Dienstag, 19. März 2024

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Fritz Gerlich
Journalist und Hitler-Gegenspieler

Vor drei Jahren hat die katholische Kirche ein Seligsprechungsverfahren für Fritz Gerlich als möglicher Märtyrer des Glaubens eingeleitet. Der Journalist war Chefredakteur der Zeitung "Der gerade Weg" - und damit einer der wichtigsten Protagonisten im frühen Widerstand gegen Adolf Hitler.

Von Brigitte Baetz | 10.08.2020
Passfotographie von Fritz Gerlich aus dem Jahre 1926; damals war er Hauptschriftleiter der „Münchner Neuesten Nachrichten“
Passfotographie von Fritz Gerlich aus dem Jahre 1926; damals war er Hauptschriftleiter der "Münchner Neuesten Nachrichten" (gerlich.com/Sankt Michaelsbund)
In der nationalsozialistischen Propaganda gilt München als "Hauptstadt der Bewegung". Und tatsächlich ist die Stadt an der Isar eine der wichtigsten Keimzellen für den Aufstieg der NSDAP in den 20er-Jahren. Doch dort sitzt auch einer der hartnäckigsten publizistischen Gegenspieler Hitlers: Fritz Gerlich. Ein Mann, der es sich selbst ein Lebtag nicht leicht gemacht hat mit seinen politischen und persönlichen Überzeugungen.
In Pommern als Calvinist aufgewachsen, ist er zunächst völkisch-national gesinnt, tritt allerdings früh für ein geeintes Europa ein und konvertiert 1927 nach einer Begegnung mit der Bauerstochter Therese von Konnersreuth, deren blutende Wundmale an Händen und Füßen damals die Welt verblüffen, zum Katholizismus. Und ab 1930 macht er sich daran, alles in seiner publizistischen Macht Stehende zu tun, das "Dritte Reich" aufzuhalten.
"Nationalsozialismus heißt: Feindschaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft in Innern, Bürgerkrieg, Völkerkrieg, Lüge, Hass, Brudermord und grenzenlose Not", schreibt Gerlich in "Der gerade Weg", Untertitel: "Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht." Hervorgegangen ist sie aus der Zeitschrift "Illustrierter Sonntag".
Eine Barrikade an der Prinz Handjery Ecke Falkstraße in Berlin Neukölln, wo am 1. Mai 1929 eine Straßenschlacht stattfand.
Reihe: Vergessene Journalistinnen und Journalisten der Weimarer Zeit
Die 1920er-Jahre waren eine Blütezeit des deutschsprachigen Journalismus. Doch diese endete jäh durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Wir blicken zurück auf Medienschaffende dieser Zeit.
Aus einem reißerischen Boulevardblatt macht Gerlich mit der finanziellen Hilfe des sogenannten Konnersreuther Kreises ein publizistisches Kampforgan, das gleichzeitig weiter versucht, eine möglichst breite Masse zu erreichen: mit Preisausschreiben und öffentlichen Diskussionen. Diskussionen, denen ein Demagoge wie Hitler, wie Gerlich ihn charakterisiert, lieber aus dem Weg geht:
"Hitler ist gar nicht fähig, auf eine irgendwie positive Frage der Politik, der Wirtschaft, der Kultur, der Geschichte, die irgendwie geistig schwieriger ist und Vorkenntnisse verlangt, auch nur annähernd zu antworten. Er weiß so gut wie nichts. Dass, was er sich angelernt hat, sind unverdaute Brocken. Er besitzt nicht einmal den Grad von Verstand, der ihn befähigen würde, ein schwieriges Problem überhaupt zu übersehen."
"Hitler und die 'Satansbibel'" - eine der letzten Titel-Schlagzeilen in "Der Gerade Weg", der von Fritz Gerlich verantworteten katholischen Zeitung
"Hitler und die 'Satansbibel'" - eine der letzten Titel-Schlagzeilen in "Der Gerade Weg", der von Fritz Gerlich verantworteten katholischen Zeitung (gerlich.com/Sankt Michaelsbund)
Verteidiger der Demokratie - gegen Links und Rechts
Gerlichs Zeitung wird anfangs noch in derselben Druckerei wie der ungleich lukrativere "Völkische Beobachter" hergestellt - bis Hitler das Unternehmen vor die Wahl stellt: Gerlich oder wir. Der findet eine katholische Druckerei und ficht bei seinen Angriffen auf die Nationalsozialisten durchaus nicht nur mit dem Florett. In rote Lettern gesetzte Schlagzeilen wie" Hetzer, Verbrecher und Geistesverwirrte" sprechen für sich.
Prominent geworden ist Gerlich 1920 bis 1928 als Chefredakteur der "Münchener Neuesten Nachrichten", der damals größten süddeutschen Tageszeitung, in deren Tradition sich heute noch die "Süddeutsche Zeitung" sieht. Gerlich gilt damals als ruppiger und oft aufbrausender Konservativer, der die Münchner Räterepublik bekämpft und sich am Bolschewismus abarbeitet. Doch er wendet sich auch gegen Antisemitismus und entwickelt sich in den späten 20er-Jahren zum Verteidiger der Demokratie, sowohl gegen Links als auch gegen Rechts.
Im KZ Dachau ermordet
Im Gegensatz zu vielen anderen Konservative hat er allerdings erkannt, dass sich die Gefahr von Rechts nicht würde einhegen oder zähmen lassen durch Koalitionen mit dem bürgerlichen Lager. Dazu sind die Drohungen, die er erhält und veröffentlicht, auch zu eindeutig:
"Wir werden an Ihnen ein besonderes Exempel statuieren, indem wir einen Scheiterhaufen mit allen Christusfiguren, jenem Christus, der von einer jüdischen Hure geboren wurde, errichten, worauf Sie nebst dem Pfaffengesindel geschmort werden."
Das vermutlich letzte Foto von Fritz Gerlich (4. v.l.) in der Nähe von Kufstein, aufgenommen am Sonntag, den 5. März 1933.
Das vermutlich letzte Foto von Fritz Gerlich (4. v.l.) in der Nähe von Kufstein, aufgenommen am Sonntag, den 5. März 1933. (gerlich.com/Sankt Michaelsbund)
Zwei Monate nach der so genannten Machtergreifung ist es so weit: Am 9. März 1933 stürmt ein SA-Trupp die Redaktion der Zeitschrift "Der gerade Weg", verwüstet die Räume und nimmt Fritz Gerlich fest. Obwohl er gewarnt worden ist, hat er eine mögliche Flucht in die Schweiz ausgeschlagen, um selbst für seine Überzeugungen einzustehen. Ein SA-Mann springt mit Wucht auf seine beiden Hände, damit Gerlich nie wieder schreiben können wird. Am 1. Juli 1934 wird er im KZ Dachau erschossen.
Dieser Artikel ist Teil unserer Reihe über "Vergessene Journalistinnen und Journalisten der Weimarer Zeit".