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Fruchtfresser schützen Klima
Kein Tropenwald ohne Tukan und Tapir

Aufforsten allein reicht nicht. Um die tropischen Wälder zu erhalten, braucht es eine vielfältige Tierwelt, wie Forscher der Universität Sao Paulo nachgewiesen haben. Denn die Tiere fressen die Früchte der Bäume und scheiden deren Samen wieder aus. Vor allem große fruchtfressende Tiere sind für den Erhalt der Hartholzgewächse unerlässlich, erläutert Marco Pizo.

Marco Pizo von der Universität Sao Paulo im Gespräch mit Arndt Reuning |
    Junger Riesentukan im Weltvogelpark Walsrode
    Junger Riesentukan: Er ernährt sich von tropischen Früchten und ist daher für den Erhalt des Tropenwaldes von zentraler Bedeutung. (picture alliance / dpa / Weltvogelpark Walsrode / Sonja Buchhop))
    Arndt Reuning: Die Wälder der Tropen spielen eine wichtige Rolle als Kohlenstoffsenken. Die Bäume nehmen Kohlendioxid auf und wandeln es um in Biomasse. Doch diese Wälder sind bedroht, zum Beispiel durch weitflächige Rodungen oder auch Waldbrände. Ein wichtiger Faktor dabei wurde bisher jedoch übersehen. Das berichtet ein internationales Forscherteam heute im Fachmagazin "Science Advances".
    Sie sprechen von einer stillen Bedrohung für die tropischen Wälder, die ihre Funktion als Kohlenstoffsenke stark beeinträchtigt. Mit einem der Forscher habe ich vor der Sendung telefoniert - mit Marco Pizo von der Staatlichen Universität Sao Paulo. Ich wollte wissen, um welche Bedrohung es sich dabei handelt.
    Marco Pizo: Das Problem, mit dem wir uns in der Veröffentlichung beschäftigen, hängt mit dem Verlust von Tierarten zusammen. Mit dem Verlust bestimmter Tierarten, die in tropischen Wäldern leben. In anderen Waldgebieten gibt es diesen Rückgang natürlich auch, aber wir haben uns nur mit den Tropen beschäftigt.
    Uns geht es um die Rolle von großen Tieren, die Früchte aus dem Wald fressen und dann deren Samen verteilen. Wenn solche Tierarten stark schwinden oder ganz aussterben, dann wird sich auf lange Sicht auch der Wald verändern. Und das wirkt sich schließlich auf seine Fähigkeit aus, Kohlenstoff zu speichern.
    Tukan, Tapir und fruchtfressende Primaten gehören zu gefährdeten Arten
    Reuning: Um welche Tierarten geht es denn hier? Könnten Sie vielleicht ein Beispiel nennen?
    Pizo: Große Vögel wie der Tukan zum Beispiel und andere große Vögel, die sich von Früchten ernähren. Auch Säugetiere, wie etwa fruchtfressende Primaten. Und der Tapir gehört auch dazu. Solche Arten kommen überall in den tropischen Wäldern vor. Bedroht ist ihre Existenz zum Beispiel, weil diese Arten übermäßig bejagt werden. Und sie haben mit dem Verlust ihres Lebensraumes zu kämpfen. Wegen ihrer Körpergröße sind sie auf weite Flächen angewiesen, auf denen sie sich bewegen können. In kleinen, zerstückelten Habitaten können sie nicht existieren. Sie brauchen große Flächen zum Überleben.
    Reuning: Diese Tiere ernähren sich von Früchten. Die Samen scheiden sie dann wieder aus und verteilen sie auf diese Weise. Was hat das damit zu tun, wie der Baumbestand im Wald aussieht?
    Pizo: Sie verteilen ja die Samen der Früchte. Und zwar über alle Größen hinweg – von ganz kleinen bis hin zu ganz großen Samenkörnern. Früchte mit großen Samenkörnern verleiben sich nur diese großen Tiere ein, und nicht etwa die kleinen und mittelgroßen Fruchtfresser. Wenn also die großen Tiere des Waldes verschwinden, dann können sich die Bäume mit großen Samen kaum noch ausbreiten – und das wirkt sich natürlich direkt auf die Zusammensetzung der Vegetation aus.
    Reuning: Und die steht wiederum im Zusammenhang damit, wie gut der Wald Kohlenstoff in Form von Biomasse, also von Holz vor allem, speichern kann, wenn ich das recht verstehe.
    "Viele tropische Wälder haben bereits große Tierarten verloren"
    Pizo: Ja. Das Holz der verschiedenen Bäume besitzt unterschiedliche Dichten. Es gibt Bäume mit weichem Holz und solche mit hartem Holz. In unserer Veröffentlichung zeigen wir, dass die Bäume mit großen Samenkörnern zur Klasse der Hartholzgewächse gehören. Verschwinden die Tiere, die diese Samen verteilen, dann verliert der Wald auch auf lange Sicht seine Bäume mit dichtem Holz. Das sind aber genau jene Pflanzen, die am meisten Kohlendioxid aufnehmen und speichern. Der Wald büßt also seine Kapazität ein, Kohlenstoff zu binden.
    Reuning: Wie schätzen Sie dann unter diesen Gesichtspunkten die Wirksamkeit von Programmen ein, mit denen man den Wald wieder aufforsten möchte?
    Pizo: Ja, solche Renaturierungsprogramme gibt es natürlich überall auf der Welt. Aber wenn man einen Wald wieder aufforstet, ohne die großen fruchtfressenden Tiere zu berücksichtigen, greift das zu kurz. Man hat dann zwar nach wenigen Jahren einen Wald. Aber auf lange Sicht ist der Fortbestand der Population gefährdet – wenn man nicht auch die entsprechende Fauna in das Gebiet bringt. Abholzung und Brände bedrohen diese Wälder und vermindern ihre Kapazität als Kohlenstoffsenken. Wir weisen nun erstmals darauf hin, dass auch der Verlust der Fauna zu den Faktoren zählt, die hier eine Rolle spielen. Und die Folgen dürfen schon bald zu spüren sein. Denn der Prozess vollzieht sich ja jetzt schon. Viele tropische Wälder auf dem ganzen Erdball haben bereits viele große Tierarten verloren, die die Samen der Bäume verbreiten.