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Frischluft fürs All

Raumfahrt. - In einem ISS-Transportmodul kommt es in diesen Tagen erstmals zum Einsatz: Das vom Raumfahrtkonzern Astrium entwickelte völlig neuartige Lebenserhaltungssystem vereinigt gleich mehrere Vorteile. Es ist leise, es gewinnt Frischluft aus der ausgeatmeten Luft und es spart Kosten.

    Brummende Ventilatoren und sich ständig öffnende und schließende Ventile haben schon manchen Raumfahrer um den Schlaf gebracht. Dies dürfte der Grund sein, warum das Logistik-Modul Leonardo, auch MPLM genannt, bei Astronauten sehr beliebt ist. Die Geräuschdämmung ist um einiges besser als bei den russischen Modulen, die seit den MIR-Zeiten nur wenig weiterentwickelt wurden. Doch auch vor dem Labormodul der Amerikaner muss sich die Neuentwicklung nicht verstecken, wie Dr. Willigert Raatschen von Astrium in Friedrichshafen zu berichten weiß: "Es hat uns natürlich mit Stolz erfüllt, als das erste MPLM dort angedockt worden ist, dass die Astronauten sagten: Hey, das ist ja unheimlich ruhig, eigentlich würden wir ja hier ganz gerne schlafen."

    MPLM steht für Multi Purpose Logistics Module, eine Art Lastkraftwagen, um Experimentiervorrichtungen, Ersatzteile und Nachschub zur ISS zu bringen. Es enthält ein neues Lebenserhaltungssystem aus Deutschland. Das in der ISS überwiegend eingesetzte amerikanische System wird als offen bezeichnet: Das von den Astronauten ausgeatmete Kohlendioxid wird ungenutzt aus der Station geblasen. Das 'geschlossene' System der deutschen Entwickler verwandelt verbrauchte Luft wieder in frische Luft. Wenn es für die gesamte Raumstation eingesetzt würde, ließen sich die Transporte zur Station merklich reduzieren. Neben dem Kohlendioxid aus der Atemluft nutzt die Technik Wasserstoff, der bei der Elektrolyse an Bord anfällt und bislang ebenfalls über Bord geworfen wird. Diese beiden Stoffe werden in Wasser und Methan umgewandelt. Das System der Friedrichshafener Techniker hat dadurch einen besseren Wirkungsgrad, erklärt Willigert Raatschen: "Das ist kein Perpetuum Mobile, hat also auch Verluste. Aber das System selber, wie wir es jetzt hier gemacht haben, ist sehr effizient und wesentlich effizienter als das, was bislang von den Amerikanern und den Russen gemacht und entwickelt worden ist." Obwohl sich die Einsparung von Transportkosten in barer Münze auszahlen würde, ist es den deutschen Technikern bislang noch nicht gelungen, die NASA zum Einsatz ihres Systems zu bewegen. Den Willen, Geld zu sparen, hat Willigert Raatschen bei den NASA-Verantwortlichen vergeblich gesucht. im September soll das System aber dem NASA-Management vorgestellt werden. Danach könnte es dann darum gehen, wie viel die Weltraumbehörde zu zahlen bereit ist.

    [Quelle: Klaus Herbst]