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"Fruchtbringende Gesellschaft" des Barock lebt wieder auf

Köthen in Anhalt ist der Gründungsort der "Fruchtbringenden Gesellschaft" und diese ist die Mutter aller deutschen Sprachpflegevereine. Sie wurde 1617 gegründet und setzte sich für die Vereinheitlichung der Rechtschreibung ein. Die Sprachgesellschaft löste sich 63 Jahre später auf, wurde aber im Januar dieses Jahres wiederbelebt. Die lud nun an diesem Wochenende namhafte Sprachvereine aus Deutschland und Österreich zu einem Symposium ein.

Von Susanne Arlt | 26.08.2007
    Die deutsche Sprache ist in der Krise. Sprachhüter bemängeln, sie sei von Anglizismen überschwemmt, durch Werbesprache verhunzt und durch Grammatikfehler entstellt. Die deutsche Sprache, sie braucht also öffentliche Unterstützung. Darin sind sich die etwa 100 Sprachvereine und Sprachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz einig. Doch wie man diese Unterstützung mobilisiert, darüber herrscht noch Unklarheit. Echte Ergebnisse konnten da auch die 70 Teilnehmer an diesem Wochenende nicht liefern. Aber sie rückten die Probleme der deutschen Sprache noch einmal verstärkt in das Bewusstsein. Zwei Tage lang diskutierten sie darüber, ob und wie man die deutsche Sprache retten kann. Aber was ist überhaupt ein gutes Deutsch? Eines ohne Fremdwörter, ohne Einflüsse aus dem Englischen, ohne Wörter wie cool, Hallo, O.K. oder E-Mail? Uta Seewald-Heeg schüttelt den Kopf. Die Vorsitzende der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft lehnt nicht kategorisch Einflüsse auf die deutsche Sprache ab.

    "Dann würde man der Sprache Gewalt antun. Das ist der Sprache als Gegenstand ganz fremd. Sprache nimmt immer Dinge auf und sie muss sich ja auch entwickeln, sonst könnte man ja auch keine neuen Phänomene benennen. Also es geht nicht darum, alles abzuschirmen, nur hat eben diese große Menge an Einflüssen eine ganz andere Qualität, anders als das im 17. und 18. Jahrhundert Einflüsse gewesen ist."

    Damals waren es französische Einflüsse auf die deutsche Sprache, die später jedoch zu großen Teilen wieder verloren gingen. Sprache, argumentiert Seewald-Heeg, beeinflusse das Denken und somit sei Sprache auch immer ein Spiegel der jeweiligen Kultur. Die Professorin für Computerlinguistik an der Fachhochschule Anhalt stützt sich mit ihrem Anspruch auf den deutschen Sprachwissenschaftler und Philosophen Wilhelm von Humboldt.

    Bedingt aus der deutschen Geschichte ist die Sprachpflege hierzulande jedoch problematischer als in anderen Ländern. Es gibt Randgruppen, die ihre rechte Gesinnung durch die Bewahrung des Deutschen gerne salonfähig machen wollen. Und genau darum, erklärt Seewald-Heeg, dürfe man diesen Kreisen das Thema genauso wenig überlassen, wie man Sprache dem freien Spiel der Kräfte unkontrolliert aussetzen könne. Für den Slawistikprofessor Friedrich Wenzel aus Celle hat die massenhafte Veränderung der deutschen Sprache quantitativ und qualitativ längst begonnen. Wenzel geht sogar noch einen Schritt weiter. Die Kultur und Mentalität der Deutschen hätte sich gewandelt und die Sprache vollziehe dies leider mit.

    "Es hat immer eine Unschärfe und genau in dieser Unschärfe liegt das Bedürfnis der Menschen. Sie hätten es gerne ein bisschen ungenauer, ein bisschen unschärfer. In diese Unschärfe kann man sehr viele Emotionen reinlegen, das was klar und prägnant ausgedrückt ist, darin kann man keine Emotionen rein tun."

    Betriebe seien früher solide gewesen, heute hätten sie Schulden. Vor 20 Jahren gab es nur einen kleinen Werbe-Etat, die Erzeugnisse mussten stattdessen durch ihre Qualität und Dauerhaftigkeit für sich werben. Inzwischen sei die Wirklichkeit durch Wort und Grafikdesign ersetzt worden, kritisiert Wenzel. Er glaubt, dass die Deutschen damit die Grundlagen ihrer Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zerstörten.

    "Deutschland hat keine andere Ressource als die Köpfe. Und die Köpfe arbeiten ganz entscheidend mit der Sprache und so gut und scharf dieses Instrument Sprache ist, so gut ist die Arbeit dieser Köpfe."

    Ganz ähnlich sieht es Thomas Paulwitz. Er ist Schriftleiter der "Deutschen Sprachwelt". Der Verein für Sprachpflege in Erlangen gibt die Zeitschrift heraus. Sie erscheint vierteljährlich und erreicht 80.000 Leser. Mit ihren Artikeln, so der Journalist, wolle die Sprachwelt allen Sprachverderbern die Stirn bieten.

    "Die Deutsche Sprache wird verhunzt. Gerade die Jugend wird mit Anglizismen bombardiert, angeblich weil es die Sprache sei, die von ihr verstanden wird, das ist aber nicht der Fall, sondern damit sollen gezielte Werbebotschaften übermittelt werden und die Sprache wird zu einem bestimmten Zweck eingesetzt und führen auch dazu, dass deutsche Wörter verdrängt werden."

    Sprachwissenschaftler gehen heute davon aus, dass viele Jugendliche die Sprache Goethes längst nicht mehr verstehen. Ihnen fehlen die deutschen Vokabeln. Es gebe inzwischen Schulbuchverlage, kritisiert Paulwitz, die die Werke der Klassiker in einer vereinfachten Sprache anböten. Nur so könnten sie die Werke den Jugendlichen überhaupt noch zugänglich machen. Für Paulwitz ein abstruse Entwicklung, die er und sein Verein bekämpfen wollen. Damit den Deutschen die Freude an ihrer Muttersprache nicht noch weiter verloren geht, wollen die Sprachvereine künftig enger zusammen arbeiten. Erste gemeinsame Aktionen sollen am 8. September stattfinden, dann ist der Tag der Deutschen Sprache.