diese Zwietracht das Spiel der Nationalmannschaft?

    Hoffmann: Es herrscht auf jeden Fall große Gefahr. Wir haben jetzt gesehen, dass das mit dem Sommermärchen und der großen "Elf-Freunde"-Harmonie doch tatsächlich ein Märchen ist, aber leider kein schönes, denn eins ist auch klar: Da sind 23 Spieler zusammen. Die haben ein egoistisches Ziel, nämlich für sich persönlich das beste rauszuholen. Wenn es im Kollektiv gut klappt, umso besser. Dann kann man nach außen auch Gemeinschaft demonstrieren. Insgesamt glaube ich einfach, dass man jetzt aufpassen muss, dass diese Zwietracht sich nicht ausweitet, dass es keinen Generationenkonflikt gibt zwischen den Spielern in dieser Mannschaft, denn sonst könnten auch vermeintlich sicher geglaubte Spiele am Ende verloren gehen, weil man sich eben nicht versteht.

    Heinemann: Kai Hoffmann, unser Nationalmannschaftsreporter.