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Früchte aus der Wüste

Biologie. - Das Klima wird in vielen Teilen der Welt wärmer. Was liegt da näher, als Nutzpflanzen zu erforschen, die Trockenheit und Hitze gewöhnt sind. Kakteen zum Beispiel brauchen nur ein Zehntel der Wassermenge, die Zitrusfrüchte zum Anbau brauchen. Für Yosef Mizrahi, einen israelischen Forscher aus Beer Sheeva, einer Stadt am nördlichen Rand der Negev-Wüste, sind diese Pflanzen zur Lebensaufgabe geworden.

Von Peter Podjavorsek | 14.07.2005
    "Wir sind hier im Kibbuz Carmia, nahe dem Mittelmeer. Hier werden gerade gelbe Pitahayas gepflückt. Lassen Sie mich eine Frucht aufschneiden, damit sie sehen, wie sie aussieht."

    Süss und saftig schmecken die Pitahayas aus Israel. Yosef Mizrahi ist mächtig stolz darauf. Seit 25 Jahren erforscht der israelische Biologe Kakteen und andere Pflanzen aus allen erdenklichen Trockengebieten der Welt. Jahrelang ist er um den Globus gereist, hat Pflanzen gesammelt und mit Einheimischen über deren Eigenschaften und Verwendung gesprochen. Heute hat der Biologe Hunderte Kakteenarten und etliche Bäume und Sträucher in seinen Gewächshausern und auf seinen Freiflächen stehen. Mizrahi:

    "Jeder weiss, dass es den Treibhauseffekt gibt und dass das Klima weltweit wärmer wird. Ich kenne Hunderte von Wissenschaftlern, die darüber sprechen. Aber so weit ich weiss, beschäftigt sich kein einziger mit Früchten, die unter den künftig herrschenden warmen Temperaturen produktiv angebaut werden könnten."

    Als Yosef Mizrahi mit seinen Forschungen begann, war aus wissenschaftlicher Sicht über viele dieser Pflanzen kaum etwas bekannt:

    "Als ich von Gärtnern und Wissenschaftlern die Gelben und Roten Pitahayas bekam, gaben sie mir falsche botanische Namen. Sie nannten sie Hylocereus strangularis. Nach zwei, drei Jahren Forschung stellte ich allerdings fest, dass sie gar nicht gleich sind. Sie waren zum Beispiel unterschiedlich in der Blüte und hatten unterschiedliche Früchte."

    Die gelben Früchte gehörten also offensichtlich zu einer ganz anderen Gattung als die roten, auch Drachenfrucht genannten Pitahayas. Und sie waren, wie der Biologe im Weiteren feststellte, tetraploid, hatten also nicht zwei, sondern vier Chromosomenpaare. Als Yosef Mizrahi das herausfand, hatte er die beiden Pflanzen allerdings bereits miteinander gekreuzt. Wegen der unterschiedlichen Chromosomen-Zusammensetzung hätten nun eigentlich sterile Pflanzen herauskommen müssen. Zum Erstaunen des Forschers war das Gegenteil der Fall, und die Früchte seiner Kreuzung waren auch noch außerordentlich delikat. Keine der von Yosef Mizrahi gesammelten Pflanzen wächst ursprünglich unter den in Israel herrschenden klimatischen Bedingungen. Durch immer wieder neue Kreuzungen versucht der Biologe, sie für den Anbau in der Negev-Wüste zu optimieren. Mizrahi:

    "Manche Gegenden sind sehr kalt, andere extrem heiss, und das Grundwasser hat ganz unterschiedliche Salzgehalte. Indem wir die wilden Pflanzen all diesen Öko-Zonen aussetzen, konnten wir herausfinden, unter welchen Bedingungen sie am Besten wachsen. Kakteen reagieren zum Beispiel empfindlich auf salzhaltiges Wasser, und manche Sorten müssen in Israel unter Netzen angebaut werden, weil für sie die Sonneneinstrahlung zu hoch ist."

    Gleichzeitig gilt es, durch geschickte Kreuzungen möglichst schmackhafte Früchte zu bekommen. Manche Sorten haben zum Beispiel zu viele Samen und sind sehr süss. Eigenschaften, die Europäer nicht schätzen. Sie bevorzugen im Gegensatz zu Asiaten Früchte, die süss und sauer sind. Nach langen Jahren des Experimentierens hat Yosef Mizrahi inzwischen mehrere Pflanzen und Kakteen zur Marktreife gebracht hat. Dennoch erweist sich die Vermarktung als außerordentlich schwierig:

    "Wir haben Misserfolge, oh ja. Die Sapotilla-Frucht zum Beispiel, die wir aus Mexiko importiert haben und die mit den Zitrusfrüchten verwandt ist. Sie gedeiht hier bestens, und sie schmeckt ausgezeichnet. Ein Student von mir dachte, er würde Millionär werden durch den Verkauf der Früchte nach Europa. Er konnte aber nicht eine einzige Frucht loswerden. Es ist einfach sehr schwierig, etwas völlig Neues auf den Markt zu bringen."