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Frohes Fest?

Weihnachtszeit ist die Zeit der Freude, der Besinnlichkeit, der Nächstenliebe - so die Theorie. Wer regelmäßig die Feierlichkeiten für die eigene Familie organisieren muss, könnte anderer Meinung sein. Nicht selten lädt sich genau dann der Stress der vergangenen Wochen ab, wenn gerade die Bescherung ansteht.

Von Wolfgang M. Meyer | 23.12.2010
    Wann beginnt sie eigentlich? Wann geht es los?

    Wer sich am Einzelhandel orientiert, wird bekanntlich schon früh, etwa im September, auf diese Zeit vorbereitet. Zunächst behutsam, dann eindringlich: Die Sommerschlussverkaufsware in den Auslagen der Warenhäuser verschwindet, in den Supermärkten schleichen sich die ersten Lebkuchensterne in die Regale, hier und da zeigen sich bereits die ersten Nikoläuse aus Schokolade.

    An allen Ecken, von morgens bis abends, im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung – überall die klare Botschaft: Es geht wieder los!

    Keine Schaufenster mehr ohne große Mengen weißer Watte, kein städtischer Platz ohne diese Mischung aus Glühwein- und Lebkuchenduft, nur noch wenige Hausfassaden ohne kletternde Weihnachtsmänner, kaum noch Touristen in den Einkaufsstraßen ohne rote Nikolausmütze auf dem Kopf.

    "Ja, der Hype fängt ja schon Monate vorher an, also die Erwartungshaltung steigert sich ja praktisch bis zum 24. Dezember, wenn man durch die Geschäfte und Läden geht, dann wird das ja sozusagen schon vorbereitet."

    Der Psychoanalytikerin Ingrid Prassel geht es wie fast allen ihrer Kollegen: die Praxen und Beratungsdienste bereiten sich in dieser Zeit auf Sonderschichten vor.

    Denn sie ist eben alles beherrschend, diese Weihnachtszeit...

    "... diese Zeit des Wichtelns im Büro, des Gänsessens mit Kollegen, die Zeit, in der die Onlinegeschäfte E-Mails schicken mit: "Wir-haben-Empfehlungen-für-das-Fest", es ist die Zeit, in der Busse und Bahnen ebenso überfüllt sind wie die Kaufhäuser."

    Es ist die Zeit, in der vor allem Frauen – Mütter, Großmütter - übermäßig belastet sind durch die Weihnachtsvorbereitungen.

    Es ist die Zeit, die wir ertragen müssen.

    "Der Spannungsbogen wird ja schon gebildet, und dass er sich dann irgendwann kurz vorher entlädt, ist ja eigentlich auch naheliegend."

    "Nürnberg - Viele Frauen fühlen sich durch die Weihnachtsvorbereitungen gestresst. Ein Drittel der Befragten - 32 Prozent - stört es, dass sie vor Heiligabend so viel Arbeit und Stress haben."

    Das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der GfK-Marktforschung.

    "Institut für Psychosomatik: Entspannung gegen den Weihnachtsstress."

    Ein aktuelles Angebot aus dem Internet.

    "20 Tipps gegen den Stress unterm Tannenbaum."

    So wirbt die Konkurrenz. Ebenfalls im Netz.

    "Wir bieten Ihnen ein effizientes Trainingsprogramm."

    Weihnachten Ertragen?

    Ist es so schlimm?

    Und was ist so stressig?

    "Also Weihnachten ist nicht mehr so – ich weiß nicht, ob es früher so war, aber nicht mehr diese besinnliche, ruhige Zeit, wie man sie sich oft wünschen würde, sondern Weihnachten ist ganz häufig gespickt mit Erwartungen. Mit Erwartungen an den anderen, dass es eine besondere Zeit sein soll, Weihnachten ist nicht normal, sondern sie ist eine besondere Zeit, und dadurch entstehen auch besondere Erwartungen."

    Auch die Diplompsychologin Dr. Juliane Arnold hat in diesen Tagen mehr als genug zu tun. Sie ist Leiterin der evangelischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Köln. Diese Beratungsstelle füllt sich vor Weihnachten.

    "(...) Wir versuchen, anderen eine Freude zu machen, wir besorgen Geschenke, wir versuchen, alles Mögliche zu organisieren und es gut hinzukriegen, und wollen, dass der andere es auch würdigt. Und oft, so zeigt es die Realität, prallen die Erwartungen aufeinander, und es funktioniert leider nicht so, wie wir uns das wünschen würden."

    Um Weihnachten zu ertragen, so rät im Internet die Vereinigung von Gesprächstherapeuten, sollten frühzeitig Absprachen getroffen werden: Wer kommt wann zu wem unter den Tannenbaum? Wer schenkt wem was in welcher Preislage?

    "Ein gelungenes Fest ist immer eine gelungene Gemeinschaftsleistung."

    Diese Gemeinschaftsleistung scheint aber nicht selten zu misslingen.

    "Nürnberg – Ebenfalls ein Drittel der befragten Frauen gibt psychische Belastungen an. Die Frauen fühlen sich unter Druck, weil sie es allen Verwandten recht machen wollen. Gleichzeitig haben sie das Gefühl, dass ihre Mühen von der Familie nicht anerkannt werden - 28 Prozent. Bei den Männern fühlt sich jeder Vierte vor den Festtagen angespannt. Jeder Fünfte beklagt sich über die viele Arbeit bei den Vorbereitungen."

    Erwartungen prallen aufeinander, so hat es die Diplompsychologin Juliane Arnold formuliert.

    "Die Erwartung ist sicherlich bei fast jedem: Es soll eine schöne Zeit sein, und ich möchte gerne viel Aufmerksamkeit von denen, die mir besonders wichtig sind. Und das deckt sich nicht immer so in der Familie, dass die Interessen immer gleich sind, jeder möchte gern die Aufmerksamkeit, aber jeder möchte auch andere Dinge tun können, die ihm Spaß machen. Und das heißt die Kinder möchten vielleicht auch viel Fernsehen, die möchten hinaus und Schlitten fahren, (...) und die Eltern wollen aber auf jeden Fall länger schlafen, die Erwartungen der Großeltern sind zu bedienen, dass man zum Mittagessen doch da sein soll, und diese Erwartungen alle unter einen Hut zu kriegen, ist verdammt schwer."

    Stress pur eben. Wer die Vorweihnachtszeit hinter sich gebracht hat, benötigt dringend Erholung, aber die Weihnachtstage selbst bieten absurderweise selten die nötige Ruhe dafür.

    Aber das Problem geht aus Sicht der Psychoanalytikerin Ingrid Prassel tiefer. Es seien nicht nur die äußeren Umstände, nicht nur die unterschiedlichen Interessen, die uns zu Weihnachten Stress bereiteten, sagt sie aus ihrer Praxiserfahrung heraus, an Weihnachten sei die Familie, seien Partner stark auf sich bezogen, und dann gehe es häufig an die Grundlagen der Beziehung. Auch hier spielten Erwartungen die Hauptrolle.

    "Die Erwartungen sind enorm hoch, und das Weihnachtsfest ist ja gedacht als ein Fest der Liebe, ein Fest der Besinnlichkeit, und dementsprechend ist ja auch die Weihnachtsbotschaft. Die Weihnachtsbotschaft bedeutet ja, es kommt ein Retter, der alle befreit von Schuld und Scham, und der Liebe spendet, und der vermittelt bedingungslose Annahme, und Liebe, und diesem Wunsch können insbesondere Frauen in der Weihnachtszeit nicht gerecht werden. Und folglich können sie nur enttäuschen und können sie auch nur scheitern an dem hohen Ideal."

    Die Weihnachtszeit wirkt, so die Expertin, wie ein Katalysator bei Beziehungs- oder Familienproblemen. Wenn die Beziehung brüchig ist, dann trete dies am Fest der Liebe ganz besonders deutlich in Erscheinung.

    "Weil dann ja auch die Außenbeziehungen nicht mehr tragen, also es gibt dann kaum Möglichkeiten der Ablenkung durch Struktur, also auch Alltagsstruktur."

    Anders formuliert: Man kann sich – anders als im Alltag - nur schwer aus dem Weg gehen. Während der Feiertage sitzt man auf Gedeih und Verderb unter dem Weihnachtsbaum beisammen, es gibt nicht den Fluchtweg ins Büro, nicht das Ausweichen auf das Hobby – an Weihnachten kann man die Gegenwart des anderen genießen oder man muss sie ertragen. Und an Weihnachten treffen sich nicht selten Menschen unter dem Tannenbaum, die Probleme, auch miteinander haben, über die sie das ganze Jahr nicht sprechen wollten. Jetzt kochen diese Probleme hoch.

    Weihnachten muss man ertragen.

    Nebenbei: das ist nicht nur ein Problem für Menschen, die zur Psychoanalyse gehen.

    "Ich glaube, dass alle damit mehr oder weniger zu tun haben, nicht nur Patienten, sondern dass es ein allgemeines Phänomen ist; natürlich gibt es in Beziehungen, die eh schon konflikthaft sind, an Weihnachten noch mal eine Zuspitzung. Und von daher auch eine Eskalation, weil man ja doch auf sich zurückgeworfen ist und Verfehlungen der Vergangenheit sozusagen dann noch mal zur Sprache kommen."

    Eskalation unterm Weihnachtsbaum. Die Fassaden der Familienidylle seien nicht selten eher notdürftig gezimmert, bestätigt die Psychologin Juliane Arnold, und diese Fassaden brechen regelmäßig unter den Tannenbäumen zusammen.

    Und es kommt ihrer Ansicht nach noch etwas hinzu: Weihnachten, dieses ganz auf die klassische Familie zugeschnittene Fest, stoße sich längst an einer neuen Realität. Denn diese klassische Familie ist fast so etwas wie ein Auslaufmodell.

    "Auf jeden Fall. Bundesweit ist weit über jede dritte Ehe geschieden, in Großstädten wie in Köln schon mittlerweile über 50 Prozent, (...) trotzdem bilden sich dann neue Familien, die sogenannten Patchworkfamilien, wo der eine oder die andere oder beide auch Kinder aus früheren Beziehungen mit in die Familie einbringen, und da ist es natürlich auch wichtig, auch wenn man sich als Liebespaar nicht mehr liebt, nicht mehr zusammen ist, trotzdem als Eltern für die Kinder da ist. Und ja da auch gute Regelungen zu finden, dass das Kind auch den Partner, von dem ich mich getrennt habe, den ich nicht mehr so liebe, auf jeden Fall an Weihnachten auch sehen darf, dass das auch gut ist, dass das Kind sich auch freuen darf, über eine schönes Geschenk, und dass das Kind nicht in so einem Loyalitätskonflikt zerrissen wird."

    Das klingt wunderbar, einfach und einleuchtend – leider schaffen es wohl die wenigsten, solche Grundsätze zu beherzigen, zumal nicht nur Eltern und Kinder die Beteiligten sind, die einen notwendigen Familienfrieden herstellen müssen. Auch die jeweils neuen Partnerinnen und Partner sowie die diversen Großeltern sind in das neue – nicht selten recht instabile – Familienkonstrukt eingebunden – Stress unterm Baum ist programmiert.

    "Fünfzehn 41 für Arnold, kommen! Notruf der Polizei Köln...Hallo..."

    Nicht selten knallt es richtig, wenn die unterschiedlichsten Erwartungen aufeinander prallen. Immer wieder schockieren in den Weihnachtstagen besonders dramatische Fälle der Eskalation.

    "Grausiges Weihnachtsdrama in Korbach. – Familienvater tötet erst seine Tochter, dann sich selbst. – Frankfurt: Nach einem Streit mit seiner 22 Jahre alten Tochter sticht 54-Jähriger am zweiten Weihnachtstag mit dem Messer auf die junge Frau ein. Anschließend versuchte er, sich zu verbrennen. - München: Sohn nach Streit unterm Weihnachtsbaum vom Vater getötet."

    Es muss nicht jedes Mal Tote geben, wenn die Idylle der wundervollsten Zeit des Jahres zerbricht.

    "Notruf Polizei Köln, Hallo ... "

    Sehr viel häufiger sind offenbar die Fälle sogenannter "häuslicher Gewalt", bei denen die Polizei eingreift oder eigentlich eingreifen müsste. Auch diese Fälle scheinen zuzunehmen vor Weihnachten, allerdings weist die Polizeistatistik dies nicht speziell für diese eingegrenzte Zeit auf. Denn die Statistik ist stets nur auf ein ganzes Jahr bezogen. Die Erfahrungen einzelner Einsatzbeamter aber zeigt: In den Weihnachtstagen werden besonders häufig Grenzen überschritten. Und die Dunkelziffer sei sehr hoch, so schätzen es die Fachleute ein. Denn viele Frauen und Männer zeigen es nicht an, wenn die Partner zu Hause gewalttätig werden.

    Ein klares Indiz für die Zunahme häuslicher Gewalt: Während der Weihnachtstage gehen in den Frauenhäusern 40 Prozent mehr Notrufe ein als sonst.

    Dass Weihnachtsstress und enttäuschte Erwartungen eskalieren können, ist ein Phänomen in allen Schichten. Selbst Prominente machen damit zuweilen Schlagzeilen.

    "Hollywood-Star Charlie Sheen hat den größten Teil des Weihnachtstags im Gefängnis zugebracht."

    Weihnachten 2009.

    "Wegen häuslicher Gewalt ist Sheen am Freitag im US-Bundesstaat Colorado festgenommen worden. Er sei in das Gefängnis von Pitkin County gebracht worden, bestätigte ein Polizeisprecher. Der 44-jährige Schauspieler soll nach einem heftigen Streit seine Ehefrau angegriffen haben. Beide seien dabei alkoholisiert gewesen."

    Der weihnachtliche Streit entzündet sich fast immer an Kleinigkeiten. Der Mann bringt den Tannenbaum, die Frau sagt:

    Der Baum ist schief!

    Solche und ähnliche Dinge sind aber nur die Auslöser, der Konflikt ist wesentlich älter, sagt Juliane Arnold, die Kölner Psychologin.

    "Genau. Es ist eigentlich nicht, dass an dem Heiligabend morgens um elf der Baum besorgt wird, sondern schon die Zeit vorher ist ja auch mit Vorbereitungen auch geprägt oder auch nicht. Erwartungen, die dann auch nicht erfüllt werden zum Beispiel. Und wenn dann der Baum besorgt wird (...) er ist vielleicht leicht schief und er ist nicht der schönste Baum der Welt, den hätte man sich vielleicht aber auch gar nicht leisten können, darüber hinweg zu schauen, heißt auch, eine gewisse Toleranz zu zeigen, auch sein Herz zu öffnen, zu gucken, was ist wirklich das Wichtige im Leben. Was ist mir auch wichtig, in den Beziehungen zu leben. Und da gehört auch eine gewisse Großzügigkeit dazu."

    Aber wer kennt das nicht: Je angespannter wir sind, desto schwerer fällt es uns, großzügig zu sein. Und dann ergibt schnell ein Wort das andere.

    " ( ... ) und wenn dann das über Tage und in manchen Familien auch über Wochen geht, und Konflikte unterschwellig sowieso schon da waren, kann es insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol, das ist sehr häufig, auch zu gewalttätigen Eskalationen kommen. Dass Grenzen überschritten werden, dass Partner sich prügeln, Paare sich prügeln und eine Konfliktlösung im Sinne von jetzt kochen wir alle mal runter, jetzt gehen wir mal ne Runde um den Block, und dann fangen wir noch mal von vorne an, kaum noch möglich ist."

    Die alten Konflikte, die in der Weihnachtszeit zutage treten, sitzen manchmal so tief, erklärt die Psychoanalytikerin Ingrid Prassel, dass sie den Partnern nicht einmal bewusst sind.

    Klassischerweise stecke dahinter immer wieder dasselbe Grundthema: Eine enttäuschte Liebeserwartung.

    "(...) Und je größer die Enttäuschung ist, um so mehr eskaliert das natürlich in einer Gewaltbereitschaft. Weil das Ideal, geliebt zu werden oder bedingungslos angenommen zu werden, ja gerade zu Weihnachten noch mal ne Neuauflage erfährt, vielleicht auch ne Neuauflage der kindlichen Enttäuschung. Jeder Mensch will ja bedingungslos angenommen werden. Und wenn das wiederholt enttäuscht wird, dann führt das zur Kränkungswut, und die Kränkungswut kann in Gewalt münden oder eskalieren."

    Worin aber liegt dann das Geheimnis einer glücklichen, gelungenen Weihnachtszeit?

    "Wir fahren einfach weg, lassen die ganze Familie hier und machen uns aus dem Staub in den Süden."

    Zitate aus einer Umfrage in einem Onlineforum:

    "Wir regeln schon Wochen vorher in aller Ruhe mit Oma und Opa und Beteiligten, wer wann wohin kommt."

    Noch eine Möglichkeit: Einfach die Klischees brechen. Einfach mal die normalen Rollen verlassen. So ist es in dieser italienischen Familie in Köln schon Tradition.

    "Für meine Mutter ist Weihnachten eine riesengroße Party, und wenn sie irgend jemanden hat, den sie bespaßen kann, dann ist sie glücklich, und da machen wir natürlich auch alle mit, und lange Zeit war ich das, jetzt gibt es andere Kinder, (...) und das ist schon was sehr Spielerisches, auf jeden Fall."

    Sabrina Loi und ihre italienische Familie bilden die Ausnahme von der Regel. Weihnachtsstress? Es geht auch ohne. Warum nicht zum Beispiel einfach mal die Kinder verkleiden und Spaß haben. Die junge Frau hat gute Erinnerungen daran, sie war regelmäßig eine Mischung aus Engel und Christkind.

    "Und in dieser Verkleidung durfte ich mich dann auch Weihnachten präsentieren und ein Gedicht aufsagen, weil man erklärte uns, das macht man so in Deutschland, und man singt dann zusammen, und da haben wir dann auch mal versucht, (...) ja lange Zeit als Weihnachtsfrau, Christkind, bis meiner Mutter das auch irgendwann zu langweilig wurde und sie mich als ET verkleidet hat Weihnachten, (....) dann musste ich anschellen und in komischem Deutsch reden, dass mein UFO irgendwo gelandet sei, und was denn los sei, alle Leute seien so besinnlich und schön angezogen und überall würden diese bunten Pakete rumliegen, ja dann war ich halt eine Außerirdische an Weihnachten auf der Erde. Das war eins der Weihnachten, die mir so am meisten in Erinnerung geblieben sind."

    Ein Beispiel, bei dem die Psychoanalytikerin Ingrid Prassel nickt – besser könne man Weihnachten nicht begehen.

    "Rollenspiele nehmen ja ein stückweit den Druck weg, also diese idealisierte Erwartung wird ja dadurch ein bisschen reduziert, es ist ja ne gute Möglichkeit, oder es etwas humoristischer zu sehen, und mit mehr Spaß und weniger mit diesem enormen Anspruch und dem Perfektionsgedanken: Jetzt muss alles klappen! An Weihnachten muss alles wieder heile sein! Die heile Familie, oder die heilen Beziehungen. Ja und das kann man natürlich durch Spiele deutlich reduzieren."

    Die heile Welt gibt es eben nicht, danach erinnert auch Juliane Arnold von der evangelischen Beratungsstelle. Sie könne ihren Klienten, die in der Weihnachtszeit zu ihr kommen, nur immer wieder erklären, dass Weihnachten zwar tatsächlich eine ganz besondere, eine Ausnahmezeit sei

    "(...) aber wenn dann einmal ein böses Wort fällt, dann geht nicht die ganze Welt unter und dann ist auch nicht direkt Weihnachten geschmissen. Sondern dann kann ich auch selbst was dafür tun, dass ich dem anderen sagen, oh, dir geht's im Moment nicht so gut oder jetzt steckst du voll im Stress, statt ihm einen Vorwurf zu machen, pflaum mich nicht so an, jetzt geht's schon wieder los, und damit Konflikte in die Höhe treibe. Also so ein bisschen gnädig und liebevoll zu sich selber und zu den anderen in der Umgebung zu sein. Dazu gehört ne gewisse Souveränität und es gelingt leichter, je weniger belastet ich bin. Das wäre so ein Tipp. Und ein anderer Tipp wäre, auch ein bisschen toleranter zu sein zwischen den Generationen. Die Bedürfnisse eines 15-Jährigen sind anders als die Bedürfnisse einer 30-Jährigen oder als der 65-jährigen Großmutter. Und dann zu gucken: Wo kriegen wir einen Nenner hin, mit dem vielleicht jeder einen guten Kompromiss schließt, mit dem er echt leben kann, statt gefühlsmäßig einzelne an den Rand zu drücken."

    Weihnachten muss man ertragen.

    Oder müsste es nicht besser heißen: "Weihnachten kann man ertragen?"

    "Das ist jetzt die Frage, als was oder wer ich gefragt werde: also professionell würde ich sagen, man muss überhaupt nichts ertragen, also es gibt immer ne Veränderungsbereitschaft und ne Veränderungsmöglichkeit. Es kann aber auch sein, dass manchmal das Ertragen leichter ist als die Veränderung, dann würde ich sagen, wenn das leichter fällt, dann sollte man es ertragen, wenn es nicht zur Eskalation führt."