Wir kommen gleich auf James Bond – soviel sei versprochen. Zunächst aber einige Vorbemerkungen.
Früher glaubte man, die vornehmste künstlerische Aufgabe sei die Abbildung der Wirklichkeit. Seit der Antike galt der Merksatz: Die Kunst imitiert das Leben.
Im Zeitalter universal verbreiteter Bildmedien hat sich ein anderer, paradoxer Spruch bewährt. Er lautet: Die Kunst imitiert das Leben, aber das Leben imitiert TV. Bekannt ist zum Beispiel, dass sich Mafiosi bisweilen aufführen wie ihre Vorbilder in Mafia-Filmen. Auch der hohe Nachahmungsfaktor bei Amokläufen ist belegt. Von den erschütternden Einflüssen der Trashkulturen rund ums Vorabendprogramm zu schweigen.
Indem es nun in einer 20.00-Uhr-Sendung den erneuten Einmarsch russischer Truppen vorgetäuscht hat, hat das georgische Medienunternehmen Imedi die letzte Konsequenz gezogen und im Fernsehen wiederum die Kunst nachgeahmt.
Die klassische Referenz ist Orson Welles' Hörspiel "Krieg der Welten" nach dem Roman von H. G. Wells. "Krieg der Welten" hat 1938, als das Radio das Leitmedium war, eine Invasion von Marsmenschen vorgetäuscht und in den Vereinigten Staaten heftige Irritationen ausgelöst.
Die angebliche Massenhysterie war wiederum selbst zu Teilen ein Medienmärchen, nicht aber Orson Welles' anschließende Weltkarriere.
So oder so: Fiktionen manipulieren die Realität. In Georgien soll es infolge des Einmarsch-Berichts zu Panikkäufen gekommen sein. Ein Parlamentsabgeordneter gab bekannt, die Mutter eines Soldaten habe nach der Sendung einen tödlichen Herzinfarkt erlitten. Es wird darüber gestritten, ob Präsident Saakaschwili die Finger im Spiel hatte, um Russenhass zu schüren – russische Politiker zeigen sich jedenfalls empört –, oder ob umgekehrt das in der Sendung vorgetäuschte tödliche Attentat auf Saakaschwili der Opposition in die Hände spielt. Es gibt Demonstrationen gegen Imedi, die Kirche mischt sich ein, Klagewellen drohen. Kurz: Fiktionen schaffen harte Fakten.
Und damit sind wir bei James Bond, genauer: der Mediensatire "Der Morgen stirbt nie" von 1997. In dem Film geht es um Elliot Carver, der die informatorische Weltherrschaft anstrebt und deshalb versucht, einen gigantischen Krieg anzuzetteln – über den sein Imperium dann exklusiv berichten würde. Nur noch ein Bond, James Bond, kann die Welt vor der ultimativen Berlusconisierung retten.
Die reale Imedi Media Holding – übersetzt: "Hoffnung Media Holding" – wurde 2001 vom mittlerweile verstorbenen Badri Patarkazischwili und Rupert Murdoch gegründet. Patarkazischwili soll 2007 einen Staatsstreich gegen Präsident Saakaschwili geplant haben; er galt als Philanthrop, aber auch als halbseiden.
Man muss Imedi nicht unterstellen, nach Vorbild des Bond-Films einen medial interessanten Krieg provozieren zu wollen, der dann praktischerweise vor der eigenen Redaktion stattfände. Ein frivoles Spiel mit dem Feuer hat das Unternehmen im Pulverfass Georgien gleichwohl getrieben. Massenmedien können durch Aufmerksamkeitssteuerung helfen, Kriege zu beenden – von Vietnam bis Somalia. Sie können aber auch Kriege anzetteln, zumindest im Sinne der Beihilfe. Nach 9/11 hatte der Afghanistankrieg solche Züge.
Imedi kann sich schwerlich mit der Naivität der Zuschauerreaktionen herausreden. Das wäre selbst eine Naivität, lebt das Nachrichtenfernsehen doch vom Anspruch und Anschein, Wirklichkeit abzubilden.
Solange in Georgien nicht tatsächlich geschossen wird, behält der deutsche Titel des Bond-Films recht. "Der Morgen stirbt nie" spielte auf die Zeitung "Der Morgen" des Medien-Moguls Carver an. Mit Blick auf Imedi – wenn dieses Wort mit "Hoffnung" richtig übersetzt ist – kann der Kalauer natürlich nur heißen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder anders: Imedi bleibt im Geschäft.
Früher glaubte man, die vornehmste künstlerische Aufgabe sei die Abbildung der Wirklichkeit. Seit der Antike galt der Merksatz: Die Kunst imitiert das Leben.
Im Zeitalter universal verbreiteter Bildmedien hat sich ein anderer, paradoxer Spruch bewährt. Er lautet: Die Kunst imitiert das Leben, aber das Leben imitiert TV. Bekannt ist zum Beispiel, dass sich Mafiosi bisweilen aufführen wie ihre Vorbilder in Mafia-Filmen. Auch der hohe Nachahmungsfaktor bei Amokläufen ist belegt. Von den erschütternden Einflüssen der Trashkulturen rund ums Vorabendprogramm zu schweigen.
Indem es nun in einer 20.00-Uhr-Sendung den erneuten Einmarsch russischer Truppen vorgetäuscht hat, hat das georgische Medienunternehmen Imedi die letzte Konsequenz gezogen und im Fernsehen wiederum die Kunst nachgeahmt.
Die klassische Referenz ist Orson Welles' Hörspiel "Krieg der Welten" nach dem Roman von H. G. Wells. "Krieg der Welten" hat 1938, als das Radio das Leitmedium war, eine Invasion von Marsmenschen vorgetäuscht und in den Vereinigten Staaten heftige Irritationen ausgelöst.
Die angebliche Massenhysterie war wiederum selbst zu Teilen ein Medienmärchen, nicht aber Orson Welles' anschließende Weltkarriere.
So oder so: Fiktionen manipulieren die Realität. In Georgien soll es infolge des Einmarsch-Berichts zu Panikkäufen gekommen sein. Ein Parlamentsabgeordneter gab bekannt, die Mutter eines Soldaten habe nach der Sendung einen tödlichen Herzinfarkt erlitten. Es wird darüber gestritten, ob Präsident Saakaschwili die Finger im Spiel hatte, um Russenhass zu schüren – russische Politiker zeigen sich jedenfalls empört –, oder ob umgekehrt das in der Sendung vorgetäuschte tödliche Attentat auf Saakaschwili der Opposition in die Hände spielt. Es gibt Demonstrationen gegen Imedi, die Kirche mischt sich ein, Klagewellen drohen. Kurz: Fiktionen schaffen harte Fakten.
Und damit sind wir bei James Bond, genauer: der Mediensatire "Der Morgen stirbt nie" von 1997. In dem Film geht es um Elliot Carver, der die informatorische Weltherrschaft anstrebt und deshalb versucht, einen gigantischen Krieg anzuzetteln – über den sein Imperium dann exklusiv berichten würde. Nur noch ein Bond, James Bond, kann die Welt vor der ultimativen Berlusconisierung retten.
Die reale Imedi Media Holding – übersetzt: "Hoffnung Media Holding" – wurde 2001 vom mittlerweile verstorbenen Badri Patarkazischwili und Rupert Murdoch gegründet. Patarkazischwili soll 2007 einen Staatsstreich gegen Präsident Saakaschwili geplant haben; er galt als Philanthrop, aber auch als halbseiden.
Man muss Imedi nicht unterstellen, nach Vorbild des Bond-Films einen medial interessanten Krieg provozieren zu wollen, der dann praktischerweise vor der eigenen Redaktion stattfände. Ein frivoles Spiel mit dem Feuer hat das Unternehmen im Pulverfass Georgien gleichwohl getrieben. Massenmedien können durch Aufmerksamkeitssteuerung helfen, Kriege zu beenden – von Vietnam bis Somalia. Sie können aber auch Kriege anzetteln, zumindest im Sinne der Beihilfe. Nach 9/11 hatte der Afghanistankrieg solche Züge.
Imedi kann sich schwerlich mit der Naivität der Zuschauerreaktionen herausreden. Das wäre selbst eine Naivität, lebt das Nachrichtenfernsehen doch vom Anspruch und Anschein, Wirklichkeit abzubilden.
Solange in Georgien nicht tatsächlich geschossen wird, behält der deutsche Titel des Bond-Films recht. "Der Morgen stirbt nie" spielte auf die Zeitung "Der Morgen" des Medien-Moguls Carver an. Mit Blick auf Imedi – wenn dieses Wort mit "Hoffnung" richtig übersetzt ist – kann der Kalauer natürlich nur heißen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder anders: Imedi bleibt im Geschäft.