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Frontex und die Flüchtlinge

Die EU-Behörde namens Frontex ist für die Sicherung der europäischen Außengrenzen zuständig. Mit Booten und Hubschraubern sind Frontex-Beamte im Mittelmeer unterwegs, um illegale Migration zu verhindern. Hinderlich für Effizienz und Transparenz der Behörde ist, dass Frontex in Warschau ihren Sitz hat - gemäß der EU-Tradition, dass sämtliche Agenturen mit ihren Sonderaufgaben in verschiedenen europäischen Städten untergebracht sind.

Von Thomas Rautenberg |
    Das Rondo Nummer Eins gehört zu den allerbesten Adressen in der polnischen Metropole. Einer dieser riesigen Glastürme, wie sie im Warschauer Zentrum zu Dutzenden aus dem Boden geschossen sind. Die gläsernen Fahrstühle, die an der Fassade des Gebäudes in atemberaubender Geschwindigkeit entlang jagen, gelten als die schnellsten Aufzüge landesweit. Nicht von ungefähr also haben die EU-Beamten das Warschauer Rondo Nummer Eins zur Basis der europäischen Grenzschutzagentur Frontex auserkoren. Was immer an einer EU-Außengrenze passiert - im 22. Stockwerk dieses Warschauer Glaspalastes laufen die Informationen zusammen, schwärmte der damalige EU-Justizkommissar Franco Frattini bei der Einweihung der neuen Frontex-Zentrale:
    "Kein Mitgliedsland hat heute noch irgendeinen Zweifel, dass Frontex finanziell und personell ausgebaut werden muss. Vor einigen Jahren gab es in der Europäischen Union noch keinen gemeinsamen Politikansatz in Sachen Immigration. Insofern haben wir sehr viel in einer sehr kurzen Zeit erreicht."

    Etwa 60 Mitarbeiter aus allen EU-Ländern teilen sich die modernen Frontex-Büros auf den drei Etagen des Warschauer Rondo-Towers. Unter Leitung von Ilkka Laitinen, einem Finnen, mausert sich die europäische Grenzbehörde gerade von einer beratenden Instanz zu einer operativ tätigen Schaltstelle, die Einsätze zur Sicherung der EU-Außengrenze leiten soll. Frontex zieht europäische Grenzschutzkräfte zusammen, wenn ein EU-Mitgliedsland, wie beispielsweise Italien, mit der Sicherung seiner Seegrenze überfordert scheint, erläutert Agenturchef Laitinen:
    "Konkret gesagt: Es werden gemeinsame Patrouillen vor den Küsten der betroffenen Länder durchgeführt. Und diese Patrouillen sind so etwas wie ein erster Filter, um der illegalen Immigration zu begegnen. Dazu führen wir Aktivitäten in den internationalen und natürlich auch in den territorialen Gewässern durch. Es geht auch um mehr Informationsaustausch bei den gemeinsamen Patrouillen."

    13 Hubschrauber, Dutzende Boote, drei mobile Radaranlagen und anderes technisches Gerät, wie Wärmebildkameras, stehen Frontex bei seinen Aktionen zur Verfügung. Und wenn es die Anrainerstaaten zulassen, ermitteln die europäischen Frontex-Beamten auch in afrikanischen Flüchtlingslagern, um Schleuserbanden auf die Spur zu kommen. Künftig sollen auch so genannte "rabbits", also grenzpolizeiliche Eingreiftruppen, aufgestellt werden, die ausgestattet mit exklusiven Rechten an jedem Punkt der EU-Außengrenze ganz schnell für Ordnung sorgen können. Von einer Super-Grenzschutzpolizei will Frontex-Chef Laitinen aber nichts wissen, stellt er ausdrücklich klar:

    "Frontex ist nur ein Koordinator. Und insofern legt Frontex bei Bedarf auch nur einen Operationsplan vor. Die Verantwortung für die konkreten Aktionen vor Ort liegt dagegen weiterhin in den Händen der nationalen Grenzschutzbehörden beziehungsweise auch der Schiffskapitäne, die auf dem Meer die Entscheidungen treffen. Die Warschauer Frontex-Zentrale hat damit keinen Einfluss, sagen wir beispielsweise auf den italienischen Grenzschutz und kann auch keine Instruktionen geben, was zu tun oder zu lassen ist."

    Damit fühlt sich Frontex-Chef Laitinen auch nicht verantwortlich für das Schicksal von jenen Flüchtlingen, die nach ihrer Zurückweisung vor der italienischen Küste im Mittelmeer ertrunken sind:

    "Als Grundprinzip unseres Grenzschutzes beachten wir die Maßstäbe der internationalen Flüchtlings-Konvention und der internationalen Sicherheit."