Archiv


Fruchtfälschern auf der Spur

Fruchtjoghurt besteht aus Joghurt und Früchten, sollte man meinen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. So darf sich ein Joghurt zum Beispiel Erdbeerjoghurt nennen, auch wenn auf ein Kilo Joghurt bloß zwei Erdbeeren kommen.

Von Pia Grund-Ludwig |
    Kürbis statt Aprikose im Fruchtjoghurt, rote Rüben als Farblieferanten anstatt der auf dem Etikett abgebildeten Erdbeeren. Das hört sich unappetitlich an, ist aber erlaubt. Die auf der Verpackung abgebildeten Früchte müssen zwar in den Produkten enthalten sein, aber nur im gewissem Umfang. So muss ein Joghurt mit Früchten mindestens sechs Prozent Fruchtanteil erhalten. Im Joghurt mit Fruchtzubereitung sind es noch 3,5 Prozent Früchte. Und auch das ist nicht sicher, denn bislang gab es kein Verfahren, um den Fruchtanteil nachzuweisen. Man konnte zwar den Joghurt sieben und wiegen, was übrig bleibt. Das sei aber ungenau, erklärt Professor Reinhold Carle vom Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie der Universität Hohenheim. Kleinere Stückchen und Mus flutschen nämlich durch die Löcher. Er hat ein exakteres Verfahren entwickelt, um der Schummelei ein Ende zu bereiten. Im ersten Schritt verflüssigt er den Joghurt, dann kommt Alkohol dazu. Diese Prozedur übersteht nur die Zellwand der Früchte, die sich Carle dann genauer anschaut:

    "Wir isolieren aus der Zellwand der Früchte bestimmte Anteile, die für die Stabilität einer Frucht unbedingt erforderlich sind. Die Zelle braucht Stützmaterial, ich würde das mal vergleichen mit Baustahlgewebe, um eine Mindeststabilität für die Frucht gewährleisten zu können. Bei uns ist das die so genannte Zellulose und Hemizellulose, die der Frucht diese Festigkeit verleiht."

    Diese Zellulose wird gewogen. Dann weiß man, wie viel Frucht enthalten war. Das dauert ein bisschen, räumt der Forscher ein:

    "Man braucht drei Tage, bis ein Ergebnis festsetzt. Das sind aber keine drei Tage Handarbeit, sondern die Zeit kommt deshalb zustande, weil Trocknungszeiten für die isolierten Materialien notwendig sind. Drei Tage sind auch eine sinnvolle Zeit, denn auch bei mikrobiellen Untersuchungen. werden auch solche Zeiträume beansprucht, um zu einem Endergebnis zu kommen. Vom labortechnischen her ist das Verfahren relativ anspruchslos."

    Besonderes Augenmerk widmet Carle dabei der so genannten Hemizellulose. Die besteht aus Zucker, und zwar aus Zucker, der sich einzelnen Fruchtarten zuordnen lässt.

    "Jede Frucht hat sozusagen ihren eigenen Fingerabdruck."

    erklärt Carle. Er kann also beweisen, dass statt Aprikose beispielsweise Kürbis verwendet wurde, um die appetitliche gelbe Farbe zu erzeugen. Endverbraucher können das auch künftig zwar nicht selbst prüfen. Für Behörden und Unternehmen könnte sich der Aufwand aber lohnen:

    "Das beginnt bei den Überwachungsämtern, die bisher eigentlich nichts unternehmen konnten, und endet bei den Herstellern von Fruchtzubereitungen, bei den Molkereien, die Fruchtzubereitungen verarbeiten. Sie waren bisher darauf angewiesen, korrekte Angaben von ihren Vorlieferanten zu erhalten."

    Nun haben sie ein sicheres Verfahren. Und, so ergänzt Carle, eines, das sich auch vor Gericht verwenden lässt. Er hat keine Zahlen, die belegen, wie oft bislang geschummelt wurde. Aber die Dunkelziffer dürfte hoch sein, denn die Ersatzstoffe sind billig:

    "Ich denke, dass der Druck des Handels in der Vergangenheit und auch jetzt so groß war, dass jeder der Beteiligten am Markt genötigt war sozusagen bis an die Grenzen des Legalen zu gehen und manchmal auch darüber hinweg. Wenn nun Methoden aufgezeigt worden sind, die es ermöglichen Fälscher zu identifizieren, hält das natürlich alle an korrekt vorzugehen."

    Das ist die gute Nachricht des Hohenheimer Professors für alle, die gerne Fruchtjoghurt mögen. Immerhin 12,5 Kilo verleibt sich jeder Bundesbürger Jahr für Jahr ein. Und Carles Test funktioniert nicht nur für Joghurt.

    "Daneben kommen natürlich die gleichen Fragestellungen auf bei der Untersuchung von Konfitüren, wo man bisher auch gesetzliche Vorschriften hat über den Mindestgehalt an Frucht, aber der Nachweis eben auch daran scheitert, dass keine Methode vorhanden war. Auf solche Produkte, Konfitüren, Fruchtaufstriche lässt sich das mühelos übertragen."