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Fritz Langs Dämonen

Unheimliche Schatten und ein flackerndes Weiß - Fritz Lang hat mit Filmen wie "Metropolis" oder "Das Testament des Dr. Mabuse" das Gesicht des Stummfilmexpressionismus geprägt. Die Stoffe, die er zumeist zeitgenössischen Romanen entnahm, zeigen eine von dämonischen Kräften bedrohte Gesellschaft. Mit dem Filmkritiker Josef Schnelle habe ich mich über Fritz Lang, den Stummfilm und das Hörspiel unterhalten.

Von Frank Olbert |
    Frank Olbert: Herr Schnelle, was heißt eigentlich "Stummfilmexpressionismus"?

    Josef Schnelle: Man darf das nicht mit der Richtung in der bildenden Kunst verwechseln. Das heißt eigentlich, dass die Story hinter den Decors verschwindet. Das hat Lotte Eisner, die den Begriff gebildet hat, damit gemeint. Allerdings war der Schauspielerstil durchaus auch expressiv. Im Stummfilm muss man ja große Gesten machen, um verstanden zu werden. Das betraf aber den gesamten Stummfilm.

    Frank Olbert: Wodurch unterscheidet sich der Stummfilm am Prägnantesten von heutigem Kino?

    Josef Schnelle: Dadurch, dass man alles über das Bild erzählen musste, bekam die Montage eine ganz besondere Bedeutung. Wenn 1931 der Tonfilm kommt, regrediert die Montage quasi in ein frühkindliches Stadium. Das war im Stummfilm schon auf einem sehr hohen Standard durch die russischen Montagetheorien. Da ist sehr viel drüber nachgedacht worden, was geschieht, wenn die Bilder aufeinanderprallen und das ist ja auch schon ein Kennzeichen von Modernität. Insbesondere in den letzten Filmen, bevor der Tonfilm kam, hatte der Stummfilm endlich zu seiner Sprache gefunden, zu einer hoch künstlerischen Sprache. Es gibt Leute, die sagen: der Stummfilm und das Tonfilmkino haben eigentlich gar nichts miteinander zu tun. Das sind verschiedene Kunstformen.

    Frank Olbert: Film und Hörspiel haben sich ja auch gegenseitig befruchtet. Die Möglichkeit der Tonaufzeichnung hat Ruttman dazu bewegt, das Hörspiel "Weekend" zu machen, das mit seiner Montagetechnik - einem wiederum im Stummfilm weit entwickelten Mittel - ein früher Vorläufer dessen wurde, was man erst sehr viel später - in den 60er Jahren mit dem "Neuen Hörspiel" - als besondere Ausdrucksmöglichkeit des Hörspiels entdeckt hat. Die Reihe "Dämonen der Leinwand" versammelt nun eine ganze Palette von Stummfilmbearbeitungen. Was eignet sich denn an den Stummfilmstoffen besonders für das Hörspiel?

    Josef Schnelle: Auf den ersten Blick sind Stummfilm und Hörspiel einfach ein solcher Gegensatz, dass es spannend ist, das einfach mal aufeinander losfahren zu lassen, mit dem großartigen Abstand, der dazwischen ist. Das Zweite, weshalb das meiner Ansicht nach sehr gut funktioniert, ist, dass die Geschichten und die Erzählweise des Stummfilms noch anders waren, als die des heutigen Kinos. Wenn man einen heutigen Tonfilm ins Hörspiel übertragen würde, hätte man eine ganz flache Bühne. Im Stummfilm hat man einen Reichtum: Über das Visuelle müssen viele Ebenen transportiert werden und wenn man dann dafür die Tonebenen wieder findet, dann hat man plötzlich einen ganz anderen Reichtum. Und das hat es in den vergangenen Jahren fast schon zu einer Mode gemacht, dass man sich im Hörspiel mit Stummfilmen beschäftigt.

    Noch vor "Metropolis" hat Michael Farin auch "Das Testament des Dr. Mabuse" nach Fritz Langs Film und Kurzgeschichten von Norbert Jacques für das Radio bearbeitet. Der Deutschlandfunk sendet es in seiner Reihe "Dämonen der Leinwand" am Dienstag, den 8. Februar um 20.10 Uhr.

    Von einer international agierenden Geheimorganisation handelt Fritz Langs Roman "Die Spinnen", der ihm als Vorlage zu seinem gleichnamigen Film diente. Michael Farin hat ihn für die Reihe "Dämonen der Leinwand" des Deutschlandfunk ebenfalls zu einem Hörspiel bearbeitet, Ursendung am Samstag, den 12. Februar, um 20.05 Uhr.

    Eine weitere Fritz Lang-Bearbeitung von Michael Farin stellt der Bayerische Rundfunk vor: "Hangmen Also Die" nach dem Film von Fritz Lang und Bertolt Brecht, in dem die beiden Exilanten das Attentat auf Reinhard Heydrich und die blutige Vergeltung der Nationalsozialisten an der tschechoslowakischen Bevölkerung thematisierten. Das Hörspiel "Hangmen also Die" von Michael Farin sendet Bayern 2 Radio am Montag, den 14. Februar um 20.30 Uhr. Eine Wiederholung ist am Dienstag, den 15. Februar um 15 Uhr ebenfalls auf Bayern 2 Radio zu hören.