Archiv


"Friss oder Stirb"

Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut hält Firmenkäufe für eine Methode zum Schutz eine Unternehmens vor der eigenen Übernahme. "Ein Unternehmen steht vor der Wahl, ob es entweder selber wächst, oder aber von irgendeinem größeren Wettbewerber einmal übernommen wird", sagte Leven. "Die Kunst bei dem Spiel der Fusionen und Übernahmen" liege allerdings darin, die passenden Partner zusammenzubringen.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut. Guten Morgen!

    Franz-Josef Leven: Guten Morgen!

    Dirk Müller: Herr Leven, wenn ein Unternehmen etwas von sich hält, muss es dann zwangsläufig größer werden?

    Leven: Es ist nicht die Frage, ob das Unternehmen etwas von sich hält, es ist die Frage, ob der Markt dies quasi erzwingt. Ein Unternehmen steht vor der Wahl, ob es entweder selber wächst, oder aber von irgendeinem größeren Wettbewerber einmal übernommen wird. Das heißt, die Frage ist, wenn man es drastisch ausdrücken möchte: Friss oder stirb!

    Müller: Also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird vielen Unternehmen quasi von außen die Pistole auf die Brust gesetzt. Und die sagen dann, dann gehen wir lieber selbst in die Offensive?

    Leven: Jedes Unternehmen wird ja von seinen Eigentümern auch dazu angehalten Erträge zu machen, Gewinn zu machen. Und dazu gehört ein Wachstum. Und dieses Wachstum kann man generieren, indem man selber neue Geschäfte generiert. Man kann aber auch wachsen, indem man Wettbewerber übernimmt. Und die Frage ist letztlich - da das ja eine Möglichkeit jedes Unternehmens ist, andere Unternehmen zu übernehmen - wird man selber so groß, auch durch Zukäufe, durch Fusionen, dass man zu teuer ist, um übernommen zu werden, oder ist man ein relativ kleines Unternehmen, weil man auf externes Wachstum verzichtet. Und dann ist man jemand, der für andere dann entsprechend ein Fusionsziel darstellen könnte.

    Müller: Herr Leven, Wachstum durch Übernahme, ist das ein gesundes Wachstum?

    Leven: Das kommt darauf an, ob die Unternehmen, die da zusammenkommen, zueinander passen oder nicht. Wenn ich ein Unternehmen kaufe, übernehme, das etwas völlig anderes herstellt und wo ich keinerlei dieser berühmten Synergieeffekte habe, dann ist das wahrscheinlich nicht mit großen wirtschaftlichen Zuwächsen oder Ertragszuwächsen, Kosteneinsparungen verbunden. Und da bin ich einfach nur größer geworden, aber nicht besser. Wenn ich aber jemanden finde, der Lücken bei mir schließt und der große zusätzliche Erträge ermöglicht, ohne dass viele Kosten dazu kommen, dann bin ich wirklich besser geworden. Und ich glaube die Kunst bei dem Spiel der Fusionen und Übernahmen liegt darin, die passenden Partner zusammenzubringen.

    Müller: Und im aktuellen Fall, Schering und Bayer, ist das gegeben, diese Passform?

    Leven: Das weiß ich nicht, das hoffe ich für die Aktionäre beider Unternehmen, dass dieses dann entsprechend zusammenpasst, dass zum Beispiel dadurch, dass die Produkte sich ergänzen, ein gemeinsamer Vertriebskanal beide Produkte zusammen besser vertreiben kann, dass vielleicht die Produktion effizienter geschehen kann, das wäre die Voraussetzung dafür, dass diese Fusion auch hinterher wirtschaftlich gelingt.

    Müller: Herr Leven, sind Fusionen auch immer eine gute Möglichkeit Beschäftigte loszuwerden?

    Leven: Es ist nicht das Ziel, denke ich einmal, von Fusionen, Beschäftigte loszuwerden, aber es ist ein Effekt der sehr oft auftritt. Wenn man von Kosteneinsparungen spricht, dann hört sich das immer sehr gut an, wenn man sich aber überlegt, welche Kosten sind das, dann sind das sehr oft Arbeitskosten. Und das ist für die Beschäftigten dann natürlich eine, um es positiv auszudrücken, unangenehme Situation.

    Allerdings muss man sich die Frage stellen, wenn eine Produktion mit angeblich jetzt 6000 Beschäftigten weniger stattfinden kann, dann gibt es auch für andere Marktteilnehmer Interesse, an diesem Geschäft mit der Kosteneinsparung teilzunehmen. Eine Fusion ermöglicht dann zwar diese Einsparung von in diesem Fall 6000 Arbeitsplätzen, aber sie ist nicht die Ursache dafür. Die Ursache ist dafür, dass wohl offensichtlich heute mit Strukturen gearbeitet wird, die früher sinnvoll waren, die heute nicht mehr sinnvoll sind. Und wenn irgendwo eine Reihe von Arbeitsplätzen eingespart werden kann, dann hat man die Möglichkeit, das entweder selber zu tun, oder dass Wettbewerber kommen, die günstiger produzieren, die diese Chancen nutzen und die das Unternehmen vom Markt verdrängen.

    Müller: Aber wenn wir noch einmal auf dieses Beispiel kommen. 6000 das ist ja die Zahl, die da im Gespräch ist. Also 6000 Arbeitsplätze könnten, sollen, verloren gehen. Wenn Schering wie auch Bayer alleine geblieben wären, in der Kontinuität ihres Konzerns, dann hätte es diese Entlassungen, das ist als Frage gemeint, nicht gegeben?

    Leven: Dann hätte es diese Entlassungen zunächst einmal nicht gegeben. Aber dann wären nach wie vor die Gesamtproduktionen von Schering und Bayer mit 6000 Arbeitsplätzen mehr erfolgt und mit Kosten für 6000 Arbeitsplätze mehr erfolgt, als das ökonomisch und technisch offensichtlich notwendig ist. Und das bedeutet einen erheblichen Kostenblock am Bein dieser beiden Gesellschaften. Das wiederum bedeutet dann, dass andere Pharmaunternehmen eventuell günstiger produzieren und dann Bayer und/oder Schering vom Markt verdrängen.

    Müller: Aber dass beide Unternehmen, wenn ich Sie unterbrechen darf, insgesamt mehrere Milliarden Euro an Gewinnen machen, ist dafür nicht relevant?

    Leven: Das ist dafür nicht relevant, weil andere halt günstiger sein können. Und die Frage ist nicht, wie viel Gewinn macht ein Unternehmen, sondern wie kostengünstig kann produziert werden. Und das ist da der entscheidende Treiber.

    Müller:! Bedeutet das langfristig gesehen, dass die Unternehmen mit Blick auf die Beschäftigtenzahl immer kleiner werden?

    Leven: Das bedeutet, dass die Unternehmen irgendwo ihre Beschäftigtenzahlen optimieren. Das bedeutet zum Teil, dass sie kleiner werden. Das bedeutet da, wo sie aber wachsen, indem sie bestimmte Produktionen aufbauen, auch neue Leute eingestellt werden.

    Müller: Franz-Josef Leven war das vom Deutschen Aktieninstitut. Vielen Dank für das Gespräch und Auf Wiederhören.

    Leven: Auf Wiederhören.