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Frostschutz der Winterflunder

Zoologie. - Pflanzen und Tiere verfügen über oft erstaunliche Schutzmechanismen. Oft angeführt wird in diesem Zusammenhang der so genannte Lotuseffekt, der bestimmten Pflanzen eigen ist: Ihre Blätter sind vollkommen schmutz- und wasserabweisend und wurden so zum Vorbild für Fassadenfarben oder Bodenbeläge. Eine andere Fähigkeit der Tierwelt wollen Dresdner Forscher nun für die industrielle Nutzung erschließen: den natürlichen Frostschutz von Winterflundern und der Grasmücke.

23.01.2002
    Hippoglossus hippoglossus, so der wissenschaftliche Name der Winterflunder, lebt im nördlichen Eismeer. An die dort herrschenden tiefen Temperaturen auch unterhalb des Gefrierpunkts ist der Fisch gut angepasst: Selbst wenn in seinen Adern schon Eiskristalle treiben, macht ihm das wenig aus. Auch die Grasmücke, Hemideina maori, ist tolerant gegenüber Kälte. Sie kann bis zu 85 Prozent ihrer gesamten Körperflüssigkeit einfrieren, und danach unbeschadet wieder auftauen. Für den Trick der beiden Tiere interessiert sich Professor Hartmut Worch vom Institut für Werkstoffwissenschaften der TU Dresden: "Dieses Eis hat die Eigenschaft, dass es erstens eine kugelige Gestalt hat und zweitens nicht an der Arterienoberfläche haften bleibt." Die Tiere haben also ein Problem gelöst, vor dem auch die Technik steht. Denn in den Rohren von Eisgeneratoren haften ständig Eiskristalle fest. Sie müssen dann entweder mechanisch entfernt, also abgeschabt werden, oder mit Hilfe von möglicherweise umweltschädlichen Zusätzen im Voraus verhindert werden.

    Die Forscher wollen stattdessen den natürlichen Frostschutz der Winterflunder verwenden, der auf besonderen Proteinen beruht. "Diese Proteine haben eine besondere Eigenschaft", erklärt Worch. "Auf der einen Seite ermöglichen Sie die Eisbildung, an anderen Bereichen hemmen sie die Eisbildung." Die Eiweiße verleihen der Innenwand der Blutgefäße ein kleinteiliges Muster aus wasserabstoßenden und wasseranziehenden, aus hydrophoben und hydrophilen Bereichen. An vielen Stellen kann so Wasser erst einmal zu Eis kristallisieren. Wachsen die Kristalle jedoch und geraten in die wasserabstoßenden Bereiche, dann verlieren sie die Haftung und werden vom Blutstrom mitgerissen. Die Forscher um Hartmut Worch konnten den Effekt auch in der Technik realisieren: "Wir kennen Substanzen, die in der Lage sind, Hydrophilie und Hydrophobie herzustellen, unter anderem sind das siliziumorganische Verbindungen." Diese Verbindungen lassen sich auf Metallflächen aufbringen, wo sie analog zu den Proteinen der Winterflunder wirken. Zunächst wächst auf den kalten Flächen das Eis, doch schon bei kleinen Strömungsgeschwindigkeiten wird es weg geschwemmt - und sorgt so für eine effektivere Kühlung.

    [Quelle: Uta Bilow]