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Frische Garnelen aus Rotterdam

Gegrillt, gekocht, mit Knoblauch oder einfach so - Garnelen fehlen auf keinem Büffet und keiner Paella. Bei uns kann man sie allerdings nur tiefgefroren kaufen. Zwei junge niederländische Unternehmer produzieren die kleinen Krebse jetzt im Hafen von Rotterdam. Naturschonenend und nahe bei den europäischen Konsumenten.

Von Remko Kragt |
    Fünf Uhr nachmittags am Hafen von Rotterdam. An den Stehtischen bei Schmidts Fischhandel beginnen Geschäftsleute aus den umliegenden Büros ihren Feierabend - nach niederländischer Sitte mit einem kleinen Imbiss. Im langen Kühltresen liegen Fische aus aller Welt, auf Tafeln darüber werden sie angepriesen. Dazwischen hängt ein unscheinbares Schultäfelchen mit einem besonderen Angebot: frisch gefangene Gambas. Die gibt es nur in Rotterdam, erläutert Verkäufer Wil van Mertenstein

    "Ja, wir sind die einzigen in Europa. Der Unterschied zwischen gefrorenen und frischen Gambas ist, dass die Proteine nicht kaputt frieren und der Geschmack - wenn er frisch ist, ist er süßer von Geschmack als wenn er gefroren wird."

    Die großen Garnelen können nur in tropischem Klima aufwachsen. Dass sie dennoch fangfrisch nach Rotterdam gelangen, liegt nicht etwa am besonders schnellen Transport. Vielmehr züchtet das kleine Unternehmen "Happy Shrimps" die Tiere nur wenige Kilometer entfernt in den Dünen an der Hafeneinfahrt. Der Clou: die Halle, in der die Tierchen aufwachsen, steht neben dem Kraftwerk, das den Hafen mit Strom versorgt. Dessen Abluft ist so warm, dass sie die Halle auf tropische Temperaturen heizen kann. Firmengründer Gilbert Courtessi erläutert die Idee:

    "Wir benutzen Wärme, die normalerweise die Atmosphäre belasten würde. Wir verwenden sie so, dass dabei auch noch ein schönes Produkt entsteht, eben unsere Shrimps. In dieser Gegend bei Rotterdam, aber auch im Ruhrgebiet entstehen riesige Mengen an Abwärme. Allein in Rotterdam so an die 2000 Megawatt. Damit könnte man viel mehr machen. Für diese Abwärme haben wir eine Anwendung gesucht. So machen wir aus einem Problem eine Chance."

    Die rechteckigen 24 Zuchtbecken sind zusammen fast so groß wie ein Fußballfeld. Garnelenlarven importiert der Betrieb aus den USA. Etwa sieben Monaten dauert es, bis die Gambas etwa fingergroß und damit schlachtreif sind. Sie leben in Meerwasser, das hier aus dem Boden gepumpt werden kann.

    In der Halle verschlägt es einem bei fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit den Atem. Es herrschen konstant 28 Grad, auch wenn es draußen friert und schneit. Wöchentlich liefert das Unternehmen knapp 500 Kilo Shrimps aus. Sie werden vor allem an gehobene Restaurants in den Niederlanden und Belgien verkauft.

    Die Zucht ist ein geschlossenes System, alle Abfälle werden verwertet. Die Exkremente der Garnelen etwa verwendet das Unternehmen als Dünger für den Anbau von Queller - ein essbares Salzgewächs - und Algen. Sie wiederum werden zu Futter verarbeitet. So profitiert auch die Umwelt von den Gambas aus Rotterdam. Gilbert Courtessi:

    "In den Tropen züchtet man die Garnelen in offenen Systemen. Sie belasten die Umwelt mit Abfallstoffen, Antibiotika und Pestiziden. Darüber hinaus findet die Zucht oft in Küstengebieten statt, die sehr empfindlich sind. Weit verbreitet ist die Zucht etwa in Mangrovenwäldern. Unsere Technik können wir irgendwann in die Tropen exportieren und damit helfen, eine nachhaltige Garnelenproduktion in geschlossenen Systemen aufzubauen."

    Trotz der frei verfügbaren Wärme ist die Schaffung eines tropischen Klimas in den niederländischen Dünen aufwändig und kompliziert. Fangfrische Garnelen sind deshalb teurer als ihre Artgenossen, die vor tropischen Küsten gefangen werden und gefroren nach Europa kommen. Ihr Preis übersteigt den der üblichen Süßwassergarnelen sogar um das Zwei- bis Dreifache. Dennoch gibt es keine Absatzprobleme, sagt Wil van Mertenstijn

    "Unsere Kunden zahlen das ohne Probleme. Aber wir brauchen vielleicht 40.000 oder 50.000 Kilo pro Jahr."

    So entwickelt Gilbert Courtessi bereits Expansionspläne. In Hamburg, Düsseldorf, in München hält der agile Unternehmer Ausschau nach geeigneten Standorten - jeweils neben einem Kraftwerk.